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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art18;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des Dr. H in M, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 10. März 1998, Zl. 7348/1- III 6/98, betreffend Bestimmung des Dienstortes nach § 45 RGV, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde mit Dekret vom 5. Juli 1985 gemäß § 25 Abs. 1 RDG mit Wirksamkeit vom 1. August 1985 auf die Planstelle eines Richters des Bezirksgerichtes Kirchdorf an der Krems und des Bezirksgerichtes Steyr ernannt. Dieser Ernennung war folgender Satz angefügt:
"Dienstort im Sinne der Reisegebührenvorschrift 1955 ist Kirchdorf a. d. Krems."
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde wie folgt:
"Gemäß § 45 Absatz 1 der Reisegebührenvorschrift 1955 wird mit Wirkung vom 1. Februar 1998 der Sitz des Bezirksgerichtes Steyr als Ihr Dienstort bestimmt."
In der Begründung wird nach Hinweis auf den vorgenannten Ernennungsbescheid weiter ausgeführt, auf Grund der nunmehr bestehenden Auslastungssituation seien Änderungen der Geschäftsverteilungen des Bezirksgerichtes Kirchdorf an der Krems und des Bezirksgerichtes Steyr vorgenommen worden, wodurch der Beschwerdeführer ab 1. Februar 1998 mit 60 % seiner Arbeitskraft beim Bezirksgericht Steyr und mit 40 % seiner Arbeitskraft beim Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems verwendet werde. Nach § 45 Abs. 1 RGV sei als Dienstort eines Richters, der auf eine bei zwei Gerichten systemisierte Planstelle ernannt sei, vom Bundesminister für Justiz der Sitz desjenigen Gerichtes zu bestimmen, bei dem der Richter überwiegend tätig sei. Ausgehend von der festgestellten überwiegenden Tätigkeit des Beschwerdeführers beim Bezirksgericht Steyr sei nach dieser Vorschrift nunmehr der Sitz dieses Gerichtes als sein Dienstort zu bestimmen.
Gegen diesen Bescheid wandte sich der Beschwerdeführer wegen Verletzung verfassungsgesetzlich geschützter Rechte an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde aber mit Beschluss vom 29. Februar 2000, B 897/98-3, ablehnte und die Beschwerde antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Unterbleiben einer Dienstortbestimmung nach § 45 RGV, welche durch diese Norm gedeckt ist, durch unrichtige Anwendung dieser Norm sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.
Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, auf welcher Sachverhaltsgrundlage die belangte Behörde zur Annahme gelangt sei, dass er mit 60 % seiner Arbeitskraft beim Bezirksgericht Steyr und mit 40 % seiner Arbeitskraft beim Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems verwendet werde. Weder zu dieser Tatsachenannahme noch zu allfälligen ihr zu Grunde liegenden konkreten Beweisergebnissen sei ihm Parteiengehör gewährt worden. Die belangte Behörde sei sich über seine Arbeitsbelastung durch Vertretertätigkeiten, insbesondere im Hinblick auf die Pensionierung des Gerichtsvorstehers des Bezirksgerichtes Kirchdorf an der Krems (wird näher ausgeführt) nicht im Klaren gewesen.
Als inhaltliche Rechtswidrigkeit bringt der Beschwerdeführer nach Hinweis auf sein Vorbringen vor dem Verfassungsgerichtshof - auf das Wesentlichste zusammengefasst - weiter vor, die Weisungsungebundenheit des Richters bedeute, dass es die "Versetzung durch Weisung" für Richter weder reisegebührenrechtlich noch dienstrechtlich geben dürfe. Eine reisegebührenrechtliche Versetzung dürfe daher nicht ohne dienstrechtlicher Versetzung zulässig sein; demnach wäre eine von einer Ernennung unabhängige Dienstortbestimmung nach § 45 RGV verboten. Darüber hinaus bringt der Beschwerdeführer noch vor, dass eine wesentliche Sachverhaltsänderung als Grundlage für die Dienstortbestimmung die Erhebung der überwiegenden Inanspruchnahme für andere Gerichte vorausgesetzt hätte und eine solche Entscheidung keinesfalls rückwirkend hätte getroffen werden dürfen.
Diesem Vorbringen kommt aus folgenden Überlegungen im Ergebnis Berechtigung zu.
§ 45 Abs. 1 der Reisegebührenvorschrift 1955, in der Fassung des Art. III Z. 2 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 230/1988, lautet wie folgt:
"Als Dienstort eines Richters, der auf eine bei zwei Gerichten systemisierte Planstelle ernannt ist, ist vom Bundesminister für Justiz der Sitz desjenigen Gerichtes zu bestimmen, bei dem der Richter überwiegend tätig ist."
