Die Oö. Gesundheits- und Spitals-AG als Rechtsträgerin des Landeskrankenhauses Gmunden steht in hundertprozentigem Eigentum des Landes Oberösterreich und ist daher öffentliche Auftraggeberin gemäß § 7 Abs.1 Z2 Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG sowie § 1 Abs.2 Z4 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz. Als vergebende Stelle iSd § 20 Z36 BVergG tritt das Landeskrankenhaus Gmunden auf. Während die Antragstellerin von einer Auftragsvergabe im Oberschwellenwertbereich ausgeht, geht die Auftraggeberin von einem geschätzten Auftragswert von 160.000 Euro bis 185.000 Euro aus und wurde daher die Vergabe gemäß den Bestimmungen im Unterschwellenbereich in der Amtlichen Linzer Zeitung, Folge 23, 13.11.2003, und in den Kammernachrichten, Folge 46, 14.11.2003, öffentlich bekannt gemacht. Die Ausschreibungsunterlagen enthalten keine Angaben über eine Vergabe der ausgeschriebenen Leistung im Ober- oder Unterschwellenbereich. Dies widerspricht klar dem § 67 Abs.1 BVergG. Die Ausschreibung blieb jedoch unangefochten und sind daher entsprechende Mängel aufgrund der eingetretenen Präklusion unanfechtbar. Die Ausschreibung im Unterschwellenbereich ist daher rechtswirksam. Der geschätzte Auftragswert der gegenständlichen Ausschreibung überschreitet daher den Schwellenwert von mind. 200.000 Euro bei Lieferaufträgen iSd § 9 Abs.1 Z2 BVergG nicht. Die gegenständliche Vergabe unterliegt daher sowohl dem Bundesvergabegesetz als auch dem Oö. Vergabenachprüfungsgesetz.
Gemäß § 2 Abs.2 und § 13 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz ist der unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagserteilung zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das BVergG und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig
1.
zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
2.
zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkt.
Der Oö. Verwaltungssenat hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene Entscheidung eines Auftraggebers bzw. einer Auftraggeberin für nichtig zu erklären, wenn sie
1. im Widerspruch zu Bestimmungen des BVergG oder den hierzu erlassenen Verordnungen steht und
2. für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
Die Zuschlagsentscheidung ist gemäß § 20 Z13 lit.a sublit.aa BVergG eine gesondert anfechtbare Entscheidung (vgl. § 3 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz), welche gemäß § 9 und Teil II Z1 der Anlage zu § 9 des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes in der Frist gemäß § 100 Abs.2 BVergG angefochten werden kann.
Der Nachprüfungsantrag vom 18.2.2004 richtet sich gegen die Zuschlagsentscheidung vom 2.2.2004 und erfüllt nach rechtzeitiger Verbesserung die Zulassungsvoraussetzungen. Durch den Verweis auf die Frist gemäß § 100 Abs.2 BVergG in Teil II Z1 der Anlage zu § 9 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz handelt es sich funktional um eine Rechtsmittelfrist. Eine solche beginnt ganz allgemein erst dann, wenn der Rechtsmittelberechtigte die Möglichkeit hat, Kenntnis vom Inhalt der anzufechtenden Entscheidung zu erlangen (vgl. Hakul, BVergG, nwV, S.503). Der Antrag ist daher auch rechtzeitig eingebracht.
Mit Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates vom 26.2.2004, VwSen-550133/8/Kl/Pe, wurde dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattgegeben und die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 18.4.2004 untersagt. Weil im Provisorialverfahren eine Prüfung des Hauptantrages nicht möglich ist und nicht stattfindet und seitens der Auftraggeberin zur einstweiligen Verfügung keine Äußerungen getätigt wurden, wurde aufgrund der Angaben im Antrag - auch zum Schwellenwert - entschieden.
Gemäß § 2 Abs.2 Z2 und § 13 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz hat der unabhängige Verwaltungssenat im Rahmen der von der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte die Nichtigerklärung der angefochtenen Zuschlagsentscheidung auszusprechen, wenn sie im Widerspruch zu den Bestimmungen des BVergG oder der hiezu erlassenen Verordnungen steht und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
Als Beschwerdepunkte führte die Antragstellerin Mängel beim Zuschlagskriterium Qualität, bei der Ermittlung des Bestbieters bzw. der Bestbieterin durch Nichtausscheiden des Angebotes der M M GmbH bzw. der Firma S für die Position G, durch nicht erfolgte vertiefte Angebotsprüfung und schließlich die mangelhafte Mitteilung der Zuschlagsentscheidung entgegen der Bestimmung des § 100 Abs.1 BVergG an.
