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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §184;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der C GmbH in B, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl und Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwälte in Salzburg, Petersbrunnstraße Ia, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 19. Jänner 2001, GZ. AO- 8000/2-V3/00, betreffend Haftung für Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 26. Juni 1996 richtete das Hauptzollamt Bremerhaven an das Zollamt Hörbranz Autobahn (unter Anschluss eines Versandscheines vom 15. Dezember 1994 und eines Steuerbescheides vom 30. Juli 1996) ein Schreiben, womit bekannt gegeben wurde, dass die mit dem Versandschein zum gemeinschaftlichen Versandverfahren abgefertigten Waren der Bestimmungszollstelle nicht gestellt worden seien. Die Angelegenheit betreffe einen Container mit 194 Karton Fahrrädern, deren Zollwert im Steuerbescheid des Hauptzollamtes Bremerhaven vom 30. Juli 1996 mit DM 58.200,-- angegeben war. In der Begründung dieses Bescheides findet sich dazu der Satz: "Zollwert gem. § 162 AO geschätzt."
Mit Note des Hauptzollamtes Bremerhaven vom 6. August 1996 an das Hauptzollamt Feldkirch wurde darauf hingewiesen, dass dieses zur Erhebung der Abgaben zuständig sei und mitgeteilt, dass der "hier erlassene Steuerbescheid" wieder aufgehoben worden sei.
Am 10. November 1997 richtete das Hauptzollamt Feldkirch an die Beschwerdeführerin (die in der Versandanmeldung als Hauptverpflichtete genannt wurde) einen Haftungsbescheid, mit dem
ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 415.728,-- Zoll und
ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 499.539,60 Einfuhrumsatzsteuer vorgeschrieben wurde. Aus dem angeschlossenen Berechnungsblatt ist dazu ersichtlich, dass das Hauptzollamt Feldkirch dabei von dem Betrag von DM 58.200,-- ausgegangen ist.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit der Behauptung, am Versandverfahren gar nicht beteiligt gewesen zu sein, wobei sie insbesondere auch vorbrachte, die "Wertschätzung" sei überhöht.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 27. Mai 1998 wies das Hauptzollamt Feldkirch die Berufung als unbegründet ab, wobei darauf hingewiesen wurde, es sei die "vorangegangene Schätzung des Hauptzollamtes Bremerhaven" übernommen worden.
Dagegen stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei sie ausdrücklich den Antrag stellte, den Akt des Hauptzollamtes Bremerhaven beizuschaffen.
Am 28. Oktober 1999 stellte die Beschwerdeführerin einen Beweisantrag, in dem u. a. Folgendes vorgebracht wurde:
"Auch ist der von der Zollbehörde, vom Hauptzollamt Bremerhaven übernommene Warenwert der betreffenden Fahrräder mit DM 300,-- pro Stück bei weitem überhöht. Der tatsächliche Warenwert eines Fahrrades beträgt ca. DM 150,--.
Beweis: Zeuge Rudolf Löscher, p.Adr. Coil GmbH,
D-27568 Bremerhaven, Bückingstr. 10"
In einer weiteren Eingabe vom 15. Oktober 2000 brachte die Beschwerdeführerin noch vor, dass es sich bei den Fahrrädern um in Taiwan Gefertigte der einfachsten Art gehandelt habe; der Warenwert eines solchen Fahrrades betrage höchstens DM 150,--. Dazu stellte die Beschwerdeführerin u. a. den Antrag auf Einholung eines Schätzungsgutachtens.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und führte zur Frage des Warenwertes Folgendes aus:
"Hinsichtlich des Warenwertes konnten seitens des Beschwerdeführers keine Nachweise erbracht werden bzw. es wurde lediglich der seinerzeit aufgehobene Steuerbescheid des Hauptzollamtes Bremerhaven vorgelegt. Gemäß § 184 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, zu schätzen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Aufgrund der ständigen Rechtssprechung des VwGH muss derjenige, der zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen. Aufgrund der nach den einschlägigen Abgabenvorschriften gegebenen Aufbewahrungspflichten müssten entsprechende Unterlagen, auch nach Insolvenzen, noch verfügbar sein. Ein Schätzungsgutachten eines Dritten, ohne Vorhandensein des zu schätzenden Gegenstandes sowie entsprechendere Unterlagen, wie etwa eine genauere Warenbeschreibung, Fahrradtyp, usw., würde zu keinem Ergebnis führen. Die Einvernahme des