TE Vfgh Erkenntnis 1998/10/15 B606/98

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Veröffentlicht am 15.10.1998
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Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Richtlinie des Rates vom 18.06.92. 92/50 / EWG, über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentl Dienstleistungsaufträge
AVG §76
ABGB §1294

Leitsatz

Keine willkürliche oder denkunmögliche Entscheidung des Bundesvergabeamtes betreffend die Versagung von Nachprüfungsverfahren bzw hinsichtlich der Gebühren für Sachverständige im Zuge der Vergabekontrolle öffentlicher Aufträge; keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler hinsichtlich Ermittlungsverfahren und Bescheidbegründung

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Das Bundesvergabeamt (BVA) hat der beschwerdeführenden Gesellschaft mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. Februar 1998 den Ersatz von Barauslagen vorgeschrieben, die durch Heranziehung eines Sachverständigen erwachsen waren, der in einem Nachprüfungsverfahren beigezogen worden war. In diesem Verfahren hatte das BVA entschieden, daß die beschwerdeführende Gesellschaft als Auftraggeberin den Zuschlag bei der Vergabe von näher bestimmten Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung der B 315 Reschenstraße, Südumfahrung Landeck, nicht dem Bestbieter erteilt hatte.

Gegen den Bescheid über den Kostenersatz für die Sachverständigengebühren richtet sich die Beschwerde, in der die Verletzung des Eigentumsrechtes und des Gleichheitsgrundsatzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Das BVA legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

a) Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985, 11650/1988) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).

b) Der Bescheid stützt sich auf §76 AVG; ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung sind Bedenken weder vorgebracht worden, noch aus Anlaß dieses Verfahrens sonst entstanden. Die beschwerdeführende Gesellschaft wirft der belangten Behörde allerdings vor, das Vorliegen eines Verschuldens im Sinne des §76 Abs2 AVG angenommen zu haben, "ohne sich damit auch nur im geringsten auseinanderzusetzen bzw. zu begründen, worin ihrer Auffassung nach das Verschulden zu erblicken ist und ohne diesbezügliche Feststellungen zu treffen". Auch sei die beschwerdeführende Gesellschaft nicht angehört worden.

Es mag sein, daß der Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet ist, in die Verfassungssphäre der beschwerdeführenden Gesellschaft greift er aber nicht ein.

Die Behörde hat in ihrer Entscheidung explizit ausgesprochen, daß die vergebende Stelle ein Verschulden an der Fehlvergabe trifft und im Zusammenhang mit der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung wird deutlich, daß die belangte Behörde angenommen hat, der Fehler der vergebenden Stelle gründet sich auf den Mangel der gehörigen Aufmerksamkeit (§1294 ABGB). Die Entscheidung des BVA ist somit weder als denkunmöglich noch als willkürlich zu qualifizieren; ob das Verfahren in jeder Hinsicht rechtmäßig geführt wurde und ob die Entscheidung rechtsrichtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof ungeachtet des Umstandes nicht zu prüfen, daß die bekämpfte Entscheidung beim Verwaltungsgerichtshof nicht angefochten werden kann (vgl. VfSlg. 12697/1991 mwH).

c) Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Vergabewesen, Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren, EU-Recht Richtlinie, Bescheidbegründung, Kostenersatz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B606.1998

Dokumentnummer

JFT_10018985_98B00606_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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