§ 74 zusammen mit § 77 GewO 1994 stellen die zentrale Bestimmung des materiellen Betriebsanlagenrechtes dar. § 74 Abs. 1 leg. cit. definiert den Begriff der gewerblichen Betriebsanlage, während Abs. 2 die Tatbestände festlegt, bei deren Vorliegen eine Genehmigungspflicht der gewerblichen Betriebsanlage gegeben ist.
§ 77 dagegen regelt die Genehmigungsfähigkeit einer Betriebsanlage, das heißt also, die Voraussetzungen, unter denen eine genehmigungspflichtige gewerbliche Betriebsanlage zu genehmigen ist. Als gewerbliche Betriebsanlage ist die Gesamtheit jener Einrichtungen anzusehen, die dem Zweck des Betriebes eines Unternehmens gewidmet sind und in örtlichem Zusammenhang stehen (VwGH 23.10.1995, 94/04/0223). Sie ist in ihrer alle ? aus den Antragsbelegen ersichtlichen ? Einzelheiten (Anlagenteile) umfassenden Gesamtheit als Einheit zu betrachten. Intention des Gesetzgebers ist, dass schon die Errichtung und nicht nur der Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage genehmigungspflichtig ist. Der Genehmigungswerber soll bereits vor Errichtung der Anlage erfahren, ob er die Genehmigung, bejahendenfalls mit welchen Auflagen, erhält und damit vor allfälligen Fehlinvestitionen bewahrt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Bedenken, dass bereits die Errichtung einer gewerblichen Betriebsanlage einer Genehmigungspflicht unterliegt (VwGH 20.9.1994, 94/04/0087). Errichtung und Betrieb einer Betriebsanlage sind gemeinsam zu genehmigen. Im Anlassfall ergibt sich die Genehmigungspflicht der Betriebsanlage aus deren Betriebsweise von selbst, begründet doch nach der Judikatur schon die grundsätzliche Eignung einer Betriebsanlage zu Gefährdungen, Belästigungen usw. die Genehmigungspflicht. Aufgrund der Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen einer Lärmbelästigung von Nachbarn iSd § 74 Abs. 2 Z 2 GewO und einer Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Nachbarn iSd § 74 Abs. 2 Z 1 leg. cit. ist besonders auf die Stellungnahme der medizinischen Amtssachverständigen Bedacht zu nehmen. Erhebt diese aufgrund des schalltechnischen Gutachtens ? unter Zugrundelegung der Verlängerung und Erhöhung der Lärmschutzwände und der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h sowie der damit für alle Anrainer verbundenen Verminderung des Dauerschallpegels bei Tag und Nacht ? keinen Einwand gegen den Betrieb der Anlage, zumal es ? bezogen auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Nachbarn ? dadurch zu keiner unzumutbaren Belästigung, Gesundheitsbeeinträchtigung oder
-gefährdung kommt. Gegenstand des gewerbebehördlichen Verfahrens iSd § 77 GewO ist ausschließlich das eingereichte Projekt. Gegenstand einer Beurteilung iSd § 77 GewO sind nicht die vom tatsächlichen Bestand oder tatsächlichen Betrieb ausgehenden Belastungen (der Nachbarn), sondern jene, die bei projektgemäßer Errichtung und projektsgemäßem Betrieb zu erwarten sind (VwGH 25.11.1997, 97/04/0122). Die ?Sache", über welche die Behörde im Genehmigungsverfahren zu entscheiden hat, wird durch das Genehmigungsansuchen bestimmt.
Dementsprechend hat das Begehren, ein Genehmigungsverfahren iSd § 77 GewO nochmals durchzuführen, weil erst nach Inbetriebnahme der Betriebsanlage die tatsächlichen Emissionswerte festgestellt werden könnten, keine rechtliche Relevanz. Die Einhaltung des Standes der Technik (siehe § 71a GewO) und des Standes der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften wird im § 77 Abs. 1 leg. cit. nicht als Genehmigungsvoraussetzung schlechthin gefordert. Verlangt wird in dieser Bestimmung lediglich, dass die als Voraussetzung für die Genehmigung der Betriebsanlage normierte Erwartung, dass Gefährdungen vermieden und Belästigungen usw. auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, nach dem Stand der Technik und der sonstigen Wissenschaften zu beurteilen ist. Die Behörde hat ? wohl unter Beachtung des Standes der Technik ? nur jene Auflagen vorzuschreiben, die zur Erreichung der sich aus ? gegenständlich ? § 74 Abs. 2 Z 2 leg. cit. ergebenden Schutzzwecke notwendig sind. Nicht hingegen sind die von der Anlage ausgehenden Emissionen ohne Rücksicht auf diese Schutzzwecke auf das nach dem Stand der Technik, der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften geringstmögliche Maß zu reduzieren (VwGH 28.5.1991, 90/04/0320). Es ist der Betriebsanlagengenehmigung dann nicht entgegenzutreten, wenn ? unter Bezugnahme auf das schalltechnische Gutachten sowie die Amtssachverständigenstellungnahmen ? jedenfalls eine Beschränkung von Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen iSd § 74 Abs. 2 Z 2 GewO auf ein zumutbares Maß bewirkt wurde. In diesem Zusammenhang ist auf die ständige höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach ein gewisses Ausmaß an Belästigung oder Beeinträchtigung jedoch hingenommen werden muss, soll nicht die gewerbliche Tätigkeit völlig unterbunden werden. Es besteht nach § 77 GewO auch dann ein Rechtsanspruch auf Genehmigung der Betriebsanlage, wenn (nur) ?bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen" zu erwarten ist, dass die in dieser Gesetzesstelle bezeichneten Immissionen nicht eintreten. Die belangte Behörde war also verpflichtet, von Amts wegen zu prüfen, ob ein allfälliges Genehmigungshindernis (gegenständlich die unzumutbare Belästigung der Nachbarn durch den Betrieb der zur Genehmigung beantragten Betriebsanlage ? Lärm) durch Vorschreibung von zulässigen Auflagen beseitigt werden kann. Im Übrigen ist als Auflage jede Vorschreibung zu verstehen, durch die Gefährdungen vermieden und Belästigungen usw. auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Diese Auflagen sind ihrem ?Wesen" nach pflichtenbegründende Nebenbestimmungen eines begünstigenden Verwaltungsaktes und haben akzessorischen Charakter.