Nach den Behauptungen der Antragstellerin und den Nachweisen der vorgelegten Unterlagen des Vergabeaktes wurde die Zuschlagsentscheidung vom 2.2.2004 von der Auftraggeberin den fünf am Vergabeverfahren beteiligten Bietern per Post zugestellt, sodass die Antragstellerin am 4.2.2004 durch Zustellung von der Zuschlagsentscheidung betreffend die Firmen S und M Kenntnis erlangte.
Gemäß § 100 Abs.1 BVergG hat der Auftraggeber den Bietern gleichzeitig, unverzüglich und nachweislich elektronisch oder mittels Telefax mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. Ein unter Verstoß gegen die gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bestehende Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erfolgter Zuschlag ist nichtig.
Gemäß § 100 Abs.2 BVergG darf der Zuschlag bei sonstiger Nichtigkeit nicht innerhalb einer Stillhaltefrist von 14 Tagen ab Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß Abs.1 erteilt werden.
Gemäß § 20 Z42 BVergG ist eine Zuschlagsentscheidung die an Bieter abgegebene nicht verbindliche Absichtserklärung, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll.
Im konkreten Fall ist davon auszugehen, dass die gegenständlich angefochtene Handlung der Auftraggeberin mit Ausnahme der Voraussetzungen des § 100 Abs.1 BVergG jedenfalls die übrigen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Zuschlagsentscheidung erfüllt. So hat der interne Willensbildungsprozess bei der Auftraggeberin ordnungsgemäß stattgefunden, der Bekanntgabe an die Bieter kommt ein Erklärungswert nach außen zu und die Handlung ist der Auftraggeberin zuzurechnen. Darüber hinaus ist die Bekanntgabe ausnahmslos an sämtliche Bieter ergangen. Darin wurde mitgeteilt, wem der Zuschlag erteilt werden soll. Sowohl nach der Rechtsprechung des BVA und des VfGH sowie des europäischen Rechts, wurde daher eine Zuschlagsentscheidung als Willenserklärung, der Erklärungswert nach außen zukommt und die dem Auftraggeber zuzurechnen ist, erlassen.
Fraglich ist hingegen, ob die nach außen in Erscheinung getretene Zuschlagsentscheidung (nach der Definition des § 20 Z42 BVergG) mangels der Einhaltung der Bekanntmachungsvorschrift gemäß § 100 Abs.1 Satz 1 BVergG einen tauglichen Anfechtungsgegenstand iSd § 20 Z13 lit.a sublit.aa BVergG bildet oder ob sie per se nichtig und somit als nicht existent anzusehen ist.
Das Bundesvergabeamt hat in seiner Entscheidung vom 19.9.2003, 10N-81/03-12, ausgeführt: "Wesentlich ist dabei, ob es in der dogmatischen Begrifflichkeit einen Unterschied geben kann zwischen der einen zulässigen Anfechtungsgegenstand bildenden und somit für die Nachprüfung verfahrensrelevanten Zuschlagsentscheidung einerseits und andererseits der die Rechtsfolgen des § 100 BVergG auslösenden und somit vollwirksamen Zuschlagsentscheidung, wobei der letzte Begriff neben den Voraussetzungen für die "verfahrensrelevante Zuschlagsentscheidung" zusätzlich auch die Voraussetzungen des § 100 Abs.1 erster Satz BVergG erfüllt. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst festzuhalten, dass § 100 BVergG nicht dem Rechtsschutz (Verfahrensrecht), sondern dem materiellen Recht des BVergG (iSd Art.14b B-VG) zuzurechnen ist. Dieser Bestimmung kommt daher prima vista für die Auslegung des Begriffs (und des Vorhandenseins) der Entscheidung bzw. Zuschlagsentscheidung im Verfahrensrecht keine Bedeutung zu. Diese Unterscheidung wird gerade im Hinblick auf die Kompetenzbestimmung des Art.14b B-VG und der damit zusammenhängenden Regelungskompetenz der Landesgesetzgeber offenbar. Somit kennen auch die gesetzlichen Vergabevorschriften eine Unterscheidung zwischen dem materiellen Recht und dem Verfahrensrecht. Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass diese beiden Rechtsteilbereiche unterschiedliche Begrifflichkeiten beinhalten können. Die Möglichkeit des Vorliegens von unterschiedlichen Begrifflichkeiten wird auch durch den Gesetzestext des BVergG 2002 selbst indiziert. So lautet die Überschrift zu § 100 BVergG: ?Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung?. Auf den ersten Blick ist diese Überschrift zwar insofern irreführend, als dem nachprüfungsrechtlichen Entscheidungsbegriff notwendigerweise jedenfalls eine gewisse Publizität zu eigen ist ... Geht man allerdings davon aus, dass § 100 BVergG eine, im materiellen Recht weitere Rechtsfolgen auslösende Bekanntmachungsvorschrift einer verfahrensrelevanten Zuschlagsentscheidung ist, erhält die bei § 100 BVergG gewählte Überschrift ?Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung? Sinnhaftigkeit. ... Damit lässt sich aus § 100 BVergG samt dessen Überschrift ableiten, dass der Gesetzgeber zwischen der verfahrensrelevanten Zuschlagsentscheidung und der die Rechtsfolgen des § 100 BVergG auslösenden, vollwirksamen Zuschlagsentscheidung unterscheidet."
