TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/18 98/18/0172

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Veröffentlicht am 18.09.2001
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §56;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 lita idF 1995/507;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des F M in N, vertreten durch Dr. Hanno Preissecker, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Habsburgergasse 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. März 1998, Zl. 9 570 599/5- III/12/98, betreffend Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 25. Februar 1998 (die im angefochtenen Bescheid enthaltene Datierung mit 18. Februar 1998 beruht offensichtlich auf einem Versehen) hat die österreichische Botschaft in Bangkok (die erstinstanzliche Behörde) gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. a des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839 idF BGBl. Nr. 507/1995, (im Folgenden: PassG) den für den Beschwerdeführer am 1. Februar 1996 mit Gültigkeit bis 31. Jänner 2006 ausgestellten Reisepass Nr. A entzogen.

Der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung vom 3. März 1998 gab der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 25. März 1998 gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 26. Jänner 1996 bei der erstinstanzlichen Behörde die Ausstellung eines österreichischen Reisepasses beantragt, der ihm von dieser Behörde am 1. Februar 1996 in Unkenntnis des gegen ihn in Österreich laufenden Strafverfahrens ausgestellt worden sei. In der Begründung ihres Bescheides habe die erstinstanzliche Behörde angeführt, dass in dem beim Landesgericht für Strafsachen Wien anhängigen Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer der Vorwurf der Begehung der Vergehen nach den §§ 158, 159 StGB, der strafbaren Handlungen nach § 114 ASVG, § 33 Abs. 1, Abs. 2 lit. a, b, Abs. 3 FinStrG und des Verbrechens gemäß den §§ 146 ff StGB erhoben worden wäre, weil er als Geschäftsführer von in dieser Bescheidbegründung näher bezeichneten Unternehmen die dort näher beschriebenen Handlungen und Unterlassungen gesetzt hätte.

Der Beschwerdeführer sei zu diesen Vorwürfen am 15. Mai 1992 vom Bezirksgericht Hollabrunn als Beschuldigter vernommen worden und habe somit nachweislich vom Strafverfahren Kenntnis erlangt, es jedoch bisher unterlassen, geeignete Schritte zu unternehmen, um eine Bereinigung der Angelegenheit herbeizuführen. Am 26. Februar 1993 habe er sich von seiner Wohnadresse in Österreich abgemeldet, sei unter Benützung seines Reisepasses nach Thailand übersiedelt und habe sich somit der eingeleiteten Strafverfolgung entzogen.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass Fluchtgefahr nicht vorläge, weil er mehrere Unternehmen in Thailand hätte und sich deshalb der Behörde nicht entziehen könnte oder wollte. Sollte seine Anwesenheit in Österreich erforderlich sein, würde er nach Österreich reisen.

Zu diesem Berufungsvorbringen sei festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer nach der besagten Vernehmung vom 15. Mai 1992 um eine Bereinigung seiner Strafsache hätte kümmern müssen. Wie sich jedoch laut Mitteilung des ausschreibenden Gerichtes und auf Grund neuerlicher Erhebungen der belangten Behörde ergeben habe, sei von ihm seit 1992 nichts in dieser Hinsicht unternommen worden. Auch die Akteneinsicht seines Rechtsvertreters am 20. Jänner 1998 habe nicht dazu geführt, dass sich der Beschwerdeführer zur Bereinigung seiner Strafsache mit dem Gericht in Verbindung gesetzt hätte. In Bezug auf die vom Beschwerdeführer angesprochene Einreise in das Bundesgebiet, wofür er einen Reisepass benötigen würde, sei der belangten Behörde von der erstinstanzlichen Behörde bereits mit Telefax vom 4. März 1998 bekannt gegeben worden, dass der Beschwerdeführer auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Reisepasses gemäß § 4a PassG, zeitlich und örtlich eingeschränkt, für die Dauer einer Woche aufmerksam gemacht worden wäre. Sohin wären seiner Einreise in das Bundesgebiet zwecks Bereinigung seiner Angelegenheit keine Hindernisse entgegengestanden. Es könne daher auch seiner Aussage, nach Österreich reisen zu wollen, kein Glauben geschenkt werden. Gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag gehe die belangte Behörde weiterhin davon aus, dass er seinen Reisepass benützen wolle, um sich auch in Zukunft der gegen ihn eingeleiteten Strafverfolgung zu entziehen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 15 Abs. 1 PassG ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. a leg. cit. ist die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist, eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung im Inland zu entziehen.