beantragten Zeugen würde am gegebenen Sachverhalt nichts ändern, da sich auch dieser auf Unterlagen stützen müsste, die nach den Angaben der Berufungswerberin nicht mehr vorhanden sind. Auch diesem bliebe als Grundlage nur der ohnehin dem Verfahren zu Grunde gelegte deutsche Steuerbescheid. Allein die Behauptung, der Wert der Fahrräder würde nur die Hälfte des herangezogenen Wertes betragen, kann deswegen keine Bedeutung beigemessen werden, da sie weder belegt noch fundiert begründet wurde. Zudem entsprechen die angeführten DEM 300,-- eher dem Durchschnittspreis für Fahrräder als der vom Berufungswerber gewünschte Wert. Offensichtlich hat dieser ebenfalls mangels Vorliegens geeigneter Unterlagen und Kenntnis des Typs und der Marke den unterst möglichen Wert für billigste Fahrräder angenommen. Dem entgegen steht jedoch, dass die deutschen Behörden den Wert, der nach der deutschen Abgabenordnung - ähnlich der österreichischen - ebenfalls auf Grund rechtsstaatlicher Grundsätze zu ermitteln war, in der Höhe von DEM 300 festsetzen. Insoweit bleibt es der Berufungswerberin verwehrt, den geschätzten Zollwert mangels vorgelegter Unterlagen lediglich auf Grund eigener unbeweisbarer Behauptungen mit Erfolg anzuzweifeln."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wobei sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht darauf verletzt erachtet, nicht zur Bezahlung der Abgabenschuld herangezogen zu werden und sich in den Ausführungen des Beschwerdegrundes nur gegen die Wertermittlung wendet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 8 des auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden WertzollG verweist hinsichtlich der Vornahme einer Schätzung - die, wie im hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1987, Zl. 87/16/0035 (auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) im Einzelnen dargelegt wurde, die Endmethode zur Ermittlung des Zollwertes darstellt, die erst anzuwenden ist, wenn der Zollwert nicht nach den Methoden der §§ 3 bis 7 WertzollG ermittelt werden kann - auf § 184 BAO. Somit gelten die Schätzungsverfahrensregeln des § 184 BAO auch für die Schätzung des Zollwertes (Stoll, BAO-Kommentar II 1930 letzter Absatz).
Eine Schätzung nach Maßgabe der Bestimmung des § 8 hat nach § 2 Abs. 4 WertzollG zu erfolgen, wenn der Zollwert nicht nach den §§ 3 bis 7 ermittelt werden kann.
Nach ständiger hg. Judikatur sowie dem maßgeblichen Schrifttum hat die Behörde die von ihr vorgenommene Schätzung zu begründen, wobei sie die für die Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zu Grunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzustellen hat (vgl. dazu die bei Ritz, BAO-Kommentar2 Rz 21 zu § 184 BAO angeführte hg. Rechtsprechung). Insbesondere hat die Behörde auf alle substanziiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen einzugehen und sich damit auseinander zu setzen (Ritz aaO, Rz 20 Abs. 2, sowie Stoll aaO II 1944 - 1946).
Gegen diese Grundsätze hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall verstoßen, weil sich abgesehen von der aus einem deutschen Steuerbescheid (der später wieder aufgehoben wurde) entnommenen Ziffer überhaupt keine Anhaltspunkte für den von der belangten Behörde angenommenen Wert in den Verwaltungsakten finden, insbesondere auch nicht die Grundlagen der von den deutschen Behörden vorgenommenen Schätzung, und weil sich die belangte Behörde mit dem von der Beschwerdeführerin immerhin substanziell vorgebrachten Argument, es habe sich bei den Fahrrädern um in Taiwan hergestellte der einfachsten Ausführung gehandelt, nicht auseinander gesetzt hat.
Dazu kommt, dass die belangte Behörde - wie die Beschwerdeführerin zutreffend hervorhebt - betreffend den ausdrücklich angebotenen Zeugenbeweis eine unzulässige antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen hat (vgl. dazu vor allem die bei Ritz aaO Rz 7 zu § 167 BAO angeführte hg. Rechtsprechung).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, wobei mit Rücksicht auf die einfache Rechts- und Sachlage die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat zu treffen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. September 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001160188.X00Im RIS seit
31.01.2002Zuletzt aktualisiert am
08.05.2012