TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/13 2000/12/0098

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Veröffentlicht am 13.09.2001
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Index

63/05 Reisegebührenvorschrift;

Norm

RGV 1955 §2 Abs1;
RGV 1955 §2 Abs3;
RGV 1955 §2 Abs5;
RGV 1955 §22;
RGV 1955 §39 Abs1 idF 1998/I/123;
RGV 1955 §39 Abs2 idF 1998/I/123;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Bayjones und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des E in M, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. März 2000, Zl. 8117/118 - II/4/00, betreffend Reisegebühren (§ 39 Abs. 1 der Reisegebührenvorschrift), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Gruppeninspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist der Gendarmerieposten (GP) Zell am See.

Mit Inkrafttreten des Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) traf die belangte Behörde mit Erlass vom 13. November 1997, Zl. 94.660/44-GD/97, betreffend Ausgleichsmaßnahmen nach Entfall der Grenzkontrolle an den Binnengrenzen, u.a. folgende Grundsatzregelung (auszugsweise):

"Im Bereich des Eisenbahnverkehrs ist im Personenreiseverkehr einerseits auf die Kontrolle der grenzüberschreitenden Züge als auch auf die Überwachung der im Streckenverlauf befindlichen Bahnhöfe besonderes Augenmerk zu legen. Zusätzlich zum Personenreiseverkehr ist die Kontrolle des Güterzugsverkehrs und der Rollenden Landstraße von besonderer Bedeutung."

Die Einsatzplanung für die angesprochenen Zugskontrollen wird (nach der Darstellung in der Gegenschrift) für jedes Monat von der belangten Behörde vorgenommen. Nach dem vorgegebenen Einsatzplan haben die nachgeordneten Dienststellen die Diensteinteilungen zu treffen. Für die Dauer der angeordneten Zugskontrollen sind die eingeteilten Bediensteten der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit zugeteilt.

In Umsetzung der von der belangten Behörde für die Monate Oktober und November 1998 getroffenen Einsatzplanung wurde dem Beschwerdeführer mit Dienstaufträgen des Bezirksgendarmeriekommandos Zell am See vom 28. Oktober und 3. November 1998 die Durchführung von Kontrollen bestimmter Züge im Sinn des SDÜ am 29. Oktober und 4. November 1998 vorgeschrieben. Auf diese Dienstaufträge stützten sich entsprechende Dienstvorschreibungen des Anordnungsbefugten des GP Zell am See. Die Kontrolle betraf Züge auf der Strecke zwischen Zell am See - Schwarzach, Schwarzach - Kitzbühel bzw. Zell am See -

Kitzbühel (wobei der erstgenannte Ort der Abfahrts-, der zweitgenannte der Ankunftsort ist) und (jeweils) retour. Bei einer Dienstreise wurden jeweils mehrere Züge kontrolliert, wobei sich der Beschwerdeführer im jeweiligen Ankunftsort bis zur Abfahrt des nächsten zu kontrollierenden Zuges aus diesem Ort dort aufzuhalten hatte. Schwarzach liegt außerhalb der BH Zell am See, Kitzbühel im Bundesland Tirol.

Der Beschwerdeführer machte laut Reiserechnung (vom 30. Oktober 1998 und vom 5. November 1998) für die beiden (jeweils als Einheit gewerteten) Dienstreisen vom 29. Oktober 1998 (Dauer: 16 Uhr 19 bis 23 Uhr 40) und vom 4. November 1998 (Dauer: 04 Uhr 25 bis 11 Uhr 18) jeweils 1/3 Tagesgebühr nach Tarif I (S 113,--) gemäß § 17 Abs. 2 der Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV 1955) geltend.

Er wurde in der Folge von der Dienstbehörde erster Instanz (Landesgendarmeriekommando für Salzburg - im Folgenden LGK) aufgefordert, seine Reiserechnungen durch Angabe der Aufenthaltszeiten außerhalb des Bezirkes zu ergänzen. Begründet wurde dies damit, dass für Dienstverrichtungen, die nur zum Teil außerhalb des eigenen Bezirkes durchgeführt würden, bei einem Aufenthalt von unter 5 Stunden außerhalb des Bezirks keine Reisegebühren verrechnet werden könnten.

