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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §22 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der B GesmbH in W, vertreten durch die Rechtsanwälte-Partnerschaft Neumayer & Walter in Wien III, Baumannstraße 9/11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. Oktober 2000, Zl. RV/85-06/09/99, betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag für das Jahr 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom 3. Juli 1995 die Rückerstattung von Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag für den Zeitraum der Monate Jänner bis Mai 1995 mit der Begründung, die Bezüge ihres (zu 50 %) beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers seien zu Unrecht der Beitragspflicht unterzogen worden. Nach dem Geschäftsführervertrag vom 2. Jänner 1995 obliege dem Geschäftsführer Mag. G. die Leitung und Überwachung des Unternehmens. Er habe insbesondere für die wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Belange der Gesellschaft Sorge zu tragen. Der Geschäftsführer könne sich die Arbeitszeit frei einteilen und sich auch in sämtlichen Tätigkeiten vom anderen Geschäftsführer vertreten lassen. Der Geschäftsführer erhalte ein monatliches Entgelt in Höhe von S 65.000,-- und zusätzlich am Schluss jeden Geschäftsjahres eine gewinnabhängige Tantieme, deren Höhe jeweils durch Gesellschafterbeschluss festzulegen sei. Dem Geschäftsführer gebühre kein Auslagenersatz; er habe auch keinen Anspruch auf Abfertigung. Ein Dienstverhältnis liege demnach nicht vor.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 1995 wies das Finanzamt den Antrag ab, da die Abfuhr der strittigen Abgaben der näher dargestellten Rechtslage entsprochen habe.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin ergänzend vor, dass sich das Unternehmerwagnis des Geschäftsführers in dem fix vereinbarten, zeitunabhängigen Entgelt manifestiere. Zudem könnten Arbeitszeit und Arbeitsort vom Geschäftsführer selbst bestimmt werden. Im Verhinderungsfalle habe der Geschäftsführer auf eigene Kosten einen Vertreter zu bestellen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird im Ergebnis die Auffassung vertreten, die Beschäftigung des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Gesellschaft weise ungeachtet seiner gleichzeitigen Eigenschaft als Gesellschafter mit Ausnahme der Weisungsgebundenheit sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 auf. Der Gesellschafter-Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei erziele aus der Geschäftsführertätigkeit demnach Einkünfte im Sinne des § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988, weshalb er im Sinne der Bestimmung des § 41 Abs. 2 des Familienlastenausgleichsgesetzes in der ab dem Jahre 1994 anzuwendenden Fassung Dienstnehmer sei. Die Beschwerdeführerin habe daher zu Recht von den Bezügen des Geschäftsführers den Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag abgeführt.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird geltend gemacht, dass die Beschäftigung des Gesellschafter-Geschäftsführers "sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2 EStG 1988)" nicht aufweise.
Die Behandlung der gegen den angefochtenen Bescheid vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde hat dieser mit Beschluss vom 11. Juni 2001, B 2272/00, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde erwogen:
Im Ergebnis der Abweisung der vom Verwaltungsgerichtshof nach Art. 140 Abs. 1 B-VG gestellten Anträge auf Aufhebung der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtsvorschriften ist - anders als die Beschwerdeführerin meint - davon auszugehen, dass die erfolglos in Anfechtung gezogenen Gesetzesstellen einer Ermittlung ihres Inhaltes im Auslegungswege zugänglich sind.
Unter Zitierung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verweist der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 1. März 2001, G 109/00, darauf, dass verschiedene Merkmale eines Dienstverhältnisses, die im Zusammenhang mit einer weisungsgebundenen Tätigkeit Indizien für ein Dienstverhältnis seien, im Fall der - auf die gesellschaftsrechtliche Beziehung zurückzuführenden - Weisungsungebundenheit ihre Unterscheidungskraft verlieren und daher für die Lösung der Frage, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die sonstigen Merkmale eines Dienstverhältnisses im Vordergrund stehen, nicht brauchbar sind. Zu den Merkmalen, die in diesem Sinn vor dem Hintergrund der Weisungsungebundenheit ihre Indizwirkung zur Bestimmung des durch eine Mehrzahl von Merkmalen gekennzeichneten Typusbegriffes des steuerlichen Dienstverhältnisses verlieren, gehören vor allem folgende: fixe Arbeitszeit, fixer Arbeitsort, arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Einstufung der Tätigkeit, Anwendbarkeit typischer arbeitsrechtlicher Vorschriften wie Arbeits- und Urlaubsregelung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Kündigungsschutz, sowie die Heranziehung von Hilfskräften in Form der Delegierung von bestimmten Arbeiten (vgl. dazu und zu den folgenden Ausführungen insbesondere die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 2001, 2001/14/0052, 2001/14/0054, und vom 10. Mai 2001, 2001/15/0061, jeweils mwN).
