Darüber hinaus ist die Ausschreibung auch wie oben ausgeführt, auch deswegen zu widerrufen, weil die objektiv nachvollziehbare Ermittlung eines Bestbieters im konkreten Fall nicht möglich ist. Dieser Mangel der Ausschreibung ist auch nicht etwa durch den Ablauf der diesbezüglichen Anfechtungsfrist für die Ausschreibung gemäß § 9 Z 1 lit a VNPG geheilt.
Grundsätzlich gibt es keine ausdrückliche Bestimmung im Bgld VNPG (ebenso wenig wie im BVergG 2002), wonach rechtswidrige Ausschreibungsbestimmungen, die für den Ausgang des Verfahrens relevant sind, bei der Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung, die dann auf einer rechtswidrigen Ausschreibungsgrundlage beruht, nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Allerdings ist dieses Ergebnis aus Sinn und Zweck der vom Gesetzgeber normierten Anfechtungsfristen interpretativ abzuleiten. Aus diesem Grund ist die von der Einschreiterin geltend gemachte allfällige inhaltliche Rechtswidrigkeit der Mindestpreisvorgaben sowie das Überschreiten des EU-Schwellenwertes des tatsächlichen Auftragswerts unerheblich, weil für diese allenfalls als ?gewöhnliche? Rechtswidrigkeiten anzusehenden Fehler spätestens mit Ablauf der Anfechtungsfrist für die Bekämpfung der Ausschreibung, also 14 Tage vor Angebotsfristende Präklusion eingetreten ist.
Bei dieser Auslegung der nachprüfungsrechtlichen Grundlagen nach ihrem Sinn und Zweck ist jedoch auch auf den Sinn und Zweck des Systems der Vergabekontrolle Bedacht zu nehmen. Rechtsstaatliches Mindesterfordernis der Errichtung eines Systems von Vergabekontrollbehörden ist aber, dass diese die Möglichkeit haben, die Einhaltung einer objektiv nachvollziehbaren Bestbieterermittlung sicherzustellen. Demnach findet die Heilung von Rechtswidrigkeiten in der Ausschreibung durch Ablauf der Anfechtungsfristen für die Ausschreibung dort ihre Grenze, wo die Ausschreibungsmängel so gravierend sind, dass sie eine objektiv nachvollziehbare Bestbieterermittlung nicht mehr ermöglichen. Dies entspricht im Übrigen bereits der Rechtsprechung mehrerer Vergabekontrollbehörden (vgl beispielsweise UVS OÖ 9 10 2003, VwSen 550107/7/Bm/Sta OÖ Kinderspielplatz = RPA 2004, 116; BVA 26 1 2004, 10N-125/03-14 ?3 Säulen Maßnahmenpaket? = RPA 2004, 110).
Dieses Ergebnis ergibt sich im Übrigen auch aus dem Gemeinschaftsrecht: Der aus Art 1 Abs 1 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG bzw im hier einschlägigen Unterschwellenbereich aus dem zur Durchsetzung der Grundfreiheiten notwendigen, gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgebot abzuleitende (und im Übrigen insoweit auch einer unmittelbaren Anwendung zugängliche) Grundsatz der wirksamen Nachprüfung der Vergabeentscheidungen wäre nämlich verletzt, wenn die Nachprüfungsbehörde die objektive Nachvollziehbarkeit der Bestbieterermittlung aufgrund objektiv nicht nachvollziehbarer Ausschreibungsunterlagen nicht sicherstellen könnte und dennoch über eine Auftraggeberentscheidung zu urteilen hätte. Gewährleistet das Vergabekontrollverfahren nicht die objektive Nachvollziehbarkeit der Vergabeentscheidung, ist es nicht als effektiv anzusehen.
Im vorliegenden Fall verunmöglicht das Fehlen von Erläuterungen in der Ausschreibung, was unter qualitativer Gleichwertigkeit der nichtausschreibungskonformen Angebote zu verstehen ist, eine objektiv nachvollziehbare Bestbieterermittlung. Die Nachprüfungsbehörde müsste selbst erst die Kriterien der qualitativen Gleichwertigkeit aufstellen, anhand derer sie die verschiedenen Angebote bzw die Bestbieterermittlung der Auftraggeberin zu überprüfen hätte. Dieser Eingriff in das Ermessen der Auftraggeberin würde nicht dem System der nachprüfenden Vergabekontrolle entsprechen und als de facto nachträgliche Veränderung der Ausschreibungsunterlagen auch den gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen (EuGH 4 12 2003 Rs C-448/01, EVN/Republik Österreich). Das Fehlen von Erläuterungen zur qualitativen Gleichwertigkeit bzw von Zuschlagskriterien zum Vergleich der qualitativen Unterschieden zwischen den von den Vorgaben der Ausschreibung abweichenden Angeboten verhindert daher, dass die Nachprüfungsbehörde in einer den rechtsstaatlichen Mindesterfordernissen entsprechenden Weise ihrem Auftrag zur Überprüfung der objektiven Nachvollziehbarkeit der Bestbieterermittlung nachkommen kann. Dieser Mangel der Ausschreibung ist daher durch Ablauf der Anfechtungsfristen nicht geheilt und belastet die Zuschlagsentscheidung mit Rechtswidrigkeit, die zwingend zum Widerruf der Ausschreibung führen muss.