TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/19 2000/16/0761

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Veröffentlicht am 19.09.2001
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Index

DE-32 Steuerrecht Deutschland;
yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen
sind;
21 Handelsrecht und Wertpapierrecht;
21/01 Handelsrecht;
21/02 Aktienrecht;
32/06 Verkehrsteuern;
32/08 Sonstiges Steuerrecht;

Norm

AktG 1965 §17 Z4 idF 1998/I/125;
AktG 1965 §173;
AktG 1965 §8 Abs1 idF 1998/I/125;
AktG 1965 §8 Abs3 idF 1998/I/125;
AktG 1965 §9 Abs1 idF 1998/I/125;
Euro-JuBeG 01te 1998;
KapBG §4 Abs1 idF 1998/I/125;
KapBG §4 idF 1998/I/125;
Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 1966 §2;
KVG 1934 §2 Z1;
KVG 1934 §2 Z2;
KVStG-D 1972 §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der P AG in R, vertreten durch die Exinger GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Wien I, Friedrichstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 21. September 2000, Zl. RV 640/1-T6/99, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine Aktiengesellschaft, in deren Hauptversammlung vom 8. Juli 1999 u.a.

-

die Umwandlung der bisherigen Nennwertaktien in Stückaktien und danach

-

die Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln (durch Auflösung einer freiwilligen Rücklage) von Euro 3,635.000,--

auf Euro 25,000.000,-- beschlossen wurde.

Gegenüber der Finanzbehörde wurde dazu der Standpunkt vertreten, es sei keine Ausgabe neuer Aktien und daher kein Erwerb von Anteilsrechten durch die Aktionäre erfolgt.

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Innsbruck unterzog den Vorgang der Gesellschaftssteuer gemäß § 2 Z 2 KVG, wogegen die Beschwerdeführerin berief.

Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei zusätzlich noch geltend gemacht wurde, die Besteuerung verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab, bezog sich dabei auf die hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1988, Zl. 87/15/0006 und vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/16/0088, und erachtete auch den behaupteten Konflikt mit dem Gemeinschaftsrecht für nicht gegeben, weil Österreich den Steuersatz der Gesellschaftsteuer mit Wirksamkeit seines Beitrittes zu den Europäischen Gemeinschaften auf 1 % gesenkt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der Gesellschaftsteuer verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Die Beschwerdeführerin replizierte darauf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 KVG lautet auszugsweise:

"Der Gesellschaftsteuer unterliegen:

              1.              der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber;

              2.              Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden (Beispiele: weitere Einzahlungen, Nachschüsse). Der Leistung eines Gesellschafters steht es gleich, wenn die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters abdeckt;

..."

§ 8 KVG idF der Nov. BGBl. Nr. 629/1994 lautet:

"Die Steuer beträgt 1 % der Bemessungsgrundlage."

Mit dieser Bestimmung wurde eine Anpassung an das Gemeinschaftsrecht vorgenommen (vgl. dazu 1713 Seite 13 Blg. zd StenProt. des NR XVIII GP).

Die Besonderheit des vorliegenden Falles ist darin gelegen, dass - anders als zuvor - nach der durch das 1. Euro-Justizbegleitgesetz (BGBl. I Nr. 125/1998) geschaffenen Möglichkeit von Stückaktien eine sog. nominelle Kapitalerhöhung nicht mehr notwendigerweise mit der Ausgabe sogenannter Frei- oder Gratisaktien verbunden ist.

§ 8 AktG idF der Nov. BGBl. Nr. 125/1998 lautet auszugsweise:

"(1) Aktien können entweder als Nennbetragsaktien oder als Stückaktien begründet werden. Beide Aktienarten dürfen in der Gesellschaft nicht nebeneinander bestehen.

...

(3) Stückaktien haben keinen Nennbetrag. Jede Stückaktie ist am Grundkapital in gleichem Umfang beteiligt. Der Anteil bestimmt sich nach der Zahl der ausgegebenen Aktien. Der auf eine einzelne Aktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals muss mindestens 1 Euro betragen.

..."

Gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. dürfen für einen geringeren Betrag als den auf die einzelne Stückaktie entfallenden anteiligen Betrag des Grundkapitals Aktien nicht ausgegeben werden.

Gemäß § 17 Z 4 AktG in der zitierten Fassung muss die Satzung u. a. bestimmen, ob das Grundkapital in Nennbetragsaktien oder Stückaktien zerlegt ist und bei Stückaktien deren Zahl.

Die Stückaktien, die auch unechte nennwertlose Stückaktien genannt werden (Nowotny/Tichy, Zur Einführung der Stückaktien, ÖBA 1998, 761ff) zeichnen sich dadurch aus, dass für sie im Wege einer Division der Ziffer des Grundkapitals durch die Anzahl der ausgegebenen Aktien der Anteil am Grundkapital errechenbar ist. Aus diesem Grund spricht auch das Gesetz davon, dass die Stückaktie am Grundkapital "beteiligt" ist (Nowotny/Tichy aaO), welcher Anteil nicht kleiner sein darf als 1 Euro. Der wesentliche Vorteil von Stückaktien liegt darin, dass Kapitalmaßnahmen (nämlich Kapitalerhöhungen oder Kapitalherabsetzungen) ohne Manipulation an den Aktien durchgeführt werden können (Nowotny/Tichy aaO; Wenusch, Das Wesen der Stückaktie, ÖBA 2001, 26ff und ecolex 1999, 829ff).

