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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §19 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des S in Wien, geboren am 11. Jänner 1976, vertreten durch Dr. Peter Birgmayer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 2/34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 7. August 1998, Zl. Fr-503/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart (der erstinstanzlichen Behörde) vom 12. September 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Ruanda, gemäß § 17 Abs. 2 Z 4 und 6 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (der belangten Behörde) vom 7. August 1998 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Ausweisung auf § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gestützt werde.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen aus, dass der Beschwerdeführer am 11. September 1997 von Ungarn kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist sei und unmittelbar danach von Organen der Grenzüberwachung aufgegriffen worden sei. Das den Beschwerdeführer betreffende Asylverfahren sei bereits negativ rechtskräftig abgeschlossen, sodass ihm auf Grund des Asylgesetzes keine Aufenthaltsberechtigung mehr zukommen könne. Sein Aufenthalt in Österreich sei somit unrechtmäßig, weshalb die Ausweisung auf § 33 Abs. 1 FrG zu stützen gewesen sei.
Auf Grund seines kurzen Aufenthalts in Österreich und des Umstandes, dass er im Bundesgebiet keine Verwandten und keine Ehegattin habe, sei ein Eingriff in sein Privat- oder Familienleben zu verneinen.
Weiters führte die belangte Behörde aus, dass hinsichtlich seiner Berufungsausführungen "betreffend Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz" - der Beschwerdeführer hatte nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten in seiner Berufung vom 22. September 1997 u.a. vorgebracht, gemäß § 7 Asylgesetz 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt zu sein - auf die vorgenannten begründenden Ausführungen verwiesen werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 33 Abs. 1 FrG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
Gemäß § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1997 - AsylG haben Asylwerber, die unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereist sind, die vorläufige Aufenthaltsberechtigung erst, wenn sie von der Behörde zuerkannt wird. Die Behörde hat solchen Asylwerbern, deren Antrag zulässig, aber nicht offensichtlich unbegründet ist, unverzüglich die vorläufige Aufenthaltsberechtigung durch Aushändigung der Bescheinigung zuzuerkennen. Nach Abs. 4 erster Satz dieser Gesetzesbestimmung endet die vorläufige Aufenthaltsberechtigung, wenn das Asylverfahren eingestellt oder rechtskräftig abgeschlossen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 Z 4 FrG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt.
2. Die Beschwerde macht (u.a.) geltend, dass dem Beschwerdeführer während seines Asylverfahrens eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 2 AsylG erteilt worden sei und der asylrechtlich negative Berufungsbescheid "offensichtlich rechtskräftig" geworden sei, weil er nach seinem Auszug aus dem Flüchtlingsheim der Caritas keine Zustelladresse habe angeben können. Er hätte deshalb gegen diesen asylrechtlichen Bescheid kein Rechtsmittel erheben können, und es sei ihm dadurch ohne sein Verschulden der Zugang zum Höchstgericht verwehrt worden. Dieser Umstand wirke sich zumindest indirekt auch auf das dem vorliegend angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Berufungsverfahren als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aus.
3. Dieses Beschwerdevorbringen, das darauf abzielt, dass dem Beschwerdeführer der asylrechtliche Berufungsbescheid nicht wirksam zugestellt worden sei und er sich infolge der asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung bei Erlassung des vorliegend angefochtenen Bescheides rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe, unterliegt nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). So wurden im Verwaltungsverfahren erstmals von der belangten Behörde der Ausweisungstatbestand des § 33 Abs. 1 FrG (vgl. in diesem Zusammenhang die bis zum Inkrafttreten des FrG am 1. Jänner 1998 geltende Bestimmung des § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992) und der Umstand der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages als entscheidungswesentlich herangezogen - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten war im Zeitpunkt der Erhebung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid über seine im Asylverfahren erhobene Berufung noch nicht entschieden worden - und war dem Beschwerdeführer vor Erlassung des vorliegend angefochtenen Bescheides von der belangten Behörde keine Gelegenheit geboten worden, zur Annahme, dass das Asylverfahren mittlerweile rechtskräftig beendet sei, Stellung zu nehmen.
Sollte der asylrechtliche Berufungsbescheid tatsächlich dem Beschwerdeführer bisher nicht rechtswirksam zugestellt worden sein, weil dieser nicht mehr an der Zustellanschrift aufhältig war, und sollte ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 Abs. 2 AsylG zuerkannt worden sein - im angefochtenen Bescheid selbst (vgl. dort auf Seite 3) ist die Rede davon, dass dem Beschwerdeführer infolge des negativen rechtskräftigen Abschlusses des Asylverfahrens resultierend aus dem Asylgesetz keine Aufenthaltsberechtigung "mehr" zukommen könne - dann wäre der Beschwerdeführer bei Erlassung des vorliegend angefochtenen Bescheides gemäß § 31 Abs. 1 Z 4 FrG zum Aufenthalt berechtigt und die Tatbestandsvoraussetzung des § 33 Abs. 1 FrG nicht erfüllt gewesen.
Im Hinblick darauf, dass sich die belangte Behörde mit diesen in der Beschwerde relevierten Fragen nicht auseinandergesetzt hat, bedarf der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung.
4. Demzufolge war der angefochtene Bescheid - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. September 2001
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Neuerungsverbot Besondere Rechtsgebiete Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998210500.X00Im RIS seit
14.01.2002