TE Vfgh Erkenntnis 1998/10/15 B727/98

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Veröffentlicht am 15.10.1998
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/04 Apotheken, Arzneimittel

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Apothekerkammer-WahlO §31 ff
ApothekerkammerG §11, §13

Leitsatz

Legitimation des Beschwerdeführers zur Anfechtung eines Bescheides betreffend die Wahl des Präsidenten der Apothekerkammer trotz bereits abgelaufener Funktionsperiode und trotz der Ungültigerklärung einer nicht wahlentscheidenden geringen Anzahl von Stimmen (zwei) gegeben; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über das Ergebnis der Präsidentenwahl durch die Hauptwahlkommission bei der Österreichischen Apothekerkammer; bloße Tatsachenfeststellung beantragt; Feststellungsbescheid nicht einziges Mittel zweckmäßiger Rechtsverfolgung; keine Anfechtung der Wahl im gesetzlich vorgesehenen Weg durch den Beschwerdeführer

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Am 24. Jänner 1996 fand gemäß §11 des Apothekerkammergesetzes, BGBl. 152/1947 idF des BG BGBl. 54/1989 (ApKG) sowie der §§31 ff. der Apothekerkammer-Wahlordnung, BGBl. 16/1982 idF der Verordnung BGBl. 306/1991 (ApK-WO) die Neuwahl des Präsidenten der Österreichischen Apothekerkammer - durch die Mitglieder des Vorstandes - statt. Von den 36 abgegebenen Stimmen wurden 32 als gültig, 4 als ungültig gezählt (zwei von diesen als ungültig gewerteten Stimmen entfielen auf den Beschwerdeführer - er ist angestellter Apotheker und war damals Mitglied des Vorstandes der Apothekerkammer). Der als gewählt erklärte Präsident der Apothekerkammer teilte dem Beschwerdeführer über dessen Ersuchen mit Schreiben vom 29. Jänner 1996 dieses Wahlergebnis mit und begründete die Ungültigkeit der vier Stimmen mit §11 ApKG, wonach der Präsident der Apothekerkammer nur ein selbständiger (also nicht ein angestellter) Apotheker sein kann.

Mit dieser formlosen Erledigung begnügte sich der Beschwerdeführer nicht, sondern beantragte am 7. Feber 1996 bei der Apothekerkammer

"eine bescheidförmliche Antwort mit der auf Protokollunterlagen gestützten Feststellung, daß meine Kandidatur vom Vorsitzenden der Wahlhandlungen, Herrn Apotheker ..., gemäß Kammergesetz ungültig erklärt wurde und daher die auf mich entfallenen Stimmen ungültig waren".

Dieses Ersuchen wurde bloß mit zwei formlosen Schreiben des Präsidenten der Apothekerkammer beantwortet.

b) Nachdem das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1996, G126/96, V57/96 = VfSlg. 14702/1996 (s.u. II.2.b) ergangen war, richtete der Beschwerdeführer am 9. Jänner 1997 an den Vorsitzenden der Hauptwahlkommission bei der Apothekerkammer eine Eingabe, mit der er unter Hinweis auf dieses Erkenntnis

"einen Bescheid über das Ergebnis der Präsidentenwahl am 24. Jänner 1996, insbesondere über die Ungültigerklärung der auf mich entfallenen Stimmen durch den Vorsitzenden der Wahlhandlung"

beantragte.

c) Die Hauptwahlkommission wies mit Bescheid vom 20. Feber 1998 diesen Antrag zurück.

Sie begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß die Erlassung eines Bescheides, mit dem bloß Tatsachen festgestellt werden, grundsätzlich unzulässig sei.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (§11 Abs1 zweiter Satz und §13 Abs1 erster Satz ApKG sowie §32 Abs1 und §36 Abs2 ApK-WO) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die Hauptwahlkommission als belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Sie begehrte, die Beschwerde mangels Beschwer zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen. Ebenso wird der Ersatz der Prozeßkosten beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.a) Die belangte Behörde erachtet die Beschwerde als unzulässig und begründet dies folgendermaßen:

"Hervorzuheben ist, daß bei der Wahl am 24. Jänner 1996 der Präsident der Österreichischen Apothekerkammer für die restliche Funktionsperiode vom 24. Jänner 1996 bis 31. März 1997 gewählt wurde und die angesprochene Funktionsperiode somit längst vergangen ist.

