TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/18 2001/18/0121

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.2001
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/02 Staatsbürgerschaft Staatenlosigkeit;

Norm

AsylG 1997 §5 Abs1;
AsylG 1997 §5 idF 1999/I/004;
Dubliner Übk 1997 Art3 Abs4;
FrG 1997 §33;
FrG 1997 §34;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §75 Abs2;
MRK Art3;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2001/18/0126 E 18. September 2001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde der LS in N, geboren am 10. Oktober 1973, vertreten durch Dr. Alexander Koch, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Schillerstraße 1, als beigegebenen Verfahrenshelfer, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. März 2001, Zl. St 126/00, betreffend Zurückweisung eines Antrages gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 28. März 2001 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Unzulässigkeit ihrer Abschiebung nach Italien gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, als unzulässig zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, habe am 13. Mai 1999 beim Bundesasylamt einen Asylantrag eingebracht. Dieses habe den Asylantrag gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass zur Prüfung des Asylantrages Italien zuständig sei. Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung habe der unabhängige Bundesasylsenat bereits rechtskräftig entschieden.

Die Erstbehörde habe die Zurückweisung des Feststellungsantrages im Wesentlichen mit § 75 Abs. 1 FrG begründet. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Antrag bzw. in ihrer Berufung darauf hingewiesen, dass die italienische Rechtsordnung tatsächlich keine Möglichkeit bieten würde, einen Refoulementschutz zu aktivieren bzw. durchzusetzen. Die Beschwerdeführerin habe in weiterer Folge angeregt, die Bestimmungen des § 5 Abs. 1, 2 und 3 AsylG auf ihre Verfassungsgemäßheit insbesondere hinsichtlich Art. 3 und 13 EMRK sowie Art. 83 Abs. 2 B-VG überprüfen zu lassen.

Die belangte Behörde habe erwogen: Gemäß § 75 Abs. 1 FrG habe auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 leg. cit. bedroht sei. Dies gelte nicht, insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliege oder diese festgestellt habe, dass für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung bestehe. Im Fall der Beschwerdeführerin liege eine rechtskräftige § 5 AsylG-Entscheidung vor. Das Bundesasylamt habe festgestellt, dass zur Prüfung ihres Asylantrages Italien zuständig sei. Italien sei nicht nur ein Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern habe darüber hinaus auch das Dublin-Übereinkommen anzuwenden. Dieses Übereinkommen bzw. die Schengen-Bestimmungen überhaupt verpflichteten die Mitgliedstaaten zu besonders strenger und normierter Prüfung eines Asylantrages, weshalb schon vor diesem Hintergrund nicht die Gefahr bestehe, dass die Beschwerdeführerin vor ausreichender Prüfung ihrer Asylgründe in ihren Heimatstaat abgeschoben werde.

"§ 71 Abs. 1 letzter Satz FrG" (richtig: § 75 Abs. 1 letzter Satz FrG) normiere, dass ein subjektives Recht auf Feststellung nach § 75 Abs. 1 FrG dann nicht gelten solle, wenn eine Asylbehörde festgestellt habe, dass für einen Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung bestehe. Wenn nun schon diese "Drittstaat-Sicherheit" (§ 4 AsylG-Bescheid) ausreiche, um einen Antrag gemäß § 75 Abs. 1 FrG als unzulässig zurückzuweisen, müsse umso mehr ein § 5 AsylG-Bescheid (vertragliche Unzuständigkeit) ausreichen, um einen derartigen Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Auf Grund der gesetzlichen Anordnung des § 75 Abs. 1 letzter Satz FrG könne der Antrag der Beschwerdeführerin daher nur zurückgewiesen werden bzw. müsse der erstinstanzliche Bescheid bestätigt werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass sie beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Mai 2000 eingebracht habe, sodass dieser noch nicht rechtskräftig sei. Da somit die Voraussetzungen des § 75 Abs. 1 letzter Satz FrG nicht vorlägen, sei die von der belangten Behörde auf Grund der zitierten Bestimmung vorgenommene Zurückweisung des Feststellungsantrages unzulässig.