Dieser Rechtsauffassung schließt sich auch der Oö. Verwaltungssenat an. Es ist daher die gegenständlich angefochtene Zuschlagsentscheidung aus Sicht des Nachprüfungsverfahrens als verfahrensrelevante (existente) Entscheidung des Auftraggebers und daher tauglicher Anfechtungsgegenstand gemäß § 20 Z13 lit.a sublit.aa BVergG anzusehen.
Gemäß Art.II Abs.2 A Z2 EGVG haben die unabhängigen Verwaltungssenate das AVG voll anzuwenden. Dem AVG liegt der Bescheid als anfechtbare Entscheidung zugrunde. Gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie des Verfassungsgerichtshofes zum Bescheidbegriff bzw. zur Qualität einer Entscheidung als Bescheid gemäß § 58 AVG muss an eine behördliche Erledigung hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab angelegt werden und ist dann die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann nicht wesentlich, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung, keinen Zweifel darüber aufkommen lässt, dass die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat. Dabei ist der Bescheid als Ganzes zu beurteilen. Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frage nach dem Bescheidcharakter einer Erledigung nicht zu Lasten der Partei beantwortet werden darf (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5.A., S. 434f mit Nachweisen). Die Judikatur stellt daher Form und Inhalt einer Erledigung in gewisse Wechselbeziehung. Weil die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers ebenfalls als anfechtbare Entscheidung im Nachprüfungsverfahren vor der Nachprüfungsbehörde einer Rechtsbeurteilung unterzogen wird, kann die Bestimmung des § 58 AVG und die dazu ergangene Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts analog herangezogen werden. Demnach ist auch bei der gegenständlich ergangenen Zuschlagsentscheidung aus dem Inhalt klar der Wille des Auftraggebers und der Wille zur Erlassung einer Entscheidung ersichtlich und kommt daher der in § 100 Abs.1 Satz 1 BVergG angeordneten Übermittlungsart keine existenzbedrohende Bedeutung zu. Dies insbesondere auch deshalb, weil - wie auch schon das Bundesvergabeamt in der obzit. Entscheidung ausgeführt hat - § 100 Abs.1 BVergG eine Bestimmung des materiellen Rechts darstellt und daher die Formalvoraussetzung dieser Bestimmung nur wesentlich ist für die Rechtswirkungen gemäß § 100 Abs.2 BVergG, nämlich die Auslösung der Stillhaltefrist von 14 Tagen "ab Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß Abs.1". Die Bekanntgabe iSd Formalvorschriften des § 100 Abs.1 Satz 1 BVergG stellt daher nur eine wesentliche und existenzbegründende Vorschrift für die Auslösung der Stillhaltefrist und die Nichtigkeit eines trotzdem erfolgten Zuschlages bzw. die Nichtigkeit eines Zuschlages entgegen der gesetzlichen Mitteilungsverpflichtung dar. Eine Bedeutung im Nachprüfungsverfahren im Hinblick auf die Existenz der Entscheidung kommt der Bestimmung des § 100 Abs.1 Satz 1 BVergG nicht zu.