Der Beschwerdeführer kam dem Ergänzungsauftrag nach und wies darauf hin, dass seine Angaben über das Verlassen des bzw. über den Wiedereintritt in den Bezirk Zell am See auf Annahmen beruhe; eine genaue Festsetzung, wann die Bezirksgrenze jeweils überschritten bzw. wieder erreicht worden sei, sei während der Fahrt vom Zug aus nicht möglich. Er verlange jedoch die Erlassung eines Feststellungsbescheides, weil er der Auffassung sei, dass derartige (bezirksüberschreitende) Dienstreisen nicht unter die Pauschalabgeltung nach § 39 Abs. 1 RGV 1955 fielen.

Im Vorhalt vom 2. März 1999 teilte das LGK dem Beschwerdeführer mit, den strittigen Reiserechnungen lägen Dienstverrichtungen zugrunde, bei denen der Beschwerdeführer der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit zugeteilt und es notwendig sei, teilweise im eigenen politischen Verwaltungsbezirk, zum Teil aber auch im angrenzenden Bezirk bzw. im angrenzenden Bundesland zu agieren. Nach Darlegung ihrer Rechtsauffassung, die Trennung der Dienstreisen (im und außerhalb des Verwaltungsbezirkes) sei erforderlich, weil nur für eine mehr als 5 stündige Dienstreise außerhalb des Bezirkes Tagesgebühren nach Tarif I zustünden, wies die Behörde darauf hin, dass der Beschwerdeführer (nach seinen ergänzenden Angaben) bei der ersten Dienstreise nur 4 Stunden und 44 Minuten und bei seiner zweiten Dienstreise nur 3 Stunden 38 Minuten außerhalb des politischen Verwaltungsbezirkes Zell am See verbracht habe.

Dem hielt der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 8. März 1999 entgegen, es liege in beiden Fällen eindeutig eine Dienstreise im Sinn des § 2 Abs. 1 RGV 1955 vor. Für den Beginn und das Ende einer Dienstreise (Reisebewegung) sei nach § 5 RGV 1955 die Dienststelle als Ausgangs- und Endpunkt maßgebend. Für die Ermittlung der Reisezulage (Tagesgebühr) gelte in den beiden strittigen Fällen § 13 Abs. 2 lit. a RGV 1955, wonach ihm für die gesamte Dauer der Reisebewegung - da § 13 Abs. 3 lit. a leg. cit. nicht zutreffe, weil keine Bezirksreise vorliege - der Tarif I zustehe.

Mit Bescheid vom 26. April 1999 wies das LGK das Ansuchen des Beschwerdeführers auf Auszahlung von Reisegebühren gemäß §§ 2 und 22 RGV 1955 für die Durchführung von Zugskontrollen am 29. Oktober und 4. November 1998 ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer gehöre zu dem in § 39 RGV 1955 angeführten Personenkreis. Bei der Durchführung von Zugskontrollen handle es sich um eine mit dem Exekutivdienst zusammenhängende Dienstzuteilung. Die Dauer der beiden Dienstzuteilungen habe jeweils weniger als 24 Stunden betragen. Ziel der Zuteilung des Beschwerdeführers zur belangten Behörde sei es gewesen, einerseits die Art der Dienstverrichtung (Durchführung von Zugskontrollen) und andererseits die örtliche Zuständigkeit auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, zumal sich einer der Zielbahnhöfe (nämlich Kitzbühel) im Bundesland Tirol befinde, nicht aber, einen bestimmten Ort (Dienstort/Gemeinde) zu erreichen. Die Dienstbehörde könne der Argumentation des Beschwerdeführers, eine Bezirksreise im Sinne des § 39 RGV 1955 liege nicht mehr vor, wenn bei der Dienstverrichtung die Bezirksgrenze (wenn auch nur kurzfristig) überschritten würde, nicht folgen. Der Beschwerdeführer habe bei den beiden Dienstreisen jeweils weniger als fünf Stunden außerhalb des Bezirkes verbracht (wird näher ausgeführt). Der fiktive Mehraufwand (ein tatsächlicher sei nie behauptet worden) sei durch die Pauschalvergütung nach § 39 RGV 1955 abgegolten.

