TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/13 97/12/0356

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Veröffentlicht am 13.09.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

ABGB §1497;
AVG §73 Abs2;
AVG §73;
B-VG Art132;
GehG 1956 §13b Abs4 idF 1973/318;
GehG 1956 §13b idF 1973/318;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Bayjones und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des S in I, vertreten durch Dr. Peter Sparer, Rechtsanwalt in 6010 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 27. August 1997, Zl. 189.999/3- I/C/10B/97, betreffend Erschwernis- und Gefahrenzulage, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der zum damaligen Zeitpunkt als Revident in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stand und dessen Dienststelle die Universitätsdirektion der Universität Innsbruck war, beantragte am 7. Jänner 1987 die Zuerkennung einer Erschwerniszulage gemäß § 19a und einer Gefahrenzulage gemäß § 19b des Gehaltsgesetzes 1956.

Der Verwaltungsgerichtshof gab mit Erkenntnis vom 14. November 1988, Zl. 88/12/0119, der gegen den abweisenden Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 16. Mai 1988 erhobenen Beschwerde statt und hob den genannten Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG auf. Dieses Erkenntnis wurde den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens am 21. Dezember 1988 zugestellt.

Mit seiner am 20. Mai 1997 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend und brachte vor, diese habe "bis zum heutigen Tag" über seinen Antrag nicht neuerlich entschieden.

Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Verfügung vom 27. Mai 1997 das Vorverfahren ein und forderte die belangte Behörde auf, den versäumten Bescheid binnen dreier Monate nachzuholen. Daraufhin teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 2. Juli 1997 mit, dass im Hinblick auf die zwischenzeitig eingetretene Verjährung (wird näher ausgeführt) beabsichtigt sei, seinen Antrag auf Erschwernis- und Gefahrenzulage abzuweisen.

In seiner Stellungnahme vom 22. Juli 1997 vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, eine Verjährung habe wegen des anhängigen Verfahrens nicht eintreten können. Nach Aufhebung des Bescheides des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 16. Mai 1988 durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1988 wäre der (nunmehr zuständige) Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr verpflichtet gewesen, über den Sachantrag nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden. Der nunmehrige Vorhalt sei unverständlich, "zumal eben gerade keine rechtskräftige Entscheidung erster Instanz vorliegt, da diese ja durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde, wobei der Verwaltungsgerichtshof noch detailliert ausführte, welche Verfahrensschritte noch ergänzend zu setzen sein werden."

Mit dem in weiterer Folge nachgeholten und nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 27. August 1997 wies der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr den Antrag des Beschwerdeführers vom 7. Jänner 1987 auf Zuerkennung einer Erschwernis- und Gefahrenzulage wegen Verjährung ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 7. Jänner 1987 die Zuerkennung einer Erschwerniszulage und einer Gefahrenzulage für die Zeit seiner Tätigkeit im Ersatzbau für das Universitätsgebäude der Universitätsdirektion der Universität Innsbruck, das ist vom 1. Oktober 1984 bis 31. Dezember 1986, begehrt. Nach Aufhebung des abweisenden Bescheides des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. November 1988, Zl. 88/12/0119, seien keine Verfahrensschritte mehr gesetzt worden. Gemäß § 13b des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, verjähre der Anspruch auf Leistung, wenn er nicht innerhalb von drei Jahren geltend gemacht werde, nachdem die anspruchsbegründende Leistung erbracht oder der anspruchsbegründende Aufwand entstanden sei. Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung seien mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Geltendmachung eines Anspruches im Verwaltungsverfahren einer Klage gleichzuhalten sei. Dem gemäß sei auch für die Geltendmachung eines Anspruches im Verwaltungsverfahren § 1497 ABGB zu berücksichtigen. Davon sei der Beschwerdeführer mit Verständigung vom 2. Juli 1997 in Kenntnis gesetzt worden. Hiezu habe er mit Schreiben vom 22. Juli 1997 ergänzend vorgebracht, dass Verjährung wegen der Anhängigkeit des Verfahrens nicht eingetreten sei. Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr (vormals Bundesminister für Wissenschaft und Forschung) wäre verpflichtet gewesen, über den Sachantrag nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden. Da der Ersatzbau für die Universitätsdirektion längst abgetragen worden sei, sei eine ergänzende Beweisaufnahme nicht mehr möglich gewesen. Es seien deshalb vom seinerzeitigen Bundesminister für Wissenschaft und Forschung keine weiteren Verfahrensschritte mehr gesetzt worden. Aber auch der Beschwerdeführer habe seit der seinerzeitigen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof mit dem obzitierten Erkenntnis vom 14. November 1988 entschieden habe, keine Anträge mehr gestellt. Auf Grund der anzuwendenden Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Verjährung sei daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer das anhängig gemachte Verfahren nicht "gehörig fortgesetzt" habe. Die Verjährung von Ansprüchen aus der Tätigkeit des Beschwerdeführers im Ersatzbau der Universitätsdirektion der Universität Innsbruck in der Zeit zwischen dem 1. Oktober 1984 und 31. Dezember 1986 sei daher durch seinen Antrag vom 7. Jänner 1987 rückblickend gesehen nicht unterbrochen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 13b GG lautet auszugsweise (Abs. 1 und 3 in der Fassung der 24. GG-Novelle, Abs. 4 in der Fassung der 26. GG-Novelle, BGBl. Nr. 318/1973):