In seinem Erkenntnis vom 14. November 1988, Zl. 88/12/0035, führte der Verwaltungsgerichtshof zum Fall der Ernennung eines Richters bei zwei Bezirksgerichten im Wesentlichen aus, dass ein solcher Richter beiden Gerichten dauernd zugewiesen ist und demnach zwei Dienststellen und zwei Dienstorte hat. Diese hätte zur Folge, dass Reisen von einem Dienstort zum Zweck der Dienstverrichtung in den anderen keine Dienstreisen im Sinne des § 2 Abs. 1 RGV darstellten, da sie nicht außerhalb des Dienstortes führten. In Ermangelung einer ausdrücklichen Bestimmung - die Regelung des § 45 RGV 1955 in der Fassung BGBl. Nr. 230/1988 ist erst ab 1. Mai 1988 in Kraft getreten - und zur Vermeidung von Härten bei derartigen Sachverhalten bestimmte die (damals) belangte Behörde in analoger Anwendung der Bestimmung des § 49 RGV bei auf "Doppelplanstellen" ernannten Richtern einen der beiden Gerichtsorte als Dienstort im Sinne der Reisegebührenvorschrift. Begibt sich also ein Richter von dem bescheidmäßig als Dienstort festgelegten Gericht zum Zweck der Dienstverrichtung in den anderen Gerichtsort, so entsteht ein Anspruch auf Reisegebühren. In weiterer Folge wurde mit diesem Erkenntnis ein reisegebührenrechtlicher Aufwandersatz für die "Reisebewegung" vom Wohnort zum Dienstort bzw. zurück und die Wertung der Tätigkeit am "Zweitdienstort" als Dienstzuteilung verneint.
Im I. Hauptstück der Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV - BGBl. Nr. 133, die auf Grund des § 92 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 518/1993 auf die Stufe eines Bundesgesetzes gehoben war und trotz der ersatzlosen Aufhebung dieser Bestimmung durch die genannte Novelle weiterhin in Gesetzesrang steht - vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2001, Zl. 99/12/0325, mwN) ist der Ersatz des Mehraufwandes für auswärtige Dienstverrichtungen ausgehend vom Regelfall, nämlich, dass ein Bediensteter an einer Dienststelle und an einem Dienstort dienstlich eingesetzt ist, normiert. § 45 Abs. 1 RGV trifft im Rahmen des II. Hauptstückes für Richter, die auf eine bei zwei Gerichten systemisierte Planstelle ernannt sind, insofern eine Sonderregelung, als der Bundesminister für Justiz als Dienstort, von dem aus die reisegebührenrechtlichen Ansprüche zu beurteilen sind, den Sitz des Gerichtes zu bestimmen hat, bei dem der Richter überwiegend tätig ist.
Ausgehend von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Ernennung eines Richters auf eine bei zwei Gerichten systemisierte Planstelle hat der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl. Nr. 230/1988 im Sinne des vorher auszugsweise wiedergegebenen Vorerkenntnisses die Verpflichtung zu einer reisegebührenrechtlichen Klarstellung insofern normiert, dass der Bundesminister für Justiz - unter Beachtung der Regelungen des Dienstrechtsverfahrens - verpflichtet ist, als reisegebührenrechtlichen Anknüpfungspunkt den Sitz desjenigen Gerichtes als Dienstort zu bestimmen, bei dem der Richter überwiegend tätig ist. Es handelt sich dabei - entgegen dem Beschwerdevorbringen zur angeblichen inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides - weder um eine Versetzung noch um eine derartige durch "Weisung" verfügte Personalmaßnahme, sondern um die bescheidmäßige Klarstellung des für die reisegebührenrechtliche Beurteilung des Anspruches auf Ersatz des durch auswärtige Dienstverrichtungen entstehenden Mehraufwandes maßgebenden Dienstortes. Entscheidend für die gesetzlich notwendige bescheidmäßige Feststellung ist nach § 45 Abs. 1 RGV die Erhebung des Sachverhaltes, nämlich bei welchem Gericht der Richter überwiegend tätig ist.
Eine Bindungswirkung der im Beschwerdefall im Zusammenhang mit der Ernennung des Beschwerdeführers - damals noch ohne entsprechende gesetzliche Grundlage - getroffenen Aussage hinsichtlich des reisegebührenrechtlichen Stammdienstortes des Beschwerdeführers ist schon im Hinblick auf die 1988 mit der genannten Novelle BGBl. Nr. 230 erfolgte gesetzliche Regelung nicht anzunehmen. Eine Änderung einer einmal nach § 45 Abs. 1 RGV erfolgten Festlegung des Dienstortes bei wesentlicher Änderung des Sachverhaltes entsprechend dem Schwerpunkt der tatsächlichen Tätigkeiten, der sich aus verschiedenen Gründen sachlich gerechtfertigt verschieben kann, ist weder durch die Regelung des § 45 Abs. 1 RGV ausgeschlossen, noch bestehen gegen eine derartige reisegebührenrechtliche Maßnahme - die Durchführung eines entsprechenden Verfahrens unter Beiziehung des betroffenen Richters vorausgesetzt und bei ausschließlicher Wirkung der zu treffenden Festlegung für die Zukunft - verfassungsrechtliche Bedenken.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen zeigt sich, dass die belangte Behörde offensichtlich ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung hinsichtlich der sie nach § 45 Abs. 1 RGV in Verbindung mit dem DVG treffenden Verpflichtungen keine einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglichen Sachverhaltsfeststellungen in einem ordnungsgemäßen Dienstrechtsverfahren getroffen hat. Dem § 45 Abs. 1 RGV ist weiters nicht zu entnehmen, dass durch eine rückwirkende Änderung des reisegebührenrechtlich relevanten Dienstortes eine Änderung bereits entstandener Gebührenansprüche bewirkt werden dürfte.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 13. September 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000120060.X00Im RIS seit
29.10.2001