In seiner Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine bereits in seiner Stellungnahme vom 8. März 1999 geäußerte Rechtsauffassung. Ergänzend führte er aus, dass ihm bei seinen Dienstreisen tatsächlich Mehrkosten nach § 1 Abs. 1 RGV 1955 durch Esseneinnahme in Kitzbühel oder Schwarzach (Anmerkung: Zielbahnhöfe der Dienstreisen, die außerhalb des Bezirkes Zell am See liegen) entstanden seien, für deren Abgeltung die RGV 1955 Tagesgebühren vorsehe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. März 2000 wies die belangte Behörde die Berufung nach § 39 RGV 1955 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie begründete dies im Wesentlichen (nach Darstellung des - unstrittigen - Sachverhalts und der Rechtlage) damit, es liege im Wesen der RGV 1955, dass ein allenfalls entstandener Mehraufwand nur einmal abgegolten werde. Dies sei beim Beschwerdeführer durch die Pauschalierung nach § 39 Abs. 1 RGV 1955 erfolgt. Es könnten daher auch nur Zeiten berücksichtigt werden, die außerhalb des Pauschalierungsbereiches lägen. Auch bei der Zuteilungsgebühr finde sich der Verweis auf die Tagesgebühr mit dem Erfordernis von bestimmten Zeitspannen, die zusammenhängend überschritten werden müssten. Bei den durchgeführten (angeordneten) Zugskontrollen habe sich der Beschwerdeführer weniger als 5 Stunden außerhalb der Bezirksgrenzen befunden; es falle daher auch keine Tagesgebühr nach dem I. Hauptstück der RGV 1955 an. Die im Beschwerdefall strittigen Dienstreisen seien durch § 39 RGV 1955 (Pauschalvergütung) abgegolten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Rechtslage

Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV 1955)

1. Allgemeines

Vorab ist drauf hinzuweisen, dass die ursprünglich als Verordnung auf Grund des § 21 GÜG erlassene RGV 1955 nach der Bestimmung des § 92 Abs. 1 GG 1956 nach der Aufhebung der genannten Ermächtigung des GÜG als Bundesgesetz in Geltung stand. Die RGV 1955 steht auch nach Aufhebung des § 92 GG durch die Novelle BGBl. Nr. 518/1993 weiterhin auf der Stufe eines Bundesgesetzes (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1999, Zl. 95/12/0054 mwN). Soweit sich die RGV 1955 (Stammfassung) selbst in einer Bestimmung - der damaligen Rechtslage entsprechend - als Verordnung bezeichnet, ist der inzwischen geänderte Rang der Vorschrift zu berücksichtigen.

Im Beschwerdefall ist nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit der geltend gemachten Ansprüche die RGV 1955, BGBl. Nr. 133 in der Fassung der (aus der Sicht des Falles) zuletzt erfolgten Novelle BGBl. I Nr. 123/1998 anzuwenden. Zitate der RGV 1955 ohne Fundstellenangabe beziehen sich auf die Stammfassung.

Das I. Hauptstück der RGV 1955 enthält in seinen §§ 1 bis 38 die "Gemeinsamen Bestimmungen", während ihr II. Hauptstück die (für einzelne nach ihrer Verwendung unterschiedene Beamtengruppen geltenden) "Sonderbestimmungen" (§§ 39 ff) trifft.

2. Zielsetzung und Begriffsbestimmungen nach dem I. Hauptstück

Nach § 1 Abs. 1 RGV 1955 haben die Bundesbeamten (§ 1 des BDG) - im Folgenden kurz Beamte genannt - nach Maßgabe dieser Verordnung Anspruch auf den Ersatz des Mehraufwandes, der ihnen u. a. durch eine Dienstreise (lit. a) oder durch eine Dienstzuteilung (lit. c) entsteht

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 RGV 1955 liegt eine Dienstreise im Sinne dieser Verordnung vor, wenn sich ein Beamter zur Ausführung eines ihm erteilten Dienstauftrages oder auf Grund einer Dienstinstruktion an einen außerhalb des Dienstortes (außerhalb des Ortes der Dienstzuteilung) gelegenen Ort begibt und die Wegstrecke von der Dienststelle zu diesem Ort mehr als 2 Kilometer beträgt.

Dienstort im Sinne dieser Verordnung ist die Ortsgemeinde, in der die Dienststelle liegt, der der Beamte dauernd zur Dienstleistung zugewiesen ist (§ 2 Abs. 5 Satz 1 RGV 1955).