"Verjährung

§ 13b. (1) Der Anspruch auf Leistungen verjährt, wenn er nicht innerhalb von drei Jahren geltend gemacht wird, nachdem die anspruchsbegründende Leistung erbracht worden oder der anspruchsbegründende Aufwand erstanden ist.

...

(3) Was trotz Verjährung geleistet worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.

(4) Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Geltendmachung eines Anspruches im Verwaltungsverfahren einer Klage gleichzuhalten ist."

§ 1497 ABGB lautet:

"Unterbrechung der Verjährung

§ 1497. Die Ersitzung sowohl, als die Verjährung wird unterbrochen, wenn derjenige, welcher sich auf dieselbe berufen will, vor dem Verlaufe der Verjährungszeit entweder ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des anderen anerkannt hat, oder wenn er von dem Berechtigten belangt, und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Wird aber die Klage durch einen rechtskräftigen Spruch für unstatthaft erklärt; so ist die Verjährung für ununterbrochen zu halten."

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Zuerkennung einer Erschwerniszulage gemäß § 19a GG 1956 und einer Gefahrenzulage gemäß § 19b leg. cit. verletzt. Da im weiteren Verfahren (gemeint: nach Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1988) - wie die belangte Behörde selbst im angefochtenen Bescheid richtig erkenne - keinerlei Erhebungstätigkeit vorgenommen und auch keine weiteren Verfahrensschritte mehr gesetzt worden seien, könne bezüglich der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf dieses Urteil verwiesen werden. Die Behörde habe sich noch immer nicht mit den Fragen auseinander gesetzt, die für die Entscheidung wesentlich gewesen wären. Wäre sie den entsprechenden Aufträgen des Verwaltungsgerichtshofes nachgekommen, wäre sie zum Schluss gekommen, dass dem Beschwerdeführer die geltend gemachten Ansprüche tatsächlich zustünden. Eine Verjährung der Ansprüche des Beschwerdeführers habe, so lange das Verfahren anhängig gewesen sei, nicht eintreten können. Das Verfahren selbst sei ja nicht unterbrochen worden, sodass es auch keiner Fortsetzung des Verfahrens durch den Beschwerdeführer bedurft habe. Es sei einfach Aufgabe der Behörde selbst gewesen, das Verfahren entsprechend fortzusetzen und allenfalls notwendige weitere Erhebungen zu tätigen, ohne dass dem Beschwerdeführer irgendein weiteres Antragsrecht im Verfahren zugekommen sei. Da dem Beschwerdeführer somit eine Fortsetzung des Verfahrens nicht möglich gewesen sei, sei es auch begrifflich unmöglich, dass seine Ansprüche infolge "nichtgehöriger Fortsetzung" des Verfahrens verjährt seien. Wenn die belangte Behörde darunter verstehe, dass der Beschwerdeführer erst 1997 Säumnisbeschwerde erhoben habe, so verkenne sie, dass der Beschwerdeführer damit in Wahrheit nicht einen Antrag auf Fortsetzung eines ruhenden oder unterbrochenen Verfahrens gestellt habe, sondern dass er damit lediglich eine gesetzliche Möglichkeit ergriffen habe, um sich gegen ungerechtfertigte Verfahrensverzögerungen zur Wehr zu setzen. Das Erheben einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei ein Recht, nicht aber die Pflicht des Antragsteller, um die Untätigkeit der Behörde abzustellen. Die gehörige Fortsetzung des Verfahrens könne nur dann verneint werden, wenn einen Anspruchsteller eine Pflicht zum Handeln treffe, der er beharrlich nicht nachkomme. Dem Beschwerdeführer könne aber auch nicht vorgeworfen werden, dass er nicht ernsthaft an der Erledigung des Verfahrens interessiert gewesen sei, zumal er die Ernsthaftigkeit der Rechtsverfolgung durch Erhebung der Säumnisbeschwerde im Frühjahr 1997 dokumentiert habe. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes im ersten Verfahrensgang sei am 21. Dezember 1988 zugestellt worden. Auf Grund der Komplexität des zu beurteilenden Sachverhaltes habe der Beschwerdeführer damals mit einer längeren Verfahrensdauer rechnen können. Es wäre verfehlt, aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer erst 1997 dazu durchgerungen habe, wiederum den Verwaltungsgerichtshof anzurufen, auf ein mangelndes Interesse seitens des Beschwerdeführers an der Rechtsverfolgung zu schließen.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten vermögenswerten Leistungen aus dem Titel der Erschwernis- und Gefahrenzulage aus seiner Tätigkeit zwischen dem 1. Oktober 1984 und 31. Dezember 1986 im Sinn des § 13b Abs. 4 GG iVm § 1497 ABGB als verjährt anzusehen sind, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt:

