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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des P in L, vertreten durch Grassner Lenz Thewanger & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Elisabethstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. Mai 2001, Zl. Ge- 219005/8-2001-Pan/Sta, betreffend Zurückweisung einer Berufung i. A. Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 9. Februar 2001, mit dem dem Beschwerdeführer die näher bezeichnete Gewerbeberechtigung entzogen wurde, "gemäß § 66 Abs. 4 i.V.m. § 63 Abs. 5 und 6 AVG als verspätet zurückgewiesen".
In der Begründung dieses Bescheides heißt es, der erstinstanzliche Bescheid sei dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 19. Februar 2001 zugestellt worden. Die Berufung sei am 2. März 2001 zur Post gegeben und an den Landeshauptmann von Oberösterreich adressiert worden, obwohl die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides als Einbringungsstelle den Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz zutreffenderweise enthalten habe. Die an den Landeshauptmann adressierte Berufung sei am 5. März 2001 beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung eingelangt. Gemäß § 6 AVG sei diese Berufungsschrift am 13. März 2001 an den Magistrat der Landeshauptstadt Linz übermittelt worden. Da die Berufungsfrist mit Ablauf des 5. März 2001 geendet habe, sei das Einlangen der Berufungsschrift bei der zuständigen Behörde, nämlich dem Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz erst nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgt, sodass die Berufung nach den zwingenden Verfahrensvorschriften als verspätet zurückzuweisen sei, ohne auf die Sache selbst eingehen zu können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 63 Abs. 5 AVG (in der Fassung BGBl. Nr. 153/1998) hat folgenden Wortlaut:
"(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten."
Unter Bezugnahme auf diese Rechtslage macht der Beschwerdeführer geltend, seine Berufung hätte nicht als verspätet zurückgewiesen werden dürfen, weil die Berufung (zwar irrtümlich aber) innerhalb der Berufungsfrist direkt beim Landeshauptmann von Oberösterreich als Berufungsbehörde eingebracht worden sei.
Der Beschwerdeführer ist damit im Recht.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die Berufung innerhalb der Berufungsfrist bei der Berufungsbehörde eingebracht wurde.
Wenn die belangte Behörde - und zwar explizit in ihrer Gegenschrift - die Auffassung vertritt, § 63 Abs. 5 letzter Satz AVG weise darauf hin, dass die Berufungsbehörde die Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten habe, dieses Weiterleiten nach § 6 AVG - als "Spezialnorm" - jedoch auf Gefahr des Einschreiters zu erfolgen habe, so setzt sie sich über den klaren Wortlaut des Gesetzes hinweg. Im ersten Halbsatzes des letzten Satzes des § 63 Abs. 5 leg. cit. wird in einer zu keinem Zweifel Anlass gebenden Weise bestimmt, dass eben auch dann, wenn (fälschlich) die Berufung innerhalb der Berufungsfrist bei der Berufungsbehörde eingebracht wird, dies "als rechtzeitige Einbringung" gilt. Daran vermag auch § 6 AVG nichts zu ändern; der letzte Halbsatz des § 63 Abs. 5 AVG stellt vielmehr gerade eine lex specialis zu § 6 AVG dar. Wie es nämlich in den Materialen (Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 471/1995, 130. BlgNR XIX. GP; abgedruckt in Walter/Thienel,
Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1157) heißt, soll durch den neuen letzten Satz sichergestellt werden, dass die irrtümliche (aber fristgerechte) Einbringung bei der Berufungsbehörde nicht zur Fristversäumung führt. Hinsichtlich des Verhältnisses zu § 6 AVG heißt es sodann weiters:
"... Um die Frage zu klären, ob und inwieweit § 6 AVG in den vorliegenden Fällen anwendbar ist, wird ausdrücklich festgehalten, dass die Berufungsbehörde die bei ihr eingebrachte Berufung an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten hat. Damit soll die Schwierigkeit vermieden werden, dass im Fall der Geltung des § 6 AVG bei einer 'Verweisung' des Berufungswerbers 'an die zuständige Stelle' (§ 6 AVG) auslegungsbedürftig wäre, welche Folgen es hätte, wenn der Berufungswerber die Berufung nicht oder erst sehr spät der Behörde erster Instanz vorlegt. Es soll daher im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls nur die Verpflichtung zur Weiterleitung an die Behörde erster Instanz bestehen."
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 5. September 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001040123.X00Im RIS seit
16.10.2001