Darauf hinzuweisen ist auch, daß der Beschwerdeführer für die folgende Funktionsperiode vom 1. April 1997 bis 31. März 2002 nicht als Vorstandsmitglied der Österreichischen Apothekerkammer gewählt wurde und somit auch für die gegenwärtige Funktion eines Präsidenten der Österreichischen Apothekerkammer selbst dann nicht in Betracht käme, wenn diese Funktion nicht an die Mitgliedschaft in der Abteilung der selbständigen Apotheker gebunden wäre.

Eine Beschwer liegt auch deshalb nicht vor, da selbst wenn die beiden auf Mag. U. entfallenen Stimmen für gültig erklärt worden wären, dies keinerlei Auswirkungen auf das Wahlergebnis gehabt hätte.

Bemerkt wird weiters, daß durch den angefochtenen Bescheid keine Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts erfolgt ist."

b) Mit diesem Vorbringen ist die Behörde nicht im Recht:

Das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Klärung der Frage, ob die Hauptwahlkommission seinerzeit eine verfassungskonforme Entscheidung getroffen hat, geht dadurch, daß die Funktionsperiode inzwischen abgelaufen ist, nicht verloren (vgl. z.B. VfSlg. 8219/1977, 10090/1984, 14299/1995).

Der Umstand, daß der Beschwerdeführer auch dann nicht zum Präsidenten gewählt worden wäre, wenn die zwei für ihn abgegebenen Stimmen gültig gewesen wären, hat für seine Beschwer keinen Bezug. Es geht ihm nämlich offenkundig darum, die Rechtmäßigkeit der erwähnten generellen Normen (s.o. I.2) anfechten zu können. Daß er hierfür den unrichtigen Weg gewählt hat (s.u. II.2), ist für die Zulässigkeit der Beschwerde ohne Belang.

Ob durch den bekämpften Bescheid ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt wurde, ist die zu klärende Sachfrage, nicht ein prozessuales Problem.

c) Da also das gegen die Zulässigkeit der Beschwerde gerichtete Vorbringen der Behörde nicht zutrifft und da auch keine sonstigen Prozeßhindernisse hervorgekommen sind, ist die Beschwerde zulässig.

2. Sie ist aber nicht berechtigt:

a) Die Hauptwahlkommission hat den Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen. Sie hat ihm damit eine Sachentscheidung verweigert. Hätte sie dies zu Unrecht getan, so hätte sie den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. z.B. VfSlg. 10374/1985, 11405/1987, 13280/1992).

Der Beschwerdeführer hat die Erlassung eines Feststellungsbescheides begehrt. Die Hauptwahlkommission meint, der Beschwerdeführer habe die Feststellung von Tatsachen beantragt; dies sei grundsätzlich unzulässig.

Damit ist sie im Recht:

Es genügt, hierzu auf die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 6050/1969, 14713/1996) und des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwSlg. 6223 A/1964, 9035 A/1976, VwGH 26.11.1991 91/05/0165) sowie auf die Literatur (Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Wien 1998, Anm. 4 sowie E 227 ff, E 267 zu §56 AVG; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Wien 1995, Rz 406 f; Funk, Die Judikatur des VfGH zum Feststellungsbescheid, ÖJZ 1972, 33) zu verweisen.

Eine ausnahmsweise gesetzliche Regelung, welche die Erlassung von Bescheiden vorsieht, die der rechtsverbindlichen Feststellung der vom Beschwerdeführer relevierten Tatsachen dienen, besteht nicht.

b) Sie kann auch nicht aus dem Erkenntnis VfSlg. 14702/1996 abgeleitet werden, mit dem ein vom nunmehrigen Beschwerdeführer eingebrachter Individualantrag, die auch mit der vorliegenden Beschwerde als rechtswidrig bezeichneten Normen (s.o. I.2) aufzuheben, zurückgewiesen worden war. In dieser Entscheidung hatte der Verfassungsgerichtshof ausgeführt:

"... Das ApKG und die ApK WO sehen die Einrichtung einer Hauptwahlkommission und von Kreiswahlkommissionen vor (§10 Abs6 bis 7 ApKG, §§5 bis 7 ApK-WO). Nähere Bestimmungen über deren Aufgaben enthalten §16 ApK-WO (Entscheidungen über Einwendungen im Zusammenhang mit dem Anlegen der Wählerverzeichnisse) und §29 ApK-WO (Entscheidungen über die Anfechtung der Wahl der Vorstandsmitglieder). Damit wird aber nicht zum Ausdruck gebracht, daß die Zuständigkeit der Wahlkommissionen auf die erwähnten Entscheidungen beschränkt ist. Vielmehr obliegt der Hauptwahlkommission dem §5 Abs5 Z6 ApK-WO zufolge u.a. 'die Entscheidung über die Wählbarkeit der Wahlwerber' und nach §5 Abs5 Z10 ApK-WO 'die Entscheidung über die Anfechtung der Gültigkeit der Wahl'. Daraus ist zu entnehmen, daß die Hauptwahlkommission nicht bloß zur Entscheidung über die Anfechtung der im engeren Sinn verstandenen Wahl des Vorstandes zuständig ist, sondern jedenfalls auch zur Entscheidung über die Anfechtung von Handlungen, die sich als Teile der im weiteren Sinn verstandenen Vorstandswahl darstellen; dazu zählen zumindest die Wahlen des Präsidenten (s. §§31 bis 35 ApK-WO) und der Leiter der Landesgeschäftsstellen (s. §36 ApK-WO).

