Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in mehreren Urteilen (zB Fischbach-Mavromatis gg Österreich vom 3.5.2005) Folgendes hervorgehoben: Das Kernstück der Beschwerde der Beschwerdeführerin habe darin bestanden, dass sie wegen der Unterlassung bestraft worden sei, eine Information zu erteilen, die sie im Zusammenhang mit einem Strafverfahren wegen überhöhter Geschwindigkeit belasten hätte können. Ein solches Verfahren sei jedoch weder im Zeitpunkt, als die Beschwerdeführerin aufgefordert wurde, den Lenker ihres Kfz anzugeben, noch zu einem späteren Zeitpunkt gegen sie geführt worden. Es gebe auch nichts, was zeigen würde, dass die Beschwerdeführerin "wesentlich berührt" gewesen sei, sodass man sie als der Straftat der Geschwindigkeitsüberschreitung angeklagt iSd autonomen Bedeutung des Artikel 6 Abs 1 EMRK ansehen hätte können. Sie sei lediglich in ihrer Eigenschaft als Zulassungsbesitzerin verhalten worden eine Auskunft zu erteilen. Außerdem sei sie nur verhalten worden, eine bloße Tatsache anzugeben, nämlich, wer der Lenker des Kfz gewesen sei, was für sich nicht inkriminierend sei. Unter solchen Umstände bestehe nur ein entfernter und hypothetischer Zusammenhang zwischen der Verpflichtung der Beschwerdeführerin nach § 103 Abs 2 KFG, den Lenker des Kfz anzugeben, und der Möglichkeit eines Strafverfahrens wegen Geschwindigkeitsüberschreitung gegen sie. Ohne einen ausreichend konkreten Zusammenhang mit diesem Strafverfahren werfe jedoch der Einsatz von Zwangsmitteln (das ist die Verhängung einer Geldstrafe) zur Erlangung einer Auskunft kein Problem im Bezug auf das Recht der Beschwerdeführerin zu schweigen und den Schutz vor Selbstbezichtigung auf. Der gegenständliche vom UVS zu entscheidende Fall ist mit dem Verwaltungsstrafverfahren, das dem vorerwähnten Urteil des EGMR zugrunde lag, in den hier maßgeblichen Punkten vergleichbar. Insbesondere war auch hier zum Zeitpunkt der Lenkeranfrage gegen den Beschuldigten kein Strafverfahren wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung, die der Lenkeran
frage zugrunde lag, anhängig. Die dem Beschuldigten übermittelte Anonymverfügung bewirkt keine Anhängigkeit im vorgenannten Sinn. Eine Anonymverfügung stellt nämlich keine verwaltungsstrafrechtliche Verfolgungshandlung dar und wird automatisch gegenstandslos, wenn nicht binnen vier Wochen nach Ausfertigung die Einzahlung des darin genannten Betrages erfolgt.