Eine Dienstzuteilung liegt im Sinne dieser Verordnung vor, wenn ein Beamter an einem anderen Ort als dem Dienstort einer Dienststelle zur vorübergehenden Dienstleistung zugewiesen wird und für die Dauer dieser Verwendung entweder der Dienstaufsicht des Leiters dieser Dienststelle unterliegt oder mit der Leitung der zugewiesenen Dienststelle betraut wird (§ 2 Abs. 3 RGV 1955).

3. Reisegebührenansprüche für eine Dienstreise

Für eine Dienstreise (Abschnitt II) gebührt dem Beamten u.a. nach § 4 Z. 1 RGV 1955 die Reisekostenvergütung und nach Z. 2 dieser Bestimmung die Reisezulage, die aus der Tages- und der Nächtigungsgebühr besteht.

Im Abschnitt II, Unterabschnitt A: "Reisekostenvergütung" (§§ 5 ff RGV 1955) bestimmt § 5 Abs. 1 leg. cit., dass als Ausgangspunkt und Endpunkt der Reisebewegung die Dienststelle anzusehen ist, der der Beamte zur Dienstleistung zugewiesen ist.

Im Abschnitt II, Unterabschnitt B: "Reisezulage" (§§ 13 ff RGV 1955) ordnet § 13 Abs. 2 lit. a RGV 1955 in der Fassung BGBl. Nr. 158/1967 an, dass die Tagesgebühr nach dem (höheren) Tarif I für die Dauer der Reisebewegung (Hinreise, Weiterreise, Rückreise) - ausgenommen die Reisebewegung gemäß Abs. 3 lit. a - zu berechnen ist.

Die Tagesgebühr wird nach § 13 Abs. 3 lit. a RGV 1955 in der Fassung BGBl. Nr. 158/1967 nach dem (niedrigeren) Tarif II für die Dauer der Reisebewegung (Hinreise, Weiterreise, Rückreise) bei Bezirksreisen, bei denen kein Anspruch auf Nächtigungsgebühr erwächst, berechnet.

Die Dauer einer Dienstreise wird vom Zeitpunkt des Verlassens bis zum Zeitpunkt des Wiederbetretens der Dienststelle berechnet (§ 16 Abs. 1 RGV 1955).

Nach § 17 Abs. 1 RGV 1955 erhält der Beamte für je 24 Stunden der Dienstreise die volle Tagesgebühr. Bruchteile bis zu fünf Stunden bleiben unberücksichtigt. Für Bruchteile in der Dauer von mehr als fünf Stunden gebührt ein Drittel, für mehr als acht Stunden zwei Drittel der Tagesgebühr. Bruchteile von mehr als zwölf Stunden werden als volle 24 Stunden gerechnet.

Das Ausmaß der entfallenden Tagesgebühr wird einheitlich nach der Gesamtdauer der Dienstreise festgestellt; hievon ist zunächst das Ausmaß der gemäß § 13 Abs. 2 nach Tarif I abzugeltenden Tagesgebühren zu ermitteln, der verbleibende Rest wird nach Tarif II abgegolten.

4. Reisegebührenansprüche für eine Dienstzuteilung

Abschnitt V (§§ 22 ff RGV 1955) regelt die Ansprüche aus einer "Dienstzuteilung".

Bei einer Dienstzuteilung erhält der Beamte eine Zuteilungsgebühr; sie umfasst die Tagesgebühr und die Nächtigungsgebühr. Der Anspruch auf die Zuteilungsgebühr beginnt mit der Ankunft im Zuteilungsort und endet mit der Abreise vom Zuteilungsort oder, wenn der Beamte in den Zuteilungsort versetzt wird, mit dem Ablauf des letzten Tages der Dienstzuteilung. § 17 findet sinngemäß Anwendung (§ 22 Abs. 1 RGV 1955). Sie beträgt für die ersten 30 Tage der Dienstzuteilung 100 % der Tagesgebühr nach Tarif I und der Nächtigungsgebühr nach § 13 (§ 22 Abs. 2 Z. 1RGV 1955).

