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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §16 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des Z in Reutte, vertreten durch Dr. Hermann Tschiderer, Dr. Reinhold Wolf und Mag. Gerhard Mader, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 6600 Reutte, Claudiastraße 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 4. Juni 1998, Zl. 1997/19/176-1, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960,
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf den Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 25. Juni 1997 bezieht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 25. Juni 1997 wurde der Beschwerdeführer - unter näherer Angabe von Tatort und Tatzeit - schuldig erkannt, er habe ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt
"1. und ein Fahrzeug trotz Gegenverkehr überholt, wodurch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet wurden.
2. und auf einer Straßenstrecke (B 314, km 27.6, unmittelbar nach dem Lermooser Tunnel in Fahrtrichtung Nassereith) die durch das Vorschriftszeichen 'Überholen verboten' gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt. Dieser Überholvorgang erfolgte um 12.00 Uhr. In weiterer Folge überfuhren Sie im Bereich der Fernpaßstrecke mehrmals die Fahrbahnmitte und hielten einen zu geringen Sicherheitsabstand zu dem vor Ihnen fahrenden PKW bzw. LKW".
Der Beschwerdeführer habe dadurch - zu 1. - § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 und - zu 2. - § 16 Abs. 2 lit. a StVO 1960 verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde - zu 1. - eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) und - zu 2. - eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers insoweit Folge gegeben, "als das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich der im letzten Satz zu Punkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses enthaltenen Schuldvorwürfe ('In weiterer Folge überfuhren Sie im Bereich der Fernpaßstrecke mehrmals die Fahrbahnmitte und hielten einen zu geringen Sicherheitsabstand zu dem vor Ihnen fahrenden PKW bzw. LKW.') nach § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt wird. Die zu Punkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses verhängte Geldstrafe von S 1.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden, wird auf S 400,-- , Ersatzfreiheitsstrafe 10 Stunden, herabgesetzt; ..."
Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung zum Spruchpunkt 1. wurde im Wesentlichen ausgeführt, beim Überholverbot nach § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 komme es nicht darauf an, ob am Ende des Überholvorganges eine Gefährdung oder Behinderung eintrete, sondern darauf, ob der Fahrzeuglenker am Beginn oder (wenn ein Abbrechen noch möglich sei) während des Überholvorganges erkennen könne, dass er andere Straßenbenützer gefährde oder behindere. Nach der Darstellung des Beschwerdeführers in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung der Erstbehörde habe dieser den Gegenverkehr zu dem Zeitpunkt bemerkt, als er sich auf Höhe des überholten Fahrzeuges befunden habe; er wäre daher gehalten gewesen, das Überholmanöver abzubrechen. Da er dies unterlassen habe, habe er die ihm zu Punkt 1. angelastete Verwaltungsübertretung verwirklicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens durch die belangte Behörde erwogen:
Zu I.:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das sich aus der Bestimmung des § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 ergebende Tatbild darin, dass der Lenker eines Fahrzeuges einen Überholvorgang ungeachtet dessen, dass andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, durchführt, indem er mit dem Überholen beginnt oder den Überholvorgang nicht abbricht, so lange dies noch möglich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 94/03/0103, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Unter Einbeziehung der diesbezüglichen Begründung ergibt sich als Inhalt des Spruchpunktes I. mit ausreichender Deutlichkeit, dass dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht wird, er habe während des Überholvorganges erkennen können, dass er andere Straßenbenützer gefährde, das Überholmanöver aber nicht abgebrochen habe, obwohl dies noch möglich gewesen sei.
In der Beschwerde wird u.a. geltend gemacht, die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer den Überholvorgang hätte abbrechen müssen, sei durch keine Verfahrensergebnisse gedeckt, ob ein Abbruch überhaupt möglich gewesen wäre bzw. ob der Beschwerdeführer hiezu überhaupt noch in der Lage gewesen wäre. Auch der Sachverständige habe sich dazu nicht geäußert. Die Möglichkeit des Abbruches werde ohne Ermittlungsergebnisse und Feststellungen stillschweigend der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt.
Der Beschwerdeführer ist damit im Recht.
Der angefochtene Bescheid war somit hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Zu II.:
In Ansehung der Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 2 lit. a StVO 1960 sind die Voraussetzungen des § 33a VwGG erfüllt, sodass die Behandlung der Beschwerde diesbezüglich abgelehnt werden konnte.
Wien, am 6. September 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998030247.X00Im RIS seit
21.11.2001