RS UVS Oberösterreich 2005/09/15 VwSen-240556/2/Ste

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Veröffentlicht am 15.09.2005
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Rechtssatz

Gemäß § 4 Abs.2 des AIDS-Gesetzes 1993, BGBl.I Nr. 728/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl.I Nr. 98/2001, haben sich Personen - neben den nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StBl.Nr. 152/1945, und auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen vorgeschriebenen Untersuchungen - vor der Aufnahme einer Tätigkeit, die mit der gewerbsmäßigen Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder der gewerbsmäßig Vornahme sexueller Handlungen an anderen verbunden sind, einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen. Nach § 9 Abs.1 Z2 AIDS-Gesetz 1993 begeht ua. diejenige Person eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 7.260 Euro zu bestrafen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor Beginn dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 4 Abs.2 zu unterziehen.

Nach §§ 12 Abs.2, 11 Abs.2 des Geschlechtskrankheitengesetzes, StGBl. Nr. 152/1945, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl.I Nr. 98/2001, und § 1 der Verordnung über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, begeht diejenige Person eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 70 Euro zu bestrafen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor Beginn dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung über das Freisein von Geschlechtskrankheiten unterzogen zu haben.

Nach § 44a Z1 VStG in jener Ausprägung, die diese Bestimmung durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) erfahren hat, muss der Spruch des Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat derart konkretisieren, dass die Beschuldigte einerseits in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und sie andererseits rechtlich davor geschützt wird, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. , Anm. zu § 44a VStG, S 1520 ff). Der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, hat die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung zu dieser Bestimmung dargelegt hat, ist, um den Anforderungen dieser Gesetzesstelle zu entsprechen, im Spruch die Tat hinsichtlich der Täterin und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

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die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

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die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Dem § 44a Z1 VStG ist dann entsprochen, wenn aufgrund der Tatumschreibung es der Beschuldigten ermöglicht wird, im Verwaltungsstrafverfahren in der Lage zu sein, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

Diesen Erfordernissen wird das angefochtene Straferkenntnis schon insofern nicht gerecht, als der Tatzeitpunkt nicht mit hinreichender Genauigkeit angeführt wurden. Bei der vorgeworfenen Tathandlung scheint ein Tatzeitraum von einem Tag - noch dazu bei den gegebenen Unklarheiten hinsichtlich des tatsächlichen Tatzeitpunkts - nicht hinreichend, um die Verteidigungsrechte der Bwin zu wahren. Dies umso mehr, als gerade auch der zeitliche Ablauf der Geschehnisse nicht hinreichend geklärt scheint. Der angeführte Tatzeitraum umfasst - gerade auch bei den üblichen Öffnungszeiten einer Tanzbar - einen potenziellen Zeitraum von 24 Stunden. Die Tat könnte sich demnach sowohl in der Nacht vom 25. auf 26. Februar, nämlich am 26. Februar nach 0.00 Uhr (bis zur Sperrstunde der Bar am frühen Morgen), als auch in der Nacht vom 26. auf 27. Februar, nämlich am 26. Februar (nach der Öffnung der Bar) bis 24.00 Uhr ereignet haben. Schon daraus wird ersichtlich, dass im vorliegenden Fall eine nähere Tatzeitumschreibung vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage unumgänglich war.

Darüber hinaus haften dem Spruch noch weitere wesentliche Mängel an:

Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenats genügt es bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat nicht, lediglich den Gesetzestext (die verba legalia) der angewendeten Gesetzesbestimmung wiederzugeben. Bei den genannten Verwaltungsübertretungen, deren Tatbestand ganz wesentlich jeweils auch die "Gewerbsmäßigkeit" umfasst, muss die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat auch diese Gewerbsmäßigkeit näher beschreibende Umstände enthalten. Schon der Spruch müsste erkennen lassen, worin die "Gewerbsmäßigkeit" bestanden hat. Eine Aussage, dass die Bwin für ihre Tätigkeit oder Duldung ein Entgelt erhielt und dies - bei erstmaliger Begehung - zumindest in Wiederholungsabsicht tat, fehlt jedoch. Dies wiegt umso schwerer, als auf die Frage der Gewerbsmäßigkeit auch in der Begründung des Straferkenntnisses der belangten Behörde nicht näher eingegangen wurde.

Weiters findet der Tatvorwurf im Punkt 1 "ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Untersuchung unterzogen zu haben" (Hervorhebung nicht im Original) im Gesetz keine Deckung. Ob dieser Mangel wesentlich ist oder ob es sich dabei um eine berichtigungsfähigen Fehler handelt, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Zitat der verletzten Rechtsvorschrift im Punkt 1 fehlt und im Punkt 2 falsch und unvollständig ist (der Titel und das Zitat der Verordnung lauten richtig: "Verordnung über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl. Nr. 314/1974, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 591/1993"). Die im Spruch tatsächlich anführte "Verordnung über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die mit ihrem Körper gewerbsmäßige Unzucht treiben, BGBl. Nr. 591/1993" gibt es nicht. Nach der Judikatur des VwGH ist auch dadurch dem Gebot des § 44a Z. 2 VStG nicht entsprochen (vgl. zB VwSlg. 13.623 A/1992, VwGH vom 26.4.1995, 92/07/0173).

Weil der Tatvorwurf im angefochtenen Straferkenntnis iSd. obigen Ausführungen nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats so mangelhaft ist, dass er nicht berichtigt werden kann, war das Straferkenntnis schon allein aus diesem Grund aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Da inzwischen bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist, kam eine Spruchkorrektur in diesem Umfang durch den Unabhängigen Verwaltungssenat schon von vornherein nicht in Betracht.

Im gesamten Strafverfahren wurde der Bwin darüber hinaus vorgeworfen, sexuelle Handlungen am eigenen Körper geduldet und solche an anderen vorgenommen zu haben. Tatsächlich kann allerdings nicht nachgewiesen werden, dass es zwischen der Bwin und dem Zeugen tatsächlich zu einer sexuellen Handlung gekommen ist. Auch fehlen wohl nähere Details zur Fragen, welches der beiden Tatbilder oder ob tatsächlich beide Tatbilder verwirklicht wurden.

Bei diesem Ergebnis braucht in rechtlicher Hinsicht auf die weiteren Tatbestandsmerkmal ("gewerbsmäßig" und "ohne amtsärztliche Untersuchung") nicht mehr eingegangen zu werden.

Gleiches gilt für die Frage, ob allenfalls ein Versuch vorliegen könnte, weil weder das AIDS-Gesetz 1993 noch das Geschlechtskrankheitengesetz eine entsprechende Strafbestimmung kennen (vgl. § 8 VStG).

Vor diesem Hintergrund war der vorliegenden Berufung daher gemäß § 24 VStG iVm. § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen, ohne dass auf die weiteren Vorbringen der Bwin inhaltlich eingegangen werden musste.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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