Diese Auslegung entspricht im Übrigen auch der Judikatur des EuGH, der grundsätzlich von einem weiten Begriff der in einem Nachprüfungsverfahren anfechtbaren Entscheidung ausgeht (vgl. z.B. EuGH 28.10.1999, C-81/98, Alcatel Austria). Wenngleich auch das europäische Recht im hier vorliegenden Unterschwellenbereich - mit Ausnahme der Gemeinschaftsgrundsätze - keine unmittelbare Wirkung entfaltet, so ist doch das gesamte Rechtsschutzsystem des BVergG in starker Anlehnung an die europäischen Regelungen konstruiert und hält der Gesetzgeber in den Materialien grundlegend fest, dass die Begriffe "Nachprüfung" bzw. "Nachprüfungsverfahren" dem Gemeinschaftsrecht entlehnt sind und das gesamte BVergG "die Regelungen des EG-Vergaberechts unter Wahrung eigenständiger Wesenszüge des österreichischen Rechtssystems in das innerstaatliche Recht umsetzen" (1.118 Blg.NR. 21. GP). Auch der Verfassungsgerichtshof geht von einer doppelten Bindungswirkung des Gesetzgebers an Gemeinschaftsrecht und österreichisches Verfassungsrecht aus und stellte sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen zwischen der Rechtsposition von Bietern und Bewerbern im Unter- und Oberschwellenbereich als verfassungswidrig fest (VfGH 9.11.2001, G10/01 u.a.).
Aus der Sicht des Nachprüfungsverfahrens als Verwaltungsverfahren nach dem AVG darf daher nach der bereits zitierten Judikatur der Höchstgerichte als auch der Judikatur des EuGH ein Fehler in der Entstehung einer Handlung des Auftraggebers und das Risiko der Qualifikation dieser Handlung des Auftraggebers nicht dem Rechtsschutzsuchenden aufgebürdet werden. Bei anderer Auslegung hätte es nämlich sonst der Auftraggeber durch Fehler der Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung in der Hand, den Erfolg bzw. Misserfolg des von der Antragstellerin eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens zu steuern. Dies wäre aber mit einem effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar. Die Annahme der Nichtexistenz der Zuschlagsentscheidung bzw. des Nichtingangsetzens der Stillhaltefrist würde den Bieter jeglichen Rechtsschutzes berauben.
Wie bereits dargestellt wurde, ist die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung nicht entsprechend § 100 Abs.1 erster Satz BVergG erfolgt. Die Zuschlagsentscheidung ist daher rechtswidrig und bereits aus diesem Grund für nichtig zu erklären.
Gemäß § 13 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz ist nämlich die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären, wenn sie im Widerspruch zu Bestimmungen des BVergG (konkret zu § 100 Abs.1 erster Satz BVergG) steht und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
Auch diese kumulativ geforderte Voraussetzung für eine Nichtigerklärung liegt vor, weil ein in Folge einer nicht rechtmäßig bekannt gegebenen Zuschlagsentscheidung erteilter Zuschlag nichtig ist (§ 100 Abs.1 letzter Satz BVergG, wobei gemäß den obigen Ausführungen für das Zustandekommen einer Zuschlagsentscheidung im materiellrechtlichen Sinn die Einhaltung der Formvorschriften für die Mitteilung erforderlich ist). Zu diesem Ergebnis kommt auch das BVA in seiner Entscheidung vom 19.9.2003, 10N-81/03-12, RN 25. Aus verfahrensökonomischen Gründen wurde darüber hinaus die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin durch den Oö. Verwaltungssenat einer materiellen Beurteilung nach den übrigen Beschwerdepunkten unterzogen. Diese Überprüfung hat gezeigt, dass die angefochtene Zuschlagsentscheidung auch aus anderen Gründen rechtswidrig ist.
Vorweg ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Vergabeverfahren bisher keine Entscheidung des Auftraggebers angefochten worden ist, so etwa die Ausschreibung und die Festlegung der Zuschlagskriterien. Es haben daher die Zuschlagskriterien - wie das angefochtene Kriterium der Qualität - wegen eingetretener Präklusion gemäß § 9 und Teil II Z1 der Anlage zu § 9 des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes Bestandskraft erlangt. Das Zuschlagskriterium ist daher als rechtswirksam geworden der Angebotsprüfung zugrunde zu legen.
