RS UVS Oberösterreich 2006/08/29 VwSen-222095/2/Kl/Sp

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Veröffentlicht am 29.08.2006
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Rechtssatz

Gemäß § 157 Abs.1 Z2 GewO 1994 sind Gewerbetreibende, die Betriebsstoffe an Kraftfahrer im Betrieb von Zapfstellen abgeben, unbeschadet des § 32 zum Verkauf bestimmter Waren während der Betriebszeiten der Tankstelle berechtigt.

Gemäß § 157 Abs.2 GewO 1994 muss bei der Ausübung der Rechte gemäß Abs.1 der Charakter des Betriebes als Tankstelle gewahrt bleiben und es dürfen, soweit es sich nicht um die Ausübung des Kleinhandels mit Heizöl handelt, keine Räumlichkeiten verwendet werden, welche ausschließlich dem Kleinverkauf von Waren gemäß Abs.1 Z2 dienen. Die dem Verkauf von Waren gemäß Abs.1 Z2 gewidmete Fläche darf 80 m2 nicht übersteigen. Die Aufnahme von zusätzlichen Arbeitnehmern für den Warenverkauf kann durch Kollektivvertrag zugelassen werden. Gemäß § 368 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 1.290 Euro zu bestrafen ist, wer andere als in den §§ 366 und 367 genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen nicht einhält.

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

Diesen  Anforderungen  wird aus nachstehenden  Gründen  nicht entsprochen:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, dass der Tankstellenshop hinsichtlich der gesamten Verkaufsfläche (ca. 200 m2) "für den Kundenverkehr und Verkauf offen gehalten" wurde. Weder § 157 GewO noch § 368 GewO regeln das Offenhalten von Verkaufsstellen bei Tankstellen. Insbesondere ist diesen Bestimmungen nicht zu entnehmen, dass ein Offenhalten ab einer bestimmten Uhrzeit - wie dies in vier Fällen vorgeworfen wurde - nicht erlaubt sei. Auch ist den genannten gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen, dass nur eine eingeschränkte Fläche von bis zu 80 m2 über eine bestimmte Uhrzeit hinaus nicht offen gehalten werden darf. Es wurde daher die vorgeworfene Tat nicht begangen bzw. bildet das vorgeworfene Verhalten keine Verwaltungsübertretung nach den zitierten Bestimmungen. Vielmehr ist der Bestimmung des § 157 Abs.2 GewO 1994 iVm § 157 Abs.1 Z2 GewO 1994 zu entnehmen, dass Tankstellenbetreiber bei der Ausübung ihres freien Gewerbes auch - ohne entsprechende Gewerbeberechtigung - im Rahmen ihrer Gewerbeausübung berechtigt sind, bestimmte Waren während der Betriebszeiten der Tankstelle - und unabhängig von den Öffnungszeiten - zu verkaufen, wenn die dem Verkauf dieser Waren gewidmete Fläche 80 m2 nicht übersteigt. Dies bedeutet, dass der Tankstellenbetreiber dieses Recht nur für bestimmte Waren und nur auf einer Fläche von 80 m2 besitzt. Diese Bestimmung ist unabhängig von der Regelung der Öffnungszeiten zu sehen. Wird für den Kleinwarenverkauf durch den Tankstellenbetreiber die zulässige Fläche von 80 m2 überschritten, so bedeutet dies einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 157 Abs.2 GewO 1994. Ein diesbezüglicher Verstoß wurde aber nach dem zitierten Spruch des Straferkenntnisses nicht vorgehalten. Insbesondere war aber in der Strafverfügung als Strafverfolgungshandlung ein entsprechender Tatvorwurf ebenfalls nicht enthalten.

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Wenn hingegen die belangte Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses auf Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes 2003 hinweist, so ist ihr entgegenzuhalten, dass gemäß § 2 Z3 Öffnungszeitengesetz 2003 der Kleinverkauf von in § 157 Abs.1 Z2 GewO 1994 angeführten Waren auf Tankstellen grundsätzlich von den Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes ausgenommen ist. Dies bedeutet, dass Tankstellen für den Kleinverkauf der angeführten Waren aus der Regelung des Öffnungszeitengesetzes 2003 ausgenommen sind und daher diese Waren unbeschränkt rund um die Uhr verkaufen können. Dies gilt ohne flächenmäßige Beschränkung. In § 2 Z3 Öffnungszeitengesetz 2003 wird nämlich auf die Bestimmung des § 157 Abs.2 Satz 2 GewO 1994 nicht hingewiesen. Es gilt daher hinsichtlich der Ausnahmeregelung für Tankstellen vom Öffnungszeitengesetz mangels eines Verweises auf die entsprechende Bestimmung des § 157 Abs.2 GewO keine flächenmäßige Beschränkung. Entscheidend für die Frage der Flächenbeschränkung ist daher, ob der Kleinverkauf durch einen Tankstellenbetreiber - ohne entsprechende Gewerbeberechtigung - im Rahmen seines freien Gewerbes oder im Rahmen einer entsprechenden Handelsgewerbeberechtigung erfolgt. Diese Unterscheidung ist daher nur für eine Übertretung der Bestimmungen des § 157 Abs.2 GewO 1994 relevant, nicht jedoch für die Ausnahme vom Öffnungszeitengesetz bzw. für eine Übertretung nach dem Öffnungszeitengesetz.

Schlagworte
Nebenrechte, Tankstelle, Kleinwarenverkauf, Flächenbeschränkung, Flächenbeschränkung beim Öffnungszeitengesetz
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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