Beträgt die fahrplanmäßige Fahrzeit für die Strecke von dem der Wohnung nächstgelegenen für die Fahrt in Betracht kommenden Bahnhof zum Zuteilungsort und zurück zusammen nicht mehr als zwei Stunden, ohne dass durch die Rückfahrt eine ununterbrochene elfstündige Ruhezeit verhindert wird, so erhält der Beamte an Stelle der Zuteilungsgebühr u.a. nach § 22 Abs. 3 lit. b RGV die Tagesgebühr nach Abs. 2, wenn die Dauer der Abwesenheit vom Wohnort zwölf Stunden übersteigt; übersteigt die Dauer der Abwesenheit acht Stunden, so gebühren zwei Drittel dieser Tagesgebühr, übersteigt die Dauer der Abwesenheit fünf Stunden, so gebührt ein Drittel.

5. Sonderbestimmungen aus dem II. Hauptstück

§ 39 RGV 1955 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 123/1998 (im Folgenden auch als nF bezeichnet), die diesbezüglich am 1. Juli 1998 in Kraft getreten ist (§ 77 Abs. 13 Z. 3 leg. cit.), lautet:

"Gendarmeriedienst

§ 39. (1) Gendarmeriebeamten der Bezirksgendarmeriekommanden, Gendarmerieposten und deren Außenstellen, Grenzkontrollstellen und Grenzüberwachungsposten, Motorbootstationen und Außenstellen der Verkehrsabteilungen gebührt für die mit dem Exekutivdienst zusammenhängenden Dienstzuteilungen bis zu 24 Stunden und Dienstreisen im politischen Bezirk, wenn jedoch ein über den politischen Bezirk hinausgehender Überwachungsrayon festgesetzt ist, im Überwachungsrayon, anstelle der Tagesgebühren nach dem I. Hauptstück eine monatliche Pauschalvergütung. Für jede in Anspruch genommene Nachtunterkunft gebührt eine Nächtigungsgebühr.

     (2) Die Pauschalvergütung nach Abs. 1 beträgt

     1. für die Bezirksgendarmeriekommandanten und die

Referatsleiter der Bezirksgendarmeriekommanden, Beamten der

Außenstellen der Verkehrsabteilungen und Beamte der

Grenzdienststellen, die eine die Bundesgrenze überschreitende

Grenzkontrolle in Zügen durchführen ..............................

1 260 S,

     2. für alle übrigen Beamten

...................................   630 S.

(3) Die Pauschalvergütung nach Abs. 1 entfällt für Zeiten, für die ein Gendarmeriebeamter Gebühren nach den §§ 22 und 34 erhält. Werden die Gebühren nach den §§ 22 und 34 nur für einen Teil des Monates bezogen, gebührt für den restlichen Teil des Monates je Tag ein Dreißigstel der Pauschalvergütung. Ist der sich bei dieser Teilung ergebende Betrag nicht durch 0,10 S teilbar, so ist er auf den nächsthöheren durch 0,10 S teilbaren Betrag aufzurunden. Im übrigen ist auf den Anspruch und das Ruhen dieser Pauschalvergütung § 15 Abs. 5 des Gehaltsgesetzes 1956 anzuwenden."

II. Beschwerdeausführungen und Erwägungen

1. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Reisegebühren nach der RGV 1955 (insbesondere §§ 13 und 22) durch unrichtige Anwendung dieses Gesetzes, insbesondere seines § 39 Abs. 1 nF, verletzt.

2.1. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit weist der Beschwerdeführer zunächst auf seine Äußerungen im Verwaltungsverfahren hin. Er habe aus § 5 Abs. 1 RGV 1955 abgeleitet, dass eine Dienstreise nur an der Dienststelle beginnen und enden könne. Er könne der RGV 1955 nicht entnehmen, dass Gebühren erst ab Überschreiten der Bezirksgrenze anfielen. Außerdem habe er (in seiner Berufung) ins Treffen geführt, das ihm tatsächlich Mehrkosten durch Verköstigungen in Kitzbühel und Schwarzach entstanden seien.

