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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §5 Abs1 idF 1994/518;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 2. Februar 1999, Zl. KUVS-K2- 1555/4/98, betreffend Übertretung der StVO 1960 (mitbeteiligte Partei: R in Klagenfurt), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 2. November 1998 wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, er habe am 25. Mai 1998 um 20.10 Uhr ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug in K., H-Gasse, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dadurch § 5 Abs. 1 StVO 1960 verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 30.000,-- (25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt werde.
Der Mitbeteiligte erhob Berufung und brachte vor, das Ergebnis der Atemalkoholuntersuchung um 20.30 Uhr bzw. um
20.32 Uhr sei nicht ident mit dem Atemluftalkoholgehalt um
20.10 Uhr. Da er - was im Einzelnen genannte Zeugen bestätigen könnten - am 25. Mai 1998 insgesamt nur drei kleine "Murauer" (a 0,3 l Bier) und zwar ab 18.00 Uhr dieses Tages konsumiert habe, und der Alkohol um 20.10 Uhr noch nicht zur Gänze in das Blut übergegangen sei, sei zum Tatzeitpunkt eine Alkoholisierung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 noch nicht gegeben gewesen. Für den Zeitpunkt der Anhaltung lasse sich ein Alkoholisierungsgrad von "weniger als 0,5 Promille" errechnen, was durch einen ärztlichen Sachverständigen bestätigt werden könne.
Die Berufungsbehörde holte das Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen ein. Diesem zufolge wurde die Atemalkoholuntersuchung (Alkomat) um 20.30 Uhr und um 20.32 Uhr durchgeführt. Diese habe eine Atemalkoholkonzentration von 0,44 bzw. 0,43 mg/l ergeben. Dies entspreche in der üblichen Umrechnung einer Blutalkoholkonzentration von 0,86 Promille. Mit der Ausscheidung des Alkohols aus dem Blut von 0,1 bis 0,2 Promille in der Stunde auf die Zeit der Beanstandung rückgerechnet, ergebe sich eine Blutalkoholkonzentration zwischen 0,89 und 0,93 Promille. Der Mitbeteiligte habe nach seinen Angaben als einzigen Alkohol vor der Beanstandung zwischen 19.00 Uhr und 20.00 Uhr drei kleine Bier "Murauer" getrunken. Er sei 70 kg schwer und 170 cm groß. Als Faktor "r" werde 0,7 angegeben. Das Mindestresorptionsdefizit im Körper sei 10 %. Danach ergäben drei kleine Bier eine Höchstblutalkoholkonzentration von 0,72 Promille. Von der Zeit des Trinkbeginnes auf die Zeit der Alkomatuntersuchung gerechnet habe bei Annahme der Mindestausscheidung des Alkohols aus dem Blut von 0,1 Promille in der Stunde, eine Höchstblutalkoholkonzentration von 0,57 Promille vorhanden sein können. Nach dem Ausfall der Untersuchung, welche eine Blutalkoholkonzentration von 0,86 Promille bzw. 0,43 mg/l ergeben habe, hätte der Mitbeteiligte also mehr getrunken haben müssen. Der Mitbeteiligte habe angegeben, das erste Bier um 19.00 Uhr, das zweite zwischen 19.15 Uhr und 19.30 Uhr und das letzte ab 19.45 Uhr getrunken zu haben, davon die Hälfte um 20.00 Uhr. Demnach sei ein erheblicher Teil des zuletzt getrunkenen Alkohols, im Ausmaß von ungefähr 0,2 Promille, zur Zeit der Beanstandung noch nicht ins Blut übergetreten gewesen. Dieser Wert sei von den für die Zeit der Beanstandung genannten Blutalkoholkonzentrations-Werten abzuziehen. Man erhalte demnach eine Blutalkoholkonzentration zur Zeit der Beanstandung zwischen rund 0,7 und 0,75 Promille. Der Mitbeteiligte sei ca. eine halbe Stunde nach Trinkende zur Atemalkoholprobe aufgefordert worden, es sei also mit Sicherheit kein Mundalkohol mehr vorhanden gewesen. Vom Alkomatergebnis rückgerechnet auf die Zeit von 20.10 Uhr habe der Mitbeteiligte eine Blutalkoholkonzentration von 0,89 bis 0,93 Promille gehabt, davon sei der Alkoholanteil, der um
