§ 30 Abs 2 VStG bestimmt, dass wenn eine Tat von den Behörden nur zu ahnden ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und wenn es zweifelhaft ist, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, die Behörde das Strafverfahren auszusetzen hat, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist. Art 4 Abs 1 des 7. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (7. ZP-EMRK) wiederum normiert, dass niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf.
Dieses Doppelbestrafungsverbot, welches auch ein Doppelverfolgungsverbot beinhaltet, gilt auch im Verhältnis von Justiz- und Verwaltungsstrafrecht (siehe Fall G., ÖJZ 1995, 954). Art 4 Abs 1 7. ZP-EMRK schließt eine Bestrafung allerdings nicht aus, wenn durch dieselbe Handlung mehrere Delikte verwirklicht werden. Er verbietet eine Doppelbestrafung nur dann, wenn der Unrechts- und Schuldgehalt einer Handlung durch einen Deliktstypus bereits in seinen wesentlichen Aspekten erfasst ist, so in den Fällen der Scheinkonkurrenz (Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion; Öhlinger, Verfassungsrecht, 4. Auflage, RZ 977). Daher war der Unrechtsagehalt einer Übertretung nach § 15 Abs 1 TLPG jenem des § 216 StGB gegenüber zu stellen.
§ 15 Abs 1 TLPG bestimmt, dass ein Bordell nur mit behördlicher Bewilligung betrieben werden darf. Die Erteilung dieser Bewilligung ist an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft. So dürfen beispielsweise gemäß Abs 3 lit c leg cit öffentliche Interessen nicht dagegen sprechen. Insbesondere darf nicht zu befürchten sein, dass der Betrieb eines Bordells zu Missständen
führt, die das örtliche Gemeinschaftsleben in unzumutbarer Weise stören. Hiebei ist insbesondere auf mögliche Beeinträchtigungen der in der Nachbarschaft lebenden oder sonst sich längere Zeit dort aufhaltenden Personen, insbesondere Jugendlicher, Bedacht zu nehmen. Zudem dient diese Bestimmung auch dazu, dass die Verbreitung ansteckender Krankheiten dadurch unterbunden wird, dass die Prostituierten laufend medizinischen Untersuchungen zugeführt werden.
Dem gegenüber bestimmt § 216 Abs 1 StGB dass wer mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßiqen Unzucht einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese Person ausnützt, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten zu bestrafen ist. Nach Abs 2 leg cit ist, wer mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese Person ausbeutet, sie einschüchtert, ihr die Bedingungen der Ausübung der Unzucht vorschreibt oder mehrere solche Personen zugleich ausnützt, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.
Diese gerichtliche Strafbestimmung stellt somit im Grundstraftatbestand auf das Ausnützen einer Person ab, die gewerbsmäßig Unzucht betreibt, dies mit dem Vorsatz, sich eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Ob die Prostitution geheim oder unter behördlicher Kontrolle ausgeübt wird, ist unerheblich (Pallin in Wiener Kommentar, § 216 Rz 2, Nachweis auch bei Bertl/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht, Besonderer Teil II, Seite 66). Damit war aber auch das Argument des Berufungswerbers widerlegt, wonach der in der Bestimmung des § 216 StGB innewohnende Unrechtsgehalt den Unrechtsgehalt eines Verstoßes gegen § 15 Abs 1 TLPG mit umfasse. Damit ist ebenfalls widerlegt, dass die Verwirklichung des Tatbestandes des § 216 StGB den Tatbestand eines Verstoßes gegen § 15 Abs 1 TLPG faktisch immer einschließe. Die Bestimmung des § 15 Abs 1 TLPG dient eindeutig öffentlichen Zwecken (Jugendschutz, Vermeidung der Verbreitung ansteckender Krankheiten, Bedachtnahme auf örtliche Gegebenheiten etc). § 216 StGB richtet sich gegen Täter, die Prostituierte mit dem Vorsatz ausnützen, sich daraus eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Eine Gefahr der Verletzung des Art 4 7. ZP-EMRK oder des Verstoßes gegen § 30 Abs 2 VStG bestand daher in der Fortführung des Verfahrens nicht.