Seiner Rechtsauffassung nach sei eine Dienstreise, die über die Bezirksgrenze hinausführe, insgesamt keine Dienstreise im Sinn des § 39 Abs. 1 RGV 1955 nF. Sinn und Zweck dieser Bestimmung sei die Pauschalabgeltung des Aufwandes für (örtlich) relativ beschränkte Dienstreisen. Diese Beschränkung sei wesentlich. Sei sie nicht mehr gegeben, handle es sich nicht mehr um eine Dienstreise im Sinn des § 39 Abs. 1 RGV 1955. Ob eine "Fernreise" oder eine "Regionalreise" (im Sinn des § 39 RGV 1955 nF) vorliege, lasse sich immer nur nach dem Endpunkt bzw. dem auf der Reise erreichten entferntesten Punkt beurteilen. Im Beschwerdefall liege daher eine "Fernreise" vor. Es brauche hier nicht erörtert zu werden, was bei ganz geringfügiger Grenzüberschreitung oder für eine Dienstreise zu gelten habe, die durch ein Geschehen innerhalb der Bezirksgrenzen ausgelöst werde, dann aber über die Bezirksgrenzen - etwa im Zuge der Verfolgung eines Verdächtigen - hinausführe. Im Beschwerdefall könne es keine Frage sein, dass jede denkbare Erheblichkeitsgrenze überschritten sei, hätten doch die beiden Dienstreisen für mehrere Stunden über die Bezirksgrenzen hinausgeführt; sie hätten auch keinen besonderen Bezug zum Bezirk oder einen innerhalb des Bezirkes gelegenen Ort gehabt. Vielmehr habe es sich um ihrer Natur nach bezirksübergreifende Dienstreisen und Dienstverrichtungen gehandelt. Im Übrigen habe es sich um außerordentliche Dienstverrichtungen gehandelt, die nach dem Gesetzessinn ohnehin nicht bei der Ermittlung der Pauschalsätze des § 39 RGV 1955 nF berücksichtigt worden sei. Der Sparsamkeitsgedanke, der für die Dienstbehörden offenbar maßgeblich gewesen sei, habe zu einer Gesetzesanwendung geführt, die dem Gesetz nicht entspreche.

2.2. Die Beschwerde ist berechtigt.

2.2.1. Vorab ist festzuhalten, dass die während der beiden im Beschwerdefall relevanten Dienstreisen bestehende (dienstrechtliche) Dienstzuteilung des Beschwerdeführers zur belangten Behörde (Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit) keine Auswirkungen auf die Beurteilung des von ihm geltend gemachten strittigen reisegebührlichen Anspruchs auf Tagesgebühr hat, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt des § 22 noch des § 39 Abs. 1 RGV 1955.

Diese Dienstzuteilung an die belangte Behörde während der vom Beschwerdeführer durchgeführten Zugskontrollen im Zusammenhang mit dem SDÜ ist nämlich keine Dienstzuteilung im reisegebührenrechtlichen Sinn nach § 2 Abs. 3 RGV 1955. Eine solche liegt - wie sich aus § 2 Abs. 3 und 5 in Verbindung mit § 22 RGV 1955 ergibt - nur dann vor, wenn der Beamte verpflichtet ist, vorübergehend seinen Dienst bei einer anderen Dienststelle zu leisten, die ihren Sitz außerhalb des Dienstortes hat, in der sich jene Dienststelle befindet, der der Beamte dauernd zur Dienstleistung zugewiesen ist. Eine Dienstzuteilung im Sinn des § 2 Abs. 3 RGV 1955 ist daher mit einem "Ortswechsel" verbunden, wobei vorübergehend an die Stelle des Dienstortes im Sinn des § 2 Abs. 5 RGV 1955 der (in einer anderen Ortsgemeinde liegende) (Dienst) Zuteilungsort tritt. Für die Dauer der Dienstzuteilung ist bei Dienstreisen (im Regelfall) die Dienststelle im Zuteilungsort Ausgangs- und Endpunkt für damit im Zusammenhang stehende reisegebührenrechtliche Ansprüche (vgl. § 2 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 5 und 16 ff RGV 1955, aber auch die Wahrungsregel nach § 23 Abs. 2 RGV 1955) sowie Anknüpfungspunkt für Ansprüche nach § 22 RGV 1955, die sich aus der Dienstzuteilung selbst ergeben.

Dafür, dass § 22 oder § 39 Abs. 1 RGV 1955 von einem anderen Begriff der Dienstzuteilung als in der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 3 RGV ausgehen, gibt es keinen Anhaltspunkt.