Der Begriff der "gehörigen Klagsfortsetzung" ist im Zusammenhang mit den Besonderheiten des Zivilprozesses zu sehen, in dem den Kläger auch nach Klagseinbringung die Pflicht zu gewissen Verhaltensweisen trifft, bei deren Verletzung es zu einem "Prozessstillstand" kommt (insbesondere Ruhen des Verfahrens (§§ 168 ff ZPO), siehe dazu im Einzelnen die zu § 1497 ABGB in Dittrich-Tades, ABGB, angeführte Rechtsprechung). Eine solche Pflicht der Partei eines Verwaltungsverfahrens, das bei der im Beschwerdefall aus § 1 DVG folgenden Anwendung des AVG auch dann, wenn das Verfahren über Antrag eingeleitet wurde, von Amts wegen durchzuführen und abzuschließen ist, begründet § 73 AVG aber nicht. Deshalb wird - jedenfalls im Regelfall - die bloße Unterlassung der Einbringung einer Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG für sich allein nicht zum Eintritt der Verjährung im Sinn des § 13b GG (durch Beseitigung der Unterbrechungswirkung eines durch Antrag geltend gemachten vermögenswerten besoldungsrechtlichen Anspruches mangels gehöriger Klagsfortsetzung) führen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2001, Zl. 99/12/0022, mwN).

Besondere Umstände, aus denen allenfalls abgeleitet werden könnte, dass es dem Beschwerdeführer an der Ernsthaftigkeit, sein Verfahrensziel zu erreichen, fehlte und die eine andere Betrachtung gebieten könnten, sind auf dem Boden des bisherigen Verfahrenslaufes nicht feststellbar, traf doch den Beschwerdeführer vorliegendenfalls keine gesetzlich verankerte bzw. ableitbare Mitwirkungsverpflichtung im Verfahren. Es hat daher im Beschwerdefall die Behörde zu vertreten, dass der Antrag des Beschwerdeführers (im zweiten Rechtsgang) im Wesentlichen wegen der behaupteten Unmöglichkeit für die belangte Behörde, ergänzende Beweisaufnahmen durchzuführen, nicht einer Erledigung zugeführt wurde.

Da die belangte Behörde, von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, den Anspruch des Beschwerdeführers wegen Verjährung mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen hat, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. September 2001

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Dienstrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997120356.X00

Im RIS seit

13.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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