2.1. Die Beschwerde bringt vor, es sei zwar richtig, dass der Beschwerdeführer am 15. Mai 1992 durch das Bezirksgericht Hollabrunn vernommen worden sei, er habe jedoch weder in den Monaten bis zu seiner Übersiedlung nach Thailand noch danach eine behördliche Ladung oder Verständigung (in Bezug auf das Strafverfahren) erhalten, obwohl sein Aufenthaltsort seiner Vertretungsbehörde immer bekannt gewesen sei. Ferner sei der gegen ihn erlassene Haftbefehl am 3. April 1998 widerrufen worden.

2.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Die belangte Behörde stützte ihre Annahme, dass der Beschwerdeführer seinen Reisepass benützen wolle, um sich auch in Zukunft der gegen ihn eingeleiteten Strafverfolgung zu entziehen, darauf, dass er laut Mitteilung des ausschreibenden Gerichtes seit seiner - unbestritten am 26. Februar 1993 erfolgten - Übersiedlung nach Thailand nichts zur Ordnung seiner strafrechtlichen Angelegenheit unternommen habe und auch nicht im Jahr 1998 nach Österreich zurückgereist sei oder sich mit dem Gericht in Verbindung gesetzt habe.

Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, leitete die Behörde, nachdem ihr bekannt geworden war, dass gegen den Beschwerdeführer ein Haftbefehl wegen Fluchtgefahr erlassen worden war (vgl. das Schreiben der erstinstanzlichen Behörde an die belangte Behörde vom 23. Dezember 1997 und deren Antwortschreiben vom 23. Jänner 1998) das Passentziehungsverfahren ein. Weiters befindet sich in den vorgelegten Verwaltungsakten das Schreiben des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. April 1998 an die Wirtschaftspolizei in Wien, womit das Ersuchen vom 31. Oktober 1995, den Beschwerdeführer auf Grund eines Haftbefehls wegen Vergehen nach den §§ 159 StGB, 114 ASVG zu verhaften, widerrufen wurde. Ferner befindet sich in den vorgelegten Verwaltungsakten ein Schreiben der belangten Behörde vom 15. April 1998 (laut darauf gesetztem Vermerk am 17. April 1998 bei der erstinstanzlichen Behörde eingegangen), demzufolge das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Schreiben vom 29. April 1998 (offensichtlich gemeint: 9. April 1998) mitgeteilt habe, dass der gegen den Beschwerdeführer erlassene Inlandshaftbefehl mit 6. April 1998 widerrufen worden sei. Gemäß § 176 Abs. 1 StPO hat der Untersuchungsrichter in den Fällen des § 175 leg. cit. gegen den eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen einen mit Gründen versehenen Haftbefehl zu erlassen. Einer der im § 175 leg. cit. angeführten Fälle ist jener (Abs. 1 Z. 2), dass der Verdächtige flüchtig ist oder sich verborgen hält oder dass auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde wegen der Größe der ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten. Ein Haftbefehl ist dann zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für seine Erlassung nicht (mehr) vorliegen. Im Hinblick darauf legt der Widerruf des besagten Haftbefehls durch das Landesgericht für Strafsachen Wien den Schluss nahe, dass in dem gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahren kein Grund mehr für eine Befürchtung gesehen wurde, dass er flüchten oder sich verborgen halten wolle.

Wenn auch die belangte Behörde die Frage des Vorliegens eines Passversagungs- bzw. Passentziehungsgrundes ausschließlich aus dem Blickwinkel des Passgesetzes zu beurteilen hat, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde, die sich bei ihren im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen u.a. auf eine Mitteilung des ausschreibenden Gerichtes (vgl. oben I.1.) gestützt hat, unter Berücksichtigung des in der Beschwerde relevierten Umstandes, dass mittlerweile der Haftbefehl widerrufen worden sei, auf dem Boden einer im Sinn dieser Beschwerdebehauptung getroffenen Feststellung zur Auffassung gelangt wäre, dass die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. a PassG umschriebene Annahme nicht (mehr) gerechtfertigt sei.

Das vorzitierte Beschwerdevorbringen verstößt auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG), wurde doch laut den durch die vorgelegten Verwaltungsakten insoweit nicht widerlegten Beschwerdeangaben der angefochtene Bescheid am 18. April 1998, somit erst nach Kenntnisnahme der belangten Behörde vom besagten Widerruf des Haftbefehles, zugestellt und damit erlassen, sodass der Umstand des Widerrufs des Haftbefehls von der Behörde von Amts wegen noch hätte berücksichtigt werden müssen.

3. Auf dem Boden der vorstehenden Erwägungen erweist sich der im angefochtenen Bescheid festgestellte Sachverhalt daher in einem wesentlichen Punkt als ergänzungsbedürftig, weshalb jener gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. September 2001

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Verfahrensmängel Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998180172.X00

Im RIS seit

13.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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