Das Gebot, Gesetze und Verordnungen im Zweifel verfassungskonform zu interpretieren (vgl. z.B. VfSlg. 9748/1983, 11576/1987, 13805/1994, 13907/1994), bekräftigt diese Auslegung. Gerade die Ergebnisse solcher Wahlen, die (wie die hier in Rede stehenden) nicht unmittelbar beim VfGH im Zuge eines auf Art141 B-VG gestützten Verfahrens anfechtbar sind (die zuletzt erwähnten Organe sind keine 'satzungsgebenden Organe' iS des Art141 Abs1 lita B-VG), müssen auf Administrativebene bekämpft werden können, um so den Rechtszug an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zu eröffnen. Dies erfordert der aus dem Rechtsstaatsprinzip hervorgehende Grundsatz, daß die Rechtsordnung ausreichenden effizienten Rechtsschutz gewähren muß (vgl. z.B. VfSlg. 11196/1986, 12409/1990, 13223/1992, 13699/1994, 13834/1994).

Die Entscheidungen der Wahlkommission haben mangels anderslautender Regelung in Bescheidform zu ergehen.

Gegen diese Bescheide kann letztlich beim VfGH oder beim VwGH Beschwerde erhoben werden. Auf diese Weise hätte hier der Antragsteller die Möglichkeit, seine verfassungsrechtlichen Bedenken an den VfGH heranzutragen.

Dieser Weg ist dem Antragsteller zumutbar ..."

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei dieser Judikatur. Sie weist nach, daß es nach der bestehenden Rechtsordnung dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre, sein Anliegen (nämlich die Behauptung, die erwähnten generellen Normen (s.o. I.2) seien rechtswidrig) an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Dieser Weg wäre nun aber nicht der vom Beschwerdeführer beschrittene, sondern ein anderer gewesen, sodaß auch unter dem Gesichtspunkt, ein Feststellungsbescheid, wie ihn der Beschwerdeführer begehrte, sei das einzige Mittel zweckmäßiger Rechtsverfolgung, die Zulässigkeit des beantragten Feststellungsbescheides keinesfalls begründet werden könnte.

Der andere Weg hätte darin bestanden, die vom Vorstand vorgenommene Wahl des Präsidenten (§§31 ff. ApK-WO) bei der Hauptwahlkommission binnen der im §29 Abs1 ApK-WO vorgesehenen Frist von einer Woche zu bekämpfen; diese Behörde wäre verpflichtet gewesen, darüber bescheidmäßig abzusprechen. Dieser Bescheid hätte dann beim Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG angefochten werden können.

c) Die Hauptwahlkommission hat also den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag zu Recht zurückgewiesen. Sie hat das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt.

3.a) Im Hinblick darauf, daß die Behörde rechtsrichtig entschieden hat, ist es ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde (vgl. z.B. VfSlg. 9326/1982, 10134/1984, 14773/1997).

b) Die vom Beschwerdeführer als rechtswidrig bezeichneten generellen Normen (s.o. I.2) hatte der Verfassungsgerichtshof bei dieser Entscheidung nicht anzuwenden. Mangels Präjudizialität kann er daher nicht von Amts wegen Verfahren nach Art139 Abs1 und Art140 Abs1 B-VG zu deren Prüfung einleiten.

c) Gegen die den angefochtenen Bescheid tatsächlich tragenden Bestimmungen hegt der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken.

Der Beschwerdeführer wurde sohin auch nicht wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in seinen Rechten verletzt.

d) Deshalb war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

4. Der obsiegenden Behörde waren Kosten allein schon deshalb nicht zuzusprechen, weil solche wohl begehrt, aber nicht verzeichnet wurden.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Apotheken Kammer, Feststellungsbescheid, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B727.1998

Dokumentnummer

JFT_10018985_98B00727_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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