Nach der den beiden im Beschwerdefall maßgebenden Dienstreisen zugrundeliegenden generellen Anordnung der belangten Behörde und den konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden Dienstaufträgen bzw. Dienstvorschreibungen nachgeordneter Dienststellen war der Beschwerdeführer aber nicht verpflichtet, im "Zuteilungsort" (Sitz der belangten Behörde = Wien) vorübergehend seinen Dienst zu verrichten, sondern er hatte auf der Strecke Zell am See - Kitzbühel bzw. Schwarzach bestimmte Züge zu kontrollieren. Nach dem Inhalt der gegenständlichen Dienstaufträge liegt daher keine reisegebührenrechtlich relevante Dienstzuteilung, sondern eine Dienstreise im Sinn des § 2 Abs. 1 RGV 1955 vor. Die nach dieser Bestimmung hiefür erforderlichen Kriterien sind erfüllt. Für eine Dienstreise ist es ohne normative Bedeutung, ob der Beamte am Zielort oder während der Reisebewegung Dienst zu verrichten hat (vgl. dazu das hg Erkenntnis vom 13. Februar 1963, Zl. 609/62 = Slg. NF Nr. 5967/A). Ungeachtet der dienstrechtlichen (für die Klärung anderer Fragen wie z.B. der Vorgesetzteneigenschaft bedeutsamen) Dienstzuteilung des Beschwerdeführers zur belangten Behörde während dieser Zugskontrollen ist zur Beurteilung seines geltend gemachten reisegebührenrechtlichen Anspruches von seinem Dienstort im Sinn des § 2 Abs. 5 RGV 1955 bzw. dem damit festgelegten Bezirk im Sinn des § 39 Abs. 1 RGV 1955 auszugehen.

Das Nichtvorliegen einer Dienstzuteilung (im reisegebührenrechtlichen Sinn) des Beschwerdeführers schließt aber nicht schon von vornherein die Anwendung des § 39 Abs. 1 RGV 1955 aus. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofes ist der Pauschalvergütungsanspruch nach § 39 Abs. 1 RGV nicht davon abhängig, dass die vom dort umschriebenen Personenkreis (typischerweise) erbrachten "mit dem Exekutivdienst zusammenhängenden" (zeitlich mit 24 Stunden begrenzten) Dienstzuteilungen und (örtlich mit dem Bezirk bzw. dem größeren Überwachungsrayon begrenzten - im Folgenden kurz Bezirksreisen) Dienstreisen zwingend kumulativ gegeben sein müssen. Zwar ist eine Kumulation möglich, aber nicht notwendig erforderlich; der Pauschalvergütungsanspruch deckt auch den Fall einer bloßen Bezirksreise ohne Dienstzuteilung (im reisegebührenrechtlichen Sinn) ab, wie insbesondere aus der in der Bemessungsvorschrift enthaltenen Nennung der Bezirksgendarmeriekommandanten und der Referatsleiter der Bezirksgendarmeriekommanden folgt. Dies wird auch durch die Erläuterungen des Ausschusses zur Novelle BGBl. I Nr. 123/1998, 1321 Blg NR 20. GP, bestätigt, die den ersatzlosen Entfall des alten Abs. 5 der RGV 1955 (der die reisegebührenrechtliche Behandlung besonderer Einsätze mit und ohne Dienstzuteilung umfasste) damit begründete, dass die genannten Einsätze künftig durch die Pauschalvergütung nach der Neufassung des § 39 Abs. 1 RGV 1955 abgegolten werden. Dem Wort "und" in der obgenannten Wendung des § 39 Abs. 1 RGV 1955 kommt also die Bedeutung von "und/oder" zu.

2.2.2. Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die beiden in ihrer reisegebührenrechtlichen Beurteilung strittigen Dienstreisen jeweils im Dienstort des Beschwerdeführers (Zell am See) begonnen, über den politischen Bezirk Zell am See hinausgeführt und in seinem Dienstort geendet haben. Jede der während einer dieser beiden Dienstreisen durchgeführten mehreren Zugskontrollen war für sich "bezirksüberschreitend", d.h. der Streckenabschnitt, in dem die Zugskontrolle vom Beschwerdeführer jeweils durchgeführt wurde, lag zum Teil innerhalb, zum Teil außerhalb des politischen Bezirkes Zell am See.

