Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales (nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 2. Juli 1999, Zl. VwSen-250733/2/Kon/Pr, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem AuslBG (mitbeteiligte Partei: S in S, Dorf 19), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 17. September 1998 wurde der Mitbeteiligte gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Geldstrafe in Höhe von S 30.000,-- bestraft, weil er am 22. Juli 1997 im Betrieb "R-Stüberl" in E, B-Gasse 21 anlässlich einer Kontrolle durch die Organe des Arbeitsinspektorates diesen Organen die Auskunft über die Identität einer beim Staubsaugen angetroffenen, offensichtlich ausländischen weiblichen Person verweigert habe, obwohl die Behörden berechtigt sind, die Identität solcher Personen zu überprüfen.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Juli 1999 behob die belangte Behörde das angefochtene erstinstanzliche Straferkenntnis ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung gemäß § 66 Abs. 4 AVG und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG ein.
Die belangte Behörde ging dabei vom Vorliegen einer rechtzeitig erhobenen Berufung und in der Sache selbst im Wesentlichen davon aus, dass § 26 Abs. 1 den Arbeitgeber verpflichte, den in dieser Bestimmung genannten Behörden auf deren Verlangen die dort näher umschriebenen Informationen bekannt zu geben. Es bedürfe nach § 44 a VStG der Angabe aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale im Schuldspruch, die zur Konkretisierung und Individualisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Rechtsvorschrift erforderlich sei. Diesen Anforderungen werde der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses nicht gerecht, weil es erforderlich gewesen wäre, im Schuldspruch anzuführen, dass der beschuldigte Mitbeteiligte in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber verpflichtet gewesen wäre, den Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländerin bekannt zu geben und dass die Organe des Arbeitsinspektorates dies von ihm vergeblich verlangt hätten. Diese Angaben fehlten ebenso wie auch die Behauptung, der Mitbeteiligte habe die betretene ausländische Person beschäftigt. Da die Spruchmängel infolge der zwischenzeitig eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr sanierbar gewesen seien, sei das Verfahren einzustellen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 Abs. 2 B-VG i.V.m. § 28a Abs. 1 AuslBG gestützte Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit dem Antrag, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben. Im Wesentlichen wird dies damit begründet, die belangte Behörde sei zu Unrecht von der Rechtzeitigkeit der vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung ausgegangen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Mitbeteiligte beteiligte sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist ersichtlich, dass das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 17. September 1998 dem Mitbeteiligten zweifach zugestellt wurde, und zwar sowohl unter der Anschrift E, B-Gasse 21 als auch unter der - von ihm anlässlich seiner Vernehmung durch die Behörde erster Instanz am 2. Dezember 1997 angegebenen - Anschrift St, Dorf 19. Während die Zustellung in E nach dem Postfehlbericht vom 21. September 1998 nicht durchgeführt werden konnte, wurde die Postsendung in St hinterlegt, wobei als letzter Tag der Abholfrist der 22. September 1998 angegeben worden war. Nach Erhebungen der belangten Behörde wurde dieses Poststück in der Folge vom Mitbeteiligten am 2. Oktober 1998 behoben. Die vom Mitbeteiligten erhobene Berufung wurde am 15. Oktober 1998 (eingeschrieben) zur Versendung gebracht.
Vorweg ist klarzustellen, dass es im vorliegenden Beschwerdefall nicht darum geht, dass Zustellungen nicht dem Gesetz entsprechend vorgenommen worden wären, sondern darum, ob es eine zulässige Vorgangsweise der Behörde erster Instanz war, die Zustellung des Straferkenntnisses gleichzeitig an zwei verschiedenen Anschriften (Abgabestellen im Sinne des Zustellgesetzes) des Mitbeteiligten zu verfügen.
Gemäß § 13 Abs. 1 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, ist eine Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen.
Gemäß § 4 ZustG ist Abgabestelle nach diesem Bundesgesetz der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort. Dabei stehen die in dieser Gesetzesstelle genannten Abgabestellen in keiner Rangordnung zueinander. Daher wurde vom Verwaltungsgerichtshof auch keine Unzulässigkeit der Zustellung an einer Abgabestelle erblickt, wenn zur gleichen Zeit an einer anderen Abgabestelle zulässig zugestellt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 94/06/0126). Vielmehr entspricht es dem Regelungszweck des Zustellgesetzes, dass das Poststück den Empfänger mit der größtmöglichen Sicherheit erreicht. In diesem Sinne sieht sogar § 8 Abs. 2 ZustG im Falle der Unterlassung der Mitteilung der neuen Abgabestelle durch den Beteiligten gemäß Abs. 1 leg. cit. erst die Möglichkeit der Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vor, wenn eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Dadurch wird die Behörde verpflichtet, ihre allenfalls vorhandenen Kenntnisse über die tatsächliche Abgabestelle zu verwerten. Im Beschwerdefall war ihr die Anschrift des Mitbeteiligten in St, bekannt, so dass nicht einzusehen gewesen wäre, dieses Wissen nicht unverzüglich im Sinne der größtmöglichen Sicherheit und Raschheit der Zustellung einzusetzen. Daran ändert auch § 6 ZustG nichts, der vorsieht, dass die erste Zustellung maßgebend ist, wenn das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt wurde, schließt diese Bestimmung doch eine gleichzeitige Zustellung nicht aus. Im Beschwerdefall kommt noch hinzu, dass in Wahrheit nur eine gültige Zustellung erfolgt ist (nämlich in St), so dass diese Bestimmung gar nicht zum Tragen kommt.
Eine Gesetzesbestimmung des Inhaltes, eine gleichzeitige Verfügung der Zustellung an verschiedenen Orten sei unzulässig - wie dies von der Behörde erster Instanz anlässlich der Erhebungen der belangten Behörde zur Rechtzeitigkeit der Berufung behauptet hat - findet sich nicht.
Die belangte Behörde hätte die Berufung des Mitbeteiligten daher nicht ohne Weiteres als rechtzeitig ansehen dürfen und sich - bei Wahrung des Parteiengehörs (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 95/21/0732) - damit befassen müssen, wann der Bescheid der Erstbehörde dem Mitbeteiligten erstmals gültig zugestellt worden ist.
Da sie aber ohne solche Ermittlungen das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG eingestellt hat, belastete sie ihren Bescheid - trotz der mittlerweile mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1999, G 249/98, erfolgten Aufhebung des § 26 Abs. 4 AuslBG - mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.
Das Unterbleiben einer Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf § 47 Abs. 4 VwGG.
Wien, am 19. September 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999090228.X00Im RIS seit
22.11.2001