TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/19 99/09/0232

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Veröffentlicht am 19.09.2001
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Index

67 Versorgungsrecht;

Norm

HVG §1 Abs1;
HVG §1 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des N in J, vertreten durch Dr. Manfred Monitzer, Rechtsanwalt in Kirchberg/Tirol, Lendstraße 16, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 14. August 1999, Zl. OB. 114-485535-001, betreffend Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer leistete in der Zeit vom 2. April 1990 bis 30. November 1990 den ordentlichen Präsenzdienst beim Österreichischen Bundesheer. Sein Garnisonsort war die H-Kaserne in L. In der Zeit vom 4. November 1990 bis 5. November 1990, 6. 30 Uhr hatte er Dienstfreistellung gemäß § 49 WG; der Ort des bewilligten Aufenthaltes war seine Heimatadresse J 106.

Er erlitt am 5. November 1990 gegen 0 Uhr 20 Uhr auf der Bundesstraße x, P-Bundesstraße, auf Höhe des Strkm 20,8, Fraktion J-Hütte, auf dem Rückweg in die Kaserne bei einem Verkehrsunfall Verletzungen u.a. im Oberkieferbereich.

Mit Eingabe vom 5. Februar 1999 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Beschädigtenversorgung gemäß § 4 Abs. 1 HVG, weil sich aus den erlittenen Zahnverletzungen weitere notwendige ärztliche Maßnahmen ergeben hätten.

Mit Bescheid des Bundessozialamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. März 1999 wurde dieser Antrag mit der Begründung abgelehnt, die geltend gemachten Gesundheitsschädigungen würden nicht als Dienstbeschädigungen anerkannt, weil sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf direktem Weg von seinem Heimatort zu seinem Garnisonsort in L befunden habe, sondern am Unfalltag gegen 2.00 Uhr gemeinsam mit einem Kameraden vom Cafe N., wo er sich seit ca. 22.00 Uhr aufgehalten gehabt habe, mit dem PKW in die Kaserne nach L gefahren sei. Da er seinen Weg in die Kaserne sohin nicht von seinem Heimatort aus angetreten habe und sich der Unfall nicht auf dem direkten Weg vom Ort des bewilligten Aufenthaltes zur Dienststelle ereignet habe, sei die bei dem Unfall eingetretene Gesundheitsschädigung nicht als Dienstbeschädigung anzuerkennen gewesen.

In der dagegen erhobenen Berufung wendete der Beschwerdeführer ein, der Unfall habe sich auf dem Weg zwischen dem bewilligten Aufenthaltsort und seinem Dienstort ereignet. Er habe mit seinen Kameraden H. und T. eine Fahrgemeinschaft gebildet. Um sich mit T. zu treffen, seien H. und er um 22.00 des 4. November 1990 ins Cafe N. gefahren, um von dort zum Beschwerdeführer nach Hause zu fahren, wo T. seinen PKW abstellen hätte sollen um dann mit dem Beschwerdeführer und H. gemeinsam in die Kaserne einzurücken. Dieses Cafe N. liege etwa 1 km von der Kreuzung der Zufahrtstraße zum Bergbauernhof seiner Eltern mit der P-Bundesstraße entfernt. T. habe sich allerdings verspätet, sei erst gegen 24.00 Uhr gekommen und habe erklärt, die Zufahrt zum Haus der Eltern des Beschwerdeführers sei wegen der Schneelage nicht mehr erreichbar, weil der Schneepflug noch nicht gefahren sei. Daraufhin hätten sie sich entschlossen, direkt in die Kaserne einzurücken, wobei T. mit seinem PKW vorausgefahren sei, während H. und der Beschwerdeführer in dessen PKW gefolgt seien. Ausschließlich aus nicht von ihm zu beeinflussender Gründe sei er nicht vom Hause seiner Eltern Richtung Kaserne gefahren, sondern durch höhere Gewalt (Schneechaos) daran gehindert worden. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei nicht mehr zumutbar gewesen. Zum Beweis der Richtigkeit dieses Vorbringens bot der Beschwerdeführer die Einvernahme seiner Schwester, seiner Eltern und der sonstigen Bewohner des Bärenbichlweges in J an.

Die belangte Behörde pflog ergänzende Erhebungen durch - ergebnislose - Ausforschung des vom Beschwerdeführer angegebenen Zeugen T., durch Beischaffung des (polizeilichen bzw. gerichtlichen) Unfallaktes sowie Einholung einer (ebenso ergebnislosen) Anfrage an den Obmann der Interessentengemeinschaft "Bärenbichlweg" betreffend die örtlichen Verhältnisse am Unfalltag.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. August 1999 gab die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 82 Abs. 1 HVG der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass sich die in der Berufung des Beschwerdeführers aufgestellten Behauptungen nicht hätten beweisen lassen, obwohl die belangte Behörde versucht habe, den Zeugen T. einzuvernehmen. Mit dem vom Beschwerdeführer angegebenen Namen sei keine Person in W ansässig, die zur gleichen Zeit wie der Beschwerdeführer in der Kaserne L Grundwehrdienst geleistet habe, dies träfe nur auf einen T. zu, der aber in M stationiert gewesen sei. Nach Mitteilung der Weggemeinschaft Bärenbichlweg sei der Bärenbichlweg (einzige Zufahrt zum elterlichen Wohnhaus des Beschwerdeführers) seit den Sechzigerjahren asphaltiert und müsse aufgrund des Stollenportals der Transalpine-Pipeline am Ende des Weges sowohl sommers wie winters Tag und Nacht begeh- und befahrbar sein.