Das sogenannte Refoulement-Verbot gehöre zu den zentralen Punkten des internationalen Schutzrechtes für Flüchtlinge und sei verfassungsgesetzlich bzw. völkerrechtlich u.a. in Art. 3 EMRK sowie in Art. 33 Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention verankert. Durch § 57 Abs. 1 und 2 FrG seien diese materiellen Refoulement-Schutznormen auf die einfachgesetzliche, innerstaatliche Rechtsebene transformiert worden. Das Prinzip des Non-Refoulement sei auch dann verletzt, wenn ein Fremder Gefahr laufe, im Wege der Abschiebung über dritte Staaten letztlich doch in jenen Staat gebracht zu werden, in welchem er konkret von einer im Widersprich zu Art. 3 EMRK oder Art. 33 Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention stehenden Verfolgung bedroht wäre. Die Ausdehnung des Refoulement-Schutzes auf die sogenannte Kettenabschiebung sei auch in § 4 Abs. 2 AsylG ausdrücklich verankert.

§ 75 Abs. 1 FrG ordne an, dass die Behörde auf Antrag eines Fremden festzustellen habe, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei. Ein solcher Antrag könne auch dann gestellt werden, wenn der betreffende Fremde gleichzeitig einen Asylantrag gestellt habe. Trotz Abweisung eines Asylantrages habe daher ein Fremder die Möglichkeit, Schutz vor Abschiebung in einen nicht refoulement-sicheren Drittstaat durch Antragstellung nach § 75 Abs. 1 erster Satz FrG zu begehren. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Asylbehörde eine Prüfung nach § 4 AsylG vornehme. In diesem Fall habe die Asylbehörde ohnehin auf Grund der ausdrücklichen Anordnung im § 4 Abs. 2 leg. cit. zu prüfen, ob der Fremde in dem in Rede stehenden Drittstaat "Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat - auch im Wege über andere Staaten - habe".

Vor diesem rechtlichen Hintergrund sei die Frage zu beantworten, ob auch in einem Verfahren nach § 5 AsylG in Bezug auf den dort für eine Ausweisung des Fremden in Betracht kommenden Drittstaat, der ein Vertragsstaat des Dubliner Übereinkommens sein müsse, analog zu § 4 Abs. 2 leg. cit. eine Prüfung zu erfolgen habe, ob der betreffende (asylwerbende) Fremde in diesem "Dublin-Drittstaat" Refoulement-Schutz genieße. Genau dieses Recht habe die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Asylverfahren für sich geltend gemacht und durch eine Antragstellung nach § 75 Abs. 1 FrG ausdrücklich effektuiert. Sie sei der Auffassung, dass dieses Recht auf Schutz vor Abschiebung in einen nicht refoulementsicheren Drittstaat auch dann zum Tragen kommen müsse, wenn dieser Drittstaat gleichzeitig auch ein Vertragsstaat des Dubliner Übereinkommens sei. Art. 3 EMRK gebiete im gegenständlichen Fall, die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften so auszulegen, dass ein Recht der Beschwerdeführerin darauf bejaht werde, dass im gegenständlichen Asylverfahren eine Prüfung erfolgen müsse, ob die Beschwerdeführerin in Italien "Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat (Jugoslawien/Kosovo) - auch im Wege über andere Staaten - habe" (§ 4 Abs. 2 AsylG). Daran ändere auch der durch die AsylG-Novelle 1998 angefügte Abs. 3 des § 5 AsylG nichts, wonach eine Ausweisung gemäß Abs. 1 und 2 leg. cit. stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, der Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat gelte. Auch in einem solchen Fall müsse der betroffene Fremde berechtigt bleiben, die Ausweisungsentscheidung anzufechten und die Gründe darzulegen, wieso seines Erachtens die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Vertragsstaat nicht zulässig sei. Lägen in einem Vertragsstaat, im vorliegenden Fall Italien, die den "Refoulement-Schutz" betreffenden Voraussetzungen des Art. 3 EMRK nämlich nicht vor, so sei § 5 Abs. 3 AsylG verfassungswidrig. Die Zusicherung, einander wechselweise als sichere Drittstaaten anzuerkennen und den völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, bedeute nicht, dass die Rechts- oder Verwaltungspraxis dieser Zusicherung und dieser völkerrechtlichen Verpflichtung entspreche. Weder die italienische Rechtsordnung noch die italienische Verwaltungspraxis gewährten einen den Ansprüchen des Art. 3 EMRK genügenden Refoulement-Schutz. Im Fall einer Abschiebung nach Italien müsste die Beschwerdeführerin daher damit rechnen, keinen solchen Schutz zu genießen und in einen Drittstaat bzw. ihren Heimatstaat abgeschoben zu werden. In ihrer Heimat müsse die Beschwerdeführerin aber mit unmenschlicher Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK rechnen, weil Flüchtlinge als Verräter angesehen würden. Die Lage in ihrer Heimat sei nach wie vor besorgniserregend und instabil und von Gewalt und zahlreichen Morden gekennzeichnet, denen ethnische und politische Motive zu Grunde lägen.

