RS UVS Burgenland 2006/10/24 167/10/06001

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Veröffentlicht am 24.10.2006
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Rechtssatz

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen die Zulässigkeit einer Beschwerdeerhebung gegen eine Vorführung eines Fremden vor eine Botschaft bestätigt. Er erachtete die Vorführung vor die Botschaft als eine selbständig anfechtbare Maßnahme in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (VwGH 28 02 1997, 96/02/0405; VwGH 20 12 1996, 95/02/0572). Der Verwaltungsgerichtshof sieht dabei einen engen Konnex zur Vornahme und Vorbereitung einer Abschiebung, was im Übrigen nunmehr durch § 46 Abs 2 FPG deutlich zum Ausdruck kommt.

 

Nach der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Abschiebung nach § 36 FrG 1992 (nunmehr § 46 FPG) nicht eine bloß tatsächliche Maßnahme der Vollstreckung vorangegangener Bescheide, sondern als selbständige Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen (vgl VwGH 23 9 1994, 94/02/0139; VwGH 24 2 1995, 94/02/0410; VwGH 8 9 1995, 95/02/0197; VwGH 17 11 1995, 95/02/0217; anders allerdings der VfGH 01 10 1994, B 75/94 und 28 11 1994, B 178/94). Hingegen war nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Abschiebung nach § 13 FrPolG (alt) eine bloße Vollstreckungsmaßnahme und keine anfechtbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl VwGH 14 4 1993, 93/18/0062, 93/18/0108 und 93/18/0113; VwGH 11 11 1993, 93/18/0456; VwGH 22 4 1994, 94/02/0009; VwGH 30 5 1995, 92/18/0275). Der Verfassungsgerichtshof blieb hingegen in seiner jüngsten Entscheidung vom 28 09 2005, Zl B 1324/04, bei seiner bisherigen Meinung, dass die Abschiebung nach § 56 FrG 1997 (nunmehr § 46 FPG) als Vollstreckungsmaßnahme eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung grundsätzlich nicht mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbar ist, stellte jedoch fest, dass eine Abschiebung allerdings unter bestimmten Umständen als bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt angesehen werden kann. Eine Anwendung von "Befehls- und Zwangsgewalt" zwecks Abschiebung iSd § 56 FrG 1997, die nicht bloß der Vollstreckung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes diente, erachtete der Verfassungsgerichtshof nämlich als gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG beim unabhängigen Verwaltungssenat bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Dies war etwa dann der Fall, wenn der Fremde - entgegen eines gesetzlich normierten Abschiebungsverbotes - abgeschoben wurde, da eine solche Abschiebung nicht bloß als zulässige Vollstreckung vorangegangener Bescheide gewertet werden konnte, weil ihre Zulässigkeit noch gar nicht fests tand (VfSlg 13885/1994). Wurde beispielsweise ein Asylwerber abgeschoben, noch ehe die Ausweisung durchsetzbar ist und obwohl eine Abschiebung nach § 56 FrG 1997 die Durchsetzbarkeit des Ausweisungsbescheides voraussetzte, stellte sich eine solche Abschiebung nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nicht bloß als zulässige Vollstreckung der Ausweisung dar; sie wurde unter diesen Voraussetzungen jedenfalls als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert, die vor dem unabhängigen Verwaltungssenat bekämpft werden kann.

 

Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der unabhängige Verwaltungssenat nach der Meinung beider Gerichtshöfe jedenfalls die begehrte Überprüfung einer Abschiebung - und sohin auch die mittels Befehls- und Zwangsgewalt getroffenen Vorbereitungsmaßnahmen - durchzuführen hat. Stellt sich heraus, dass Rechtswidrigkeit nicht gegeben ist, so führen die jeweiligen Meinungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zu folgendem unterschiedlichen Ergebnis:

 