Eine dieser Kapitalmaßnahmen ist die im KapitalberichtigungsG 1967 (KapBG; BGBl. Nr. 171, zuletzt novelliert ebenfalls durch das 1. Euro-JustizbegleitG BGBl. I Nr. 125/1998) geregelte sogenannte nominelle Kapitalerhöhung, bei der die Erhöhung aus Gesellschaftsmitteln erfolgt (vgl. dazu Schiemer in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG-Komm3 Rz 1 des Anhanges nach § 173 AktG), wobei nach der Rechtslage vor dem

1. Euro-JustizbegleitG die Ausgabe zusätzlicher Aktien (sog. Frei- oder Gratisaktien) zwingend vorgesehen war (Schiemer aaO Z 2 zu § 4 KapBG).

Dazu wurde die Meinung vertreten, dass die Anteilseigner der alten Aktien die neuen Aktien zwar ohne Einlageverpflichtung erhielten, aber dafür insoferne eine Gegenleistung erbracht hätten, als sie ja an den für die Kapitalerhöhung verwendeten Rücklagen beteiligt gewesen wären (Schiemer aaO;

Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts5 310).

Zum Zwecke der Anpassung an die jetzt gemäß § 8 AktG bestehende Möglichkeit von Stückaktien bestimmt § 4 KapBG idF des 1. Euro-JustizbegleitG BGBl. I Nr. 125/1998 auszugsweise Folgendes:

"(1) ... Aktiengesellschaften mit Stückaktien können ihr

Grundkapital auch ohne Ausgabe neuer Aktien erhöhen; ..."

Damit kann - anders als bei einer Aktiengesellschaft mit Nennwertaktien - eine Kapitalerhöhung fakultativ auch ohne Veränderung der Stückzahl der Aktien vorgenommen werden, wobei es auch im Falle von Stückaktien der Hauptversammlung überlassen ist zu entscheiden, ob Gratisaktien ausgegeben werden oder nicht (§ 4 Abs. 1 KapBG; Nowotny/Tichy aaO).

Der Vorgang einer nominellen Kapitalerhöhung gegen Ausgabe von Frei- oder Gratisaktien erfüllt nach herrschender Ansicht den Tatbestand des Ersterwerbs von Gesellschaftsrechten gemäß § 2 Z 1 KVG (vgl. dazu zB Dorazil, KVG-Kurzkomm2 56 Anm. 2 zu § 2 KVG; Takacs, Kapitalverkehrssteuer § 2/11;

Kinnebrock/Meulenbergh, KVG5; Egly/Klenk, Gesellschaftsteuer Komm Rz 370; Brönner/Kamprad, KommzKUG Rz 18 zu § 7 dKVG; wobei ein solcher Vorgang in Deutschland mit Rücksicht auf die Befreiungsbestimmung des § 7 Abs. 3 Z 2 dKVG ohne Bedeutung ist).

Dem entsprechend regelt das BG über steuerliche Maßnahmen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vom 6. Juli 1966, BGBl. 157/1966 idF der Nov. BGBl. Nr. 416/1970 (steuerliches KapBG); den Fall der Erhöhung des Grundkapitals (Nennkapitals) einer Aktiengesellschaft ausschließlich aus Gesellschaftsmitteln dergestalt, dass dies als Erwerb neuer Anteilsrechte angesehen wird (§ 1 Abs. 1) und enthält dieses Gesetz in seinem § 2 ("Gesellschaftssteuer") ausdrücklich folgende Vorschrift:

"Beim Erwerb neuer Anteilsrechte im Sinne des § 1 wird die Gesellschaftssteuer vom Nennbetrag berechnet."

Diese für Kapitalberichtigungsvorgänge als lex specialis anzusehende Bestimmung wurde an die durch das 1. Euro-JustizbegleitG geschaffene Rechtslage der Möglichkeit des Bestehens von Stückaktien nicht angepasst!

Ungeachtet des Umstandes, dass mit Rücksicht auf die ausdrückliche Regelung des § 8 Abs. 3 AktG nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes auch bei Stückaktien im Wege einer nominellen Kapitalerhöhung eine Vergrößerung des Anteils am Grundkapital und damit ein Neuerwerb von Gesellschaftsrechten eintritt, fehlt es dafür angesichts der Beschränkung der Anwendbarkeit des § 2 steuerliches KapBG auf Aktien mit Nennbeträgen an einer Steuerbemessungsgrundlage für den Fall des Vorliegens von Stückaktien.

Jedenfalls ergibt sich daraus aber, dass die belangte Behörde den gegenständlichen Vorgang nicht der Besteuerung nach § 2 Z 2 KVG unterwerfen durfte und schon dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat, was gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muss.

Der Hinweis des angefochtenen Bescheides auf die hg. Erkenntnisse vom 3. Oktober 1988, Zl. 87/15/0006 und vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/16/0008, Slg. NF 7153/F, vermag daran deshalb nichts zu ändern, weil diese Entscheidungen Fälle von Einlagen von Kommanditisten betrafen, die nicht dem Kapitalberichtigungsgesetz unterlagen.

Auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage eines allfälligen Konfliktes der vorgenommenen inländischen Besteuerung einer Kapitalerhöhung durch Umwandlung von Rücklagen mit Gesellschaftsteuer mit Art. 4 Abs. 2 der RL des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG) braucht mit Rücksicht auf die vorzunehmende Bescheidaufhebung jetzt nicht eingegangen zu werden.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z 4 und Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000160761.X00

Im RIS seit

06.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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