TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/11 2000/21/0101

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Veröffentlicht am 11.09.2001
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde der 13. September 1980 geborenen B (auch: Bo) A (auch: AL) in Wien, vertreten durch Dr. Alexandra Biely, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 4. Februar 2000, Fr 3399/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Februar 2000 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen Nigerias, gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 25. Oktober 1999, mit dem gegen sie gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 7 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein bis 31. Oktober 2004 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides traf die belangte Behörde im wesentlichen folgende Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin sei am 23. September 1999 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist, sei nicht im Besitz eines gültigen Reisedokumentes und habe ihre Identität nicht nachweisen können. Am selben Tag habe sie einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Oktober 1999 (gemäß § 6 des Asylgesetzes 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76) als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden sei. Dieser Bescheid sei vom unabhängigen Bundesasylsenat bestätigt worden und am 25. November 1999 in Rechtskraft erwachsen. Die Beschwerdeführerin habe nie über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 AsylG verfügt. Über sie sei am 27. September 1999 die Schubhaft verhängt worden, aus der sie am 2. Dezember 1999 entlassen worden sei. Für die Beschwerdeführerin bestehe keine legale Möglichkeit einer Beschäftigung. "Irgendwelche sonstige Arten", ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, habe sich nicht. Sie verfüge auch über kein Vermögen und sei demnach als mittellose Person zu betrachten.

Rechtlich führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, mittellose Personen stellten eine eminente Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, weil die Befürchtung gerechtfertigt sei, dass sich diese Personen ihren Lebensunterhalt entweder durch "Schwarzarbeit oder sonstige unlautere bzw. kriminelle Machenschaften" verdienen und "der österreichischen Sozialhilfe in letzter Konsequenz zur Last fallen" würden. Es sei daher die Annahme zulässig, der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich werde die öffentliche Ordnung und das wirtschaftliche Wohl des Landes, vor allem im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen und auf jene Gefahren, die von mittellosen Personen ausgehen könnten, gefährden. Ein allfälliges privates Interesse der Beschwerdeführerin müsse gegenüber diesen öffentlichen Interessen zurücktreten. Die belangte Behörde sehe sich daher im Rahmen der Ermessensübung außer Stande, die "Kannbestimmung des § 36 Abs. 1 Fremdengesetz 1997" zu Gunsten der Beschwerdeführerin anzuwenden und von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes abzusehen. Da keine maßgeblichen familiären oder privaten Interessen der Beschwerdeführerin (an einem Weiterverbleib in Österreich) festzustellen seien, sei nicht zu prüfen, ob die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten erscheine, und es sei auch keine Abwägung nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmen. Unter Bedachtnahme auf § 39 FrG sei ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde. Im vorliegenden Fall wäre - so die belangte Behörde abschließend - auch ein Aufenthaltsverbot von zehn Jahren möglich gewesen, weshalb ein solches von fünf Jahren gerechtfertigt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde eine Vernehmung der Beschwerdeführerin unterlassen habe. Dabei hätte sich ergeben, dass sie am 2. Dezember 1999 aus der Schubhaft (als gelinderes Mittel) in das Notquartier der ADA (Association for Democracy in Africa) entlassen worden sei. Amtsbekannt sei, dass für den Zeitraum des Aufenthalts in diesem Quartier auch für die Ausbildung und Versorgung der ehemaligen Schubhäftlinge gesorgt werde. Diese hätten unter anderem auch einen täglichen Deutschunterricht zu absolvieren. Es werde "insgesamt" angestrebt, dass eine Integration in Österreich erreicht werde und ein Arbeitsplatz gefunden werden könne.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat gemäß § 36 Abs. 2 Z 7 FrG - von einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen - zu gelten, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt und entsprechend zu belegen, dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint (vgl. jüngst etwa die Erkenntnisse vom 20. März 2001, Zl. 98/21/0344, und vom 1. März 2001, Zl. 98/18/0157, je mwN). Dieser Anforderung wird der schon in der Berufung enthaltene Hinweis, wonach die Beschwerdeführerin von der ADA betreut werde und ihr diese "einen festen Wohnsitz" und eine "geregelte Arbeit" verschaffen werde, nicht gerecht; und zwar jedenfalls deshalb, weil nicht dargelegt wurde, welche Unterstützungsleistungen ganz konkret - auf welche Rechtsgrundlage - seitens der genannten Organisation erbracht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/21/0073).

Mangels rechtlicher Relevanz des - bereits in der Berufung vorgetragenen - Hinweises auf die Unterstützung durch die ADA begründet es entgegen dem Beschwerdestandpunkt demnach keinen Verfahrensmangel, dass die belangte Behörde dazu eine Vernehmung der Beschwerdeführerin unterlassen und sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt hat. Der Auffassung im angefochtenen Bescheid, dass die Beschwerdeführerin (selbst) mittellos sei, tritt die Beschwerde aber nicht entgegen. Es ist auch sonst nicht erkennbar, in welchen Zeiträumen und in welchem Umfang die Beschwerdeführerin mit Einkünften rechnen könne und inwieweit diese gesichert seien. Vielmehr bleiben die Feststellungen der belangten Behörde, wonach die Beschwerdeführerin in Österreich keiner erlaubten Beschäftigung nachgehen könne, in der Beschwerde unbestritten. Gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 7 FrG verwirklicht sei, bestehen daher keine Bedenken.

Im Hinblick auf die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa nur die oben zitierten Erkenntnisse) aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultierende Gefahr strafbarer Handlungen und/oder einer finanziellen Belastung der Republik Österreich ist es - entgegen den Beschwerdeausführungen - auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtete, zumal nicht dargetan wird, dass die Unterstützungsleistungen seitens der ADA über einen längeren Zeitraum hinweg gewährt werden. Diese Annahme wird noch dadurch verstärkt, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhält.

Mit dem Hinweis auf das Asylverfahren ist für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, weil dieses - wie erwähnt - im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtskräftig beendet war.

Wegen der Kürze des Aufenthalts der Beschwerdeführerin in Österreich bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (von nicht einmal sechs Monaten) und des (unbestritten gebliebenen) Fehlens von familiären und privaten Bindungen im Inland ist ein im Sinn des § 37 FrG relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführerin nicht zu erkennen. Zu Recht hat die belangte Behörde daher eine Beurteilung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei, und eine Abwägung der persönlichen mit den öffentlichen Interessen im vorliegenden Fall für entbehrlich gehalten.

Soweit die Beschwerde neuerlich auf eine (angebliche) Verfolgung der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland verweist, hat dazu bereits die belangte Behörde zutreffend erwidert, dass diesem Einwand im Verfahren betreffend ein Aufenthaltsverbot keine Relevanz zukommt und er daher auch nicht zu prüfen ist (vgl. etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 1. März 2001, Zl. 98/18/0157).

Die Beschwerde war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 11. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000210101.X00

Im RIS seit

21.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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