In der dagegen erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Beschwerdeführer replizierte hierauf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Heeresversorgungsgesetz, BGBl. Nr. 27/1964, in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 30/1998, ist eine Gesundheitsschädigung, die ein Soldat infolge des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes, einschließlich einer beruflichen Bildung im freiwillig verlängerten Grundwehrdienst oder im Wehrdienst als Zeitsoldat, erlitten hat, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes als Dienstbeschädigung zu entschädigen

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 6 HVG ist eine Gesundheitsbeschädigung, die ein Wehrpflichtiger oder eine Frau im Ausbildungsdienst im Falle eines Ausganges auf dem Hin- oder Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung erlitten hat, als Dienstbeschädigung zu entschädigen, wenn sie nicht auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Wehrpflichtigen zurückzuführen ist.

Die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung setzt bei einem "Wegunfall" somit voraus, dass die Gesundheitsschädigung auf dem direkten Weg zwischen dem Ort der militärischen Dienstleistung und der Wohnung oder auf dem Rückweg erlitten wurde. Ein Abweichen von dieser Wegstrecke oder ihrer Richtung unterbricht nur dann die Kausalitätskette nicht, wenn ein Umweg ausschließlich dem Zweck dient, einem Hindernis auf dem direkten Weg auszuweichen und dennoch das Ziel zu erreichen.

Unter dem direkten Weg ist auch nicht ausschließlich der von der Wegstrecke gesehen absolut kürzest mögliche Weg zu verstehen, sondern jener Weg, den eine mit Vernunft begabte Person unter Bedachtnahme auf die herrschenden Straßen- und Verkehrsbedingungen wählen würde, um ehebaldigst das Ziel zu erreichen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. Juni 1991, Zl. 89/09/0154, sowie vom 1. Oktober 1997, Zl. 96/09/0030).

Voraussetzung für die Anerkennung als "Wegunfall" ist, dass Anfangs- und Endpunkt der Fahrt in direkter Verbindung stehen und hiervon lediglich durch einen - durch vis maior bedingten - Umweg abgewichen wurde, wobei es keineswegs erforderlich ist, dass der Ort des bewilligten Aufenthaltes auch tatsächlich angefahren wurde. Es reicht vielmehr zur Anerkennung als "geschützte Wegstrecke" hin, dass sich der Unfall bzw. das schädigende Ereignis auf dem Weg zwischen diesem und dem Ort der Dienstleistung ereignet hat. Aus diesem Grunde ist es im Beschwerdefall entbehrlich, den Grund der Unterlassung eines Besuches des Elternhauses des Beschwerdeführers zu untersuchen, sofern der Unfall sich auf der Strecke zwischen der Abzweigung Bärenbichlweg und Kaserne L - und demnach auf einem vorliegend als "geschützte Wegstrecke" anzusehenden Weg - ereignet hat. Ebenso unerheblich wäre dies allerdings, wenn der Unfall sich auf dem Weg vom Cafe N (in A) vor der Abzweigung Bärenbichlweg ereignet hätte, weil in diesem Fall unter keinen Umständen ein "Wegunfall" vorliegen kann.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zwar festgestellt, dass sich der Unfall auf der P-Bundesstraße, B x, auf Höhe des Straßenkilometers 20.8 ereignet hat, nicht jedoch, in welcher räumlichen Relation der Unfallort zu den für die Qualifikation der Fahrtstrecke als "unmittelbarer Weg" im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 6 HVG erforderlichen weiteren, oben dargelegten Determinanten - Lage des Cafehauses, der Abzweigung des Bärenbichlweges und der Kaserne - liegt. Die belangte Behörde hätte daher in ihrem Bescheid exakt festzustellen gehabt, ob die "geschützte Wegstrecke" zwischen der Einmündung des Bärenbichlweges in die P-Bundesstraße und der Kaserne Lienz schon erreicht war oder nicht, um eine Beurteilung im Sinne des § 1 Abs. 2 HVG zu ermöglichen.

Durch die Unterlassung von Feststellungen zur Aufklärung der oben angeschnittenen Unklarheiten hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Angesichts der Gebührenbefreiung gemäß § 68 Abs. 2 HVG waren Stempel- und Gerichtsgebühren nicht zuzuerkennen.

Wien, am 19. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999090232.X00

Im RIS seit

22.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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