Da nach Meinung des VfGH nur die nicht der Vollstreckung dienende Abschiebung mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbar ist, wäre eine Beschwerde gegen eine tatsächlich rechtmäßig durchgeführte, der Vollstreckung eines Aufenthaltsverbots oder einer Ausweisung dienende Abschiebung zurückzuweisen. Folgt man der Meinung des VwGH wäre im Falle der Rechtmäßigkeit der Abschiebung mit Antragsabweisung vorzugehen. Nichts anderes dann kann für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Vorführung eines Fremden vor die Botschaft zur Erlangung eines Passersatzdokumentes gelten. Stellt sich die Vorführung zwecks Erlangung eines Heimreisezertifikates, das für die Durchführung einer Abschiebung benötigt wird. als rechtmäßig dar, so wäre diese Handlung - folgt man der Auffassung des VfGH - als nicht gesondert anfechtbare Vorbereitung der Vollstreckungsmaßnahme ?Abschiebung? anzusehen und die Beschwerde (im Ergebnis im Sinne der Ansicht des UVS Wien, wobei die Unzulässigkeit aber nicht auf eine - zulässige - Anhaltung in Schubhaft, sondern auf die nicht gesondert anfechtbare Abschiebung zurückzuführen wäre) als unzulässig anzusehen und zurückzuweisen. Folgt man hingegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, so wäre die Beschwerde als gegen eine eigenständige Maßnahme gerichtet anzusehen und einer inhaltlichen Behandlung zuzuführen (aber im Falle der Rechtmäßigkeit abzuweisen).

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat schließt sich der Meinung des Verwaltungsgerichtshofes an, und erachtet die Anfechtung einer Abschiebung mit Maßnahmenbeschwerde als jedenfalls zulässig. Dies aus folgenden Gründen:

 

Das Ergebnis der unterschiedlichen Ansichten der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist ein gradueller. Wie bereits angemerkt, ist nach beiden Ansichten eine Überprüfung des angefochtenen Aktes vorzunehmen, weil auch dann, wenn man dem VfGH folgt, erst nach Feststellung der genauen Umstände der in Beschwerde gezogenen Maßnahme festgestellt werden kann, ob eine Anwendung von "Befehls- und Zwangsgewalt" für die Abschiebung vorgenommener Handlungen iSd § 46 FPG, die nicht bloß der Vollstreckung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes dienen, vorliegt.

 

Der Gesetzgeber legt ausdrücklich fest, dass eine Abschiebung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Fremdenpolizeibehörde durchzuführen ist (§ 46 Abs 1 FPG) und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 13 Abs 3 FPG ermächtigt sind, die ihnen von Fremdenpolizeibehörden erteilten Aufträge mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Nun hat der Verwaltungsgerichtshof schon zum FrG 1992 folgendes festgehalten (vgl. statt vieler: VwGH 24 02 1995, 94/02/0410):

?Anders als nach dem Fremdenpolizeigesetz (Anm.: gemeint ist das FrPolG 1954) gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, daß unter der "unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt" im Sinne des § 40 FrG die Anwendung unmittelbaren Zwanges im Sinne des § 7 VVG zu verstehen sei; die Rechtswidrigkeit der Abschiebung als solcher kann daher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trotz Vorliegens durchsetzbarer Bescheide betreffend Aufenthaltsverbot oder Ausweisung mit Maßnahmenbeschwerde nach Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67c AVG geltend gemacht werden, sodaß die Zurückweisung der Beschwerde durch die belangte Behörde nicht der (neuen) Gesetzeslage nach dem Fremdengesetz entsprochen hat (vgl das hg Erkenntnis vom 23 September 1994, Zl 94/02/0139).? Ausdrücklich führte der Verwaltungsgerichtshof an, dass er seine frühere zum FrPolG 1954 ergangene Judikatur infolge Änderung der gesetzlichen Bestimmungen nicht weiter aufrechterhalte. Die für den 23 02 2006 heranzuziehende Rechtslage nach dem FPG sah vergleichbare Vorschriften wie das FrG 1992 und das FrG 1997 über die Anwendung von unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt vor.

 

Weiters spricht für eine eigenständige Maßnahme verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, dass den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei der Auswahl der Mittel zur Durchführung des behördlichen Auftrages zur Abschiebung weitreichendes Ermessen eingeräumt ist und darüber hinaus im Falle der Anwendung unmittelbarer Zwangsgewalt die Geltung des Waffengebrauchsgesetzes angeordnet wurde (§ 13 Abs 4 FPG).

 

Die Ausführungen zur Anfechtbarkeit einer Abschiebung gelten nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland aufgrund des engen Zusammenhanges mit der Abschiebung auch für die Vorführung eines Fremden vor die Botschaft zwecks Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Schlagworte
Asylwerber, Vorführung vor die Botschaft, Herkunftsstaat, Vertretungsbehörde, Heimreisezertifikat, Passersatzdokument, Ersatzreisedokument
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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