Dem Vergabevermerk ist zu entnehmen, dass fünf Bieter am Vergabeverfahren teilgenommen haben und alle Bieter berücksichtigt wurden (Punkt 5 des Vergabevermerkes). Wie aber dem Antrag zu entnehmen ist, hat die Antragstellerin ein Haupt- und ein Alternativangebot gelegt und geht die Antragstellerin offensichtlich auch noch von ihrem preisgünstigeren Alternativangebot bei der näheren Begründung des Antrages aus. Aus der Stellungnahme der Auftraggeberin im Vergabenachprüfungsverfahren geht hervor, dass das Alternativangebot der Antragstellerin wegen zahlreicher Rechenfehler und Unschlüssigkeit als unbrauchbar ausgeschieden wurde.
Gemäß § 81 Abs.4 letzter Satz BVergG ist für jedes Alternativangebot, auch wenn es sich nur auf Teile der Gesamtleistung bezieht, vom Bieter je ein Gesamt-Alternativangebotspreis zu bilden.
Gemäß § 98 Z8 BVergG sind den Ausschreibungsbedingungen widersprechende Angebote, fehlerhafte oder unvollständige Angebote auszuscheiden.
Von der Auftraggeberin wurden die Originalangebotsunterlagen der Antragstellerin vorgelegt und es ist nicht ersichtlich, dass das Alternativangebot der Antragstellerin trotz im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Summenblattes einen Gesamt- Alternativangebotspreis aufweist. Entsprechend wurde daher auch bei der Angebotseröffnung am 4.12.2003 laut aufgenommener Niederschrift kein Gesamtpreis verlesen und dies auch in der Niederschrift vermerkt. Es war daher nur das Hauptangebot der Antragstellerin der Angebotsprüfung zu unterziehen. Allerdings sind bei der Angebotsöffnung und Verlesung andere Fehler unterlaufen, die eine Rechtswidrigkeit darstellen.
Gemäß § 88 Abs.5 Z2 BVergG sind aus den Angeboten - auch Alternativangeboten - folgende Angaben vorzulesen und in der Niederschrift festzuhalten: der Gesamtpreis oder der Angebotspreis mit Angabe des Ausmaßes allfälliger Nachlässe und Aufschläge und, wenn die Vergabe in Teilen oder für die ganze Leistung oder für Teile derselben Varianten vorgesehen waren, auch die Teilgesamtpreise oder Teilangebotspreise sowie die Variantenangebotspreise.
Anzumerken ist, dass die Bestimmung "Teilgesamtpreise", nicht aber Gesamt-Teilangebotspreise - wie analog in § 81 Abs.4 letzter Satz BVergG für Alternativen - nennt. Gemeint ist aber nach dem engeren Wortsinn ein Gesamtpreis des angebotenen Teils. Der Gesamtpreis aller Teile ist schon in der ersten Alternative des § 88 Abs.5 Z2 BVergG enthalten; auch würde die Mehrzahl "Teilangebotspreise" der Auslegung der Auftraggeberin widersprechen, weil es nur einen Gesamtpreis aller Teile geben kann.
Es enthält daher auch die Ausschreibungsunterlage in Punkt 10 der allgemeinen Vorbemerkungen die Anordnung, dass eine gesamte Position (gemeint ist wohl Positionsgruppe) ausgepreist sein muss.
Gemäß der rechtswirksam gewordenen Ausschreibungsunterlage S.1 Pkt 10 der allgemeinen Vorbemerkungen ist der Bieter berechtigt, gemäß § 59 BVergG ein Teilangebot vorzulegen. Gemäß dieser Bestimmung haben die Bieter von der Erstellung von Teilangeboten Gebrauch gemacht. Während aber die Auftraggeberin hinsichtlich der Bieter H, M und H zwar Teilangebotspreise, aber keinen Gesamtpreis verlesen hat, wurden hinsichtlich der Antragstellerin und der Firma S nur der Gesamtpreis und keine Teilangebotspreise bzw. Teilgesamtpreise verlesen. Unter Zugrundelegung des Transparenzgebotes und des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Bieter wäre es aber geboten gewesen, sämtliche Teilangebotspreise und Gesamtpreise zu verlesen. Die Zuwiderhandlung stellt eine rechtswidrige Vorgangsweise der Auftraggeberin dar, welche auch insofern Bedeutung erlangte, als eine Transparenz im Hinblick auf die Teilangebote nicht gegeben ist. Dies kommt auch in der Eingabe der Antragstellerin zum Ausdruck, wonach sie geringere Preise in Teilen vermutet aber nicht genau beziffern kann.