20.10 Uhr noch nicht ins Blut übergetreten gewesen sei, dies seien rund 0,2 Promille gewesen, abzuziehen.
Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 2. Februar 1999 wurde der Berufung des Mitbeteiligten Folge gegeben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt. Hiezu wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, dem medizinischen Gutachten zufolge habe der Mitbeteiligte zum Tatzeitpunkt einen Alkoholgehalt des Blutes von weniger als 0,8 Promille aufgewiesen. Es sei daher davon auszugehen, dass er sich zum Zeitpunkt der Lenkung des Kraftfahrzeuges nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, sah im Übrigen aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab. Der Mitbeteiligte beteiligte sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der beschwerdeführende Bundesminister beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und begründet dies im Wesentlichen damit, die belangte Behörde habe ihrer Entscheidung ein unschlüssiges bzw. zumindest ergänzungsbedürftiges Gutachten zu Grunde gelegt. Obwohl der medizinische Sachverständige nämlich ausgeführt habe, dass die Angaben des Mitbeteiligten über die von ihm konsumierte Alkoholmenge mit den bei der Atemalkoholuntersuchung gemessenen Werten nicht in Einklang zu bringen seien, habe er auf der Grundlage dieser Angaben eine Berechnung des wahrscheinlichen Blutalkoholgehaltes zum Tatzeitpunkt um 20.10 Uhr vorgenommen. Er habe nämlich aus den Mengenangaben des Mitbeteiligten geschlossen, dass zum Zeitpunkt der Tat ein einem Ausmaß von 0.2 Promille entsprechender Teil des genossenen Alkohols noch nicht ins Blut übergetreten gewesen sei. Die belangte Behörde habe jedoch weder diesen Widerspruch durch ergänzende Ermittlungen ausgeräumt, noch habe sie eine Ergänzung des Gutachtens zur Frage verlangt, ob sich der Mitbeteiligte zum Tatzeitpunkt nicht bereits in der "Anflutungsphase" befunden habe, in der die schädlichen Wirkungen des Alkohols auf die Fahrtüchtigkeit eintreten, bevor noch die Alkoholkonzentration im Blut in voller Höhe der konsumierten Alkoholmenge entspreche. Schließlich habe die belangte Behörde es auch unterlassen, den Umstand, dass der Mitbeteiligte auf Grund starker Alkoholisierungssymptome zwecks Atemalkoholuntersuchung zum Wachzimmer L. gebracht worden sei, zum Anlass für Erhebungen zu nehmen, ob sich der Mitbeteiligte zum Tatzeitpunkt unabhängig von einer Überschreitung des gesetzlichen Grenzwertes in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, in dem ihm das Lenken eines Fahrzeuges schlechthin verboten gewesen sei.
Gemäß § 5 Abs. 1 StVO 1960 in der Fassung der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.
Die belangte Behörde ist dem eingeholten medizinischen Gutachten folgend zur Auffassung gelangt, die Werte von 0,8 Promille Blutalkoholgehalt bzw. 0,4 mg/l Atemluftalkohol seien beim Mitbeteiligten rückgerechnet auf den Zeitpunkt des Lenkens nicht erreicht bzw. nicht überschritten worden, weil vom Messergebnis ein 0,2 Promille entsprechender Alkoholanteil abgezogen werden müsste; dies sei jener Alkoholanteil, den der Mitbeteiligte nach seinen Angaben um 20.00 Uhr zu sich genommen habe (die Hälfte des dritten Bieres).
Im Gegensatz zur Auffassung des beschwerdeführenden Bundesministers bewirkt die Annahme des Sachverständigen, der Mitbeteiligte müsse den Messergebnissen zufolge mehr getrunken haben, als er angegeben habe, noch keine Unschlüssigkeit der vorgenommenen Rückrechnung. Denn diese erfolgte unabhängig von den Angaben des Mitbeteiligten über seinen Gesamtalkoholkonsum.
Zu Recht rügt der beschwerdeführende Bundesministers jedoch, die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob sich der Mitbeteiligte zum Tatzeitpunkt in der für die Fahrtüchtigkeit besonders schädlichen "Anflutungsphase" befunden habe.
Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich wiederholt ausgesprochen hat, steht es mit dem Stand der medizinischen Wissenschaft im Einklang, dass Alkohol in der Anflutungsphase besonders nachteilige Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit zeitigt, weil sich ein Sturztrunk kurz vor Fahrtantritt auf den Alkoholgehalt des Blutes und der Atemluft erst nach einer gewissen Zeit auswirkt, die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit aber sofort eintritt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2001, Zl. 98/03/0073, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Davon ausgehend hätte die belangte Behörde auf Grund des eingeholten medizinischen Gutachtens eine Alkoholbeeinträchtigung des Mitbeteiligten im Tatzeitpunkt nicht ohne weiteres verneinen dürfen, sondern hätte auf Grund der Angaben des Mitbeteiligten über den kurz vor dem Tatzeitpunkt konsumierten Alkohol zu beurteilen gehabt, ob sich der Mitbeteiligte in der erwähnten "Anflutungsphase" und damit in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 befunden habe.
Der angefochtene Bescheid erweist sich solcherart mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Wien, am 12. September 2001
Schlagworte
Alkoholbeeinträchtigung SturztrunkEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999030150.X00Im RIS seit
21.11.2001