Strittig ist, welcher Reisegebührenanspruch (hier: auf Tagesgebühr) dadurch entstanden ist. Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Gesamtdauer der Dienstreise für diesen Zweck in Zeitabschnitte, die der Beschwerdeführer im Bezirk und solchen, die er außerhalb desselben verbracht hat, zu untergliedern sei. Für den erstgenannten Zeitraum gebühre die Pauschalabgeltung nach § 39 Abs. 1 RGV 1955, für den letztgenannten sei die Beurteilung nach dem I. Hauptstück vorzunehmen. Begründet wird dies mit dem Prinzip der Einmalabgeltung eines allenfalls entstandenen Mehraufwandes sowie im Ergebnis mit der Regelung des § 22 Abs. 3 RGV 1955.

Diese Auffassung entspricht nicht dem Gesetz. Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass nicht nur jede Dienstreise in ihrer Gesamtheit betrachtet "bezirksüberschreitend" war, sondern dies auch für die einzelnen angeordneten Kontrollen bestimmter Züge im Rahmen der Dienstreise zutraf. Nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 RGV 1955 sind aber nur in zeitlicher (Dienstzuteilung von 24 Stunden) und/oder örtlicher Hinsicht (Bezirksreisen) begrenzte Sachverhalte von der Pauschalvergütung erfasst. Eine derartige örtliche Beschränkung wiesen aber die hier in Rede stehenden beiden Dienstreisen weder bei einer Gesamtbetrachtung, noch bei Berücksichtigung der einzelnen Teilkontrollen auf. Für die von den Dienstbehörden vorgenommene "Teilung" findet sich weder in § 39 Abs. 1 RGV 1955 noch in einer sonstigen Bestimmung ein normativer Ansatz. Der von der belangten Behörde ins Treffen geführte § 22 Abs. 3 RGV 1955 geht schon deshalb ins Leere, weil im Beschwerdefall - wie oben unter 2.2.1. gezeigt - kein Fall einer Dienstzuteilung im reisegebührenrechtlichen Sinn vorlag. Aber auch aus den vergleichbaren für Dienstreisen in § 17 RGV 1955 enthaltenen Bestimmungen lässt sich nichts für den Standpunkt der belangten Behörde gewinnen, weil im Beschwerdefall die strittigen Dienstreisen nicht einmal bei den einzelnen Zugskontrollen nach der Art ihrer Durchführung als Bezirksreisen (im Sinn des § 39 Abs. 1 RGV 1955) angesehen werden können. Damit lässt sich aber selbst dann nichts aus dem hinter § 17 Abs. 2 RGV 1955 stehenden Regelungsgedanken für die Konstellation im Beschwerdefall gewinnen, wenn man die dort angesprochenen Tagesgebühren nach Tarif I mit der Pauschalvergütung nach § 39 Abs. 1 RGV 1955 gleichsetzte.

Was das von der Behörde angeführte Verbot der Doppelabgeltung des Mehraufwandes im Sinn des RGV 1955 betrifft, dem u.a. auch die Bestimmung des § 39 Abs. 3 RGV 1955 verpflichtet ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. April 1997, Zl. 96/12/0323 = Slg. NF Nr 14655/A), liegt dessen (unmittelbare)Verletzung nicht vor, weil die vorliegenden Dienstreisen nicht von der Pauschalvergütung umfasst werden. Im Übrigen kann beim vorliegenden Sachverhalt (eine bezirksübergreifende Dienstreise pro Monat) auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer deshalb die der Pauschalabgeltung nach § 39 Abs. 2 RGV 1955 (im Durchschnitt) zugrundegelegten gebührenauslösenden Dienste nach § 39 Abs. 1 leg. cit. nicht erbringen kann, zumal diesem Monatspauschale ein längerer Beobachtungszeitraum der durchschnittlichen Aufwendungen für die in § 39 Abs. 1 leg. cit. erfassten Sachverhalte zugrunde liegt, der im Hinblick auf die sinngemäße Anwendbarkeit des § 15 Abs. 5 GG jedenfalls ein Kalenderjahr umfasst, in dem allfällige Monatsschwankungen ausgeglichen werden können.

3. Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und § 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000120098.X00

Im RIS seit

13.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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