Insgesamt stellt somit das in § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 für wesentlich beteiligte Gesellschafter normierte Vorliegen der sonstigen Merkmale eines Dienstverhältnisses - abgesehen vom hinzuzudenkenden Merkmal der Weisungsgebundenheit - vor allem auf die Kriterien der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Kapitalgesellschaft und das Fehlen des Unternehmerwagnisses ab. Von Bedeutung ist noch das Merkmal der laufenden (wenn auch nicht notwendig monatlichen) Entlohnung. Ausgehend von diesen Kriterien ist bei Anwendung des § 22 Z. 2 Teilstrich 2 leg.cit. zu beurteilen, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die für ein Dienstverhältnis sprechenden Kriterien im Vordergrund stehen. Hingegen stellt der strittige Steuertatbestand nicht darauf ab, welchem Vertragstyp das Zivilrecht das konkrete Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers zuordnet.
Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige auf Dauer einen Teil des rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Organismus bildet und seine Tätigkeit im Interesse dieses Organismus ausüben muss. Die kontinuierliche und über einen längeren Zeitraum andauernde Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung spricht für diese Eingliederung.
Unternehmerwagnis liegt vor, wenn der Erfolg der Tätigkeit des Steuerpflichtigen weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit, vom Fleiß, von der persönlichen Geschicklichkeit sowie von den Zufälligkeiten des Wirtschaftslebens abhängt und der Steuerpflichtige für die mit seiner Tätigkeit verbundenen Aufwendungen selbst aufkommen muss. Auch hier kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Im Vordergrund dieses Merkmales steht, ob den Steuerpflichtigen tatsächlich - in seiner Stellung als Geschäftsführer - das Wagnis ins Gewicht fallender Einnahmenschwankungen trifft. In die Überlegungen einzubeziehen sind auch Wagnisse, die sich aus Schwankungen aus nicht überwälzbaren Ausgaben ergeben.
Vor dem Hintergrund dieser in der Rechtsprechung sowohl des Verfassungs- als auch des Verwaltungsgerichtshofes herausgearbeiteten Beurteilung in Bezug auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988, die unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 VwGG auch dem gegenständlichen Beschwerdefall zugrunde zu legen ist, kann der Verwaltungsgerichtshof insgesamt nicht finden, dass die belangte Behörde im Hinblick auf die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Beschwerdeführerin, das Fehlen eines relevanten Unternehmerrisikos und die laufende Entlohnung zu Unrecht die Betätigung des Geschäftsführers als solche iSd § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 qualifiziert und daraus die Rechtsfolgen hinsichtlich Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag gezogen hätte.
Für die Frage der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde dem Umstand, dass der Geschäftsführer infolge der fehlenden Weisungsgebundenheit an keine betrieblichen Ordnungsvorschriften (Dienstort, Dienstzeit) gebunden ist, zu Recht keine wesentliche Bedeutung beigemessen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2001, 2001/14/0103). Entscheidend ist der im Geschäftsführervertrag festgelegte Tätigkeitsbereich des Geschäftsführers (Leitung und Überwachung des Unternehmens im Ganzen), der es bewirkt, dass der Geschäftsführer jedenfalls strukturell in den Organismus der beschwerdeführenden Gesellschaft eingegliedert ist.
Die Anwendbarkeit typischer arbeitsrechtlicher Vorschriften wie die in der Beschwerde erwähnten Ansprüche auf Urlaub oder Abfertigung sind keine unabdingbaren Voraussetzungen eines steuerlichen Dienstverhältnisses. Diese Umstände ergeben sich als Rechtsfolge eines Arbeitsverhältnisses iSd Arbeitsrechts, während bei Einkünften iSd § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 ab einer Beteiligung von (jedenfalls) 50 % kein solches Arbeitsverhältnis vorliegt.
Wesentlich ist im Beschwerdefall, dass dem Geschäftsführer ein fixer monatlicher Bezug eingeräumt war. Die Vereinbarung einer Erfolgsprämie, im Beschwerdefall als "Tantieme" bezeichnet, ist bei leitenden Angestellten nicht unüblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2001, 2001/14/0054). Dass dem Geschäftsführer ins Gewicht fallende Wagnisse aus Schwankungen bei nicht überwälzbaren Ausgaben im Zusammenhang mit seiner Geschäftsführertätigkeit getroffen hätten, behauptet die Beschwerde nicht.
Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe der Beschwerdeführerin in Verkennung ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht zu Unrecht mangelnde Mitwirkung im Verwaltungsverfahren vorgeworfen, vermag vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage und der unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.
Da sohin bereits der Inhalt der ergänzten Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin gerügte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
Wien, am 12. September 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001130180.X00Im RIS seit
25.01.2002