2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf.

§ 75 Abs. 2 FrG normiert, dass der Antrag nach § 75 Abs. 1 leg. cit. nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden kann.

Nach § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 leg. cit. erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden.

§ 5 Abs. 2 leg. cit. normiert, dass gemäß Abs. 1 auch vorzugehen ist, wenn ein anderer Staat vertraglich dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist.

Nach § 5 Abs. 3 AsylG idF BGBl. I Nr. 4/1999 gilt eine Ausweisung gemäß Abs. 1 und Abs. 2 stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat.

Zur Frage, ob eine Ausweisung im Sinn des § 75 Abs. 2 FrG auch eine solche nach § 5 AsylG umfasst, ist Folgendes auszuführen: Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 8. März 2001, G 117/00 u.a., betreffend Anträge des unabhängigen Bundesasylsenates, in § 5 AsylG idF BGBl. I Nr. 4/1999, den letzten Satz des Abs. 1 und den gesamten Abs. 3 als verfassungswidrig aufzuheben - im Hinblick auf eine allenfalls Art. 83 Abs. 2 B-VG widersprechende Zuständigkeitskonkurrenz zwischen Asylbehörden und Fremdenbehörden - die Auffassung vertreten, dass es sich bei der in § 5 leg. cit. vorgesehenen Ausweisung durch das Bundesasylamt um ein "eigenes Rechtsinstitut" handle, das zu den im §§ 33 f FrG normierten Ausweisungen "hinzutritt" (vgl. hiezu bereits das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0424).

Daraus folgt, dass die mit der Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 5 Abs. 1 letzter Satz AsylG zu verbindende Ausweisung von § 75 Abs. 2 FrG nicht umfasst ist und daher ein Antrag nach § 75 Abs. 1 leg. cit. während der Anhängigkeit eines Verfahrens gemäß § 5 AsylG idF BGBl. I Nr. 4/1999 nicht in Betracht kommt.

Die belangte Behörde hat daher mangels eines Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung nach §§ 33 f FrG (oder eines Aufenthaltsverbotes) zu Recht den Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Unzulässigkeit ihrer Abschiebung nach Italien zurückgewiesen.

Was die in der vorliegenden Beschwerde geäußerten Bedenken in Ansehung des Art. 3 EMRK betrifft, so ist der Verfassungsgerichtshof in dem vorzitierten Erkenntnis zum Ergebnis gekommen, dass sich aus Art. 3 Abs. 4 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrages (Dubliner Übereinkommen), BGBl. III Nr. 165/1997, eine - durchsetzbare - Verpflichtung Österreichs ergibt, von dem dort vorgesehenen Eintrittsrecht hinsichtlich der Prüfung eines Asylantrages Gebrauch zu machen, falls stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Asylwerber in dem nach dem Dubliner Übereinkommen zuständigen Vertragsstaat Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. (Vgl. zum Ganzen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 2001, Zl. 98/18/0306.)

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich auch ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 18. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001180121.X00

Im RIS seit

19.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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