Für den Ausgang des Vergabeverfahrens aber wesentlich erscheint, dass die M M GmbH nur hinsichtlich der Positionsgruppe G ein Teilangebot gelegt hat und der Teilangebotspreis auch verlesen wurde, allerdings bei Nachprüfung der Originalangebotsunterlagen ersichtlich ist, dass viele handschriftliche Änderungen im Ausschreibungstext vorgenommen wurden.
Gemäß § 81 Abs.1 BVergG hat sich der Bieter bei der Erstellung des Angebotes an die Ausschreibungsunterlagen zu halten. Der vorgeschriebene Text der Ausschreibungsunterlagen darf weder geändert noch ergänzt werden.
Auch Pkt 3 auf S.1 der allgemeinen Vorbemerkungen der Ausschreibungsunterlagen sieht vor, dass Abänderungen im Ausschreibungstext nicht vorgenommen werden dürfen. Es widerspricht daher dieses Angebot klar den Ausschreibungsbestimmungen und ist daher § 98 Z8 BVergG auszuscheiden. Es kann das genannte Angebot auch nicht als Alternativangebot gewertet werden, zumal die Ausschreibung eine ausdrückliche Regelung zu Alternativangeboten nicht vorsieht und daher gemäß § 69 Abs.1 Satz 2 BVergG Alternativangebote nur neben einem ausschreibungsgemäßen Angebot zulässig sind.
Auch das Angebot der S GmbH weist Anmerkungen zu verschiedenen Positionen und damit eine Ergänzung des Ausschreibungstextes auf. Dies widerspricht klar dem § 81 Abs.1 letzter Satz BVergG.
Darüber hinaus ist in Punkt 10 auf Seite 1 der allgemeinen Vorbemerkungen der Ausschreibungsunterlage festgelegt, dass mindestens eine gesamte Position ausgepreist sein muss. Nach dem Zweck dieser Bestimmung, die im Gesamtzusammenhang zu sehen ist und welche mangels einer fristgerechten Anfechtung rechtskräftig und unanfechtbar geworden ist (siehe obige Ausführungen) kann dies nur bedeuten, dass jeweils eine gesamte Positionsgruppe auszupreisen ist. Entsprechend ist die Auftraggeberin auch bei der Verlesung bei der Angebotsöffnung vorgegangen, wonach sie hinsichtlich des Angebotes der S GmbH anmerkte: "Ausgenommen G7 und G8". Die Auftraggeberin hat daher zu Recht das Teilangebot betreffend die Positionsgruppe G nicht berücksichtigt. Allerdings geht die Auftraggeberin bei der Auswertung nach Preisen bereits von einem 10 % Rabatt für die S aus. Vorweg ist dazu auszuführen, dass die S in einem Begleitbrief unter Punkt 9 auf Seite 4 ausführt, dass sie, wenn ihr für alle Positionen der Zuschlag erteilt wird, noch zusätzlich einen generellen Rabatt von 10 % auf sämtliche angeführten Preise gewährt. Dieser Begleitbrief wurde nicht verlesen und auch in der Angebotsöffnungsniederschrift nicht vermerkt. Dies ist ein klarer Verstoß gegen § 88 Abs.5 Z3 BVergG. Er dürfte daher schon deshalb nicht der Beurteilung zugrundegelegt werden. Darüber hinaus ist aber - wie bereits ausgeführt wurde - das Teilangebot zur Positionsgruppe G der S auszuscheiden und ist daher ein Zuschlag auf alle Positionen gemäß dem Begleitbrief nicht möglich. Es durfte daher die Auftraggeberin auch nicht von einem generellen 10 % Rabatt bei der Preisermittlung ausgehen. Dies hat natürlich auch Konsequenzen für die Reihung der Bieter nach dem Kriterium des Preises, z.B. bei der Positionsgruppe F. Würde man den 10 % Rabatt der S außer Betracht lassen, würde die Antragstellerin bei dem Kriterium Preis die Note 2 und S die Note 3 erhalten, was zur Folge hätte, dass für die Positionsgruppe F die Antragstellerin an die erste Stelle zu reihen wäre.
Es war daher auch im Grunde der Beschwerdepunkte festzustellen, dass die geltend gemachten Rechtswidrigkeiten vorlagen und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss sind. Es war daher auch aus diesem Grund mit Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung gemäß § 13 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz vorzugehen.