Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §183 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der B AG in W, vertreten durch Dr. Gertraud Fuchs, Rechtsanwalt in Wien I, Johannesgasse 2, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Korneuburg vom 20. Februar 2001, Jv 4804-33a/00, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles - in dem in Streit steht, ob ein von der Beschwerdeführerin einem Bausparer gewährtes Bauspardarlehen unmittelbar zur Errichtung einer Wohnung oder aber nur zum Erwerb einer bereits errichteten Wohnung gedient hat - wird auf das hg Erkenntnis vom 9. November 2000, Zl 99/16/0349, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der damals angefochtene Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil der Sachverhalt von der belangten Behörde nicht ausreichend geklärt worden war. Insbesondere wurde in dem Erkenntnis ausgesprochen, aus dem Meldedatum der Bausparer allein könne der Schluss, es habe sich bei den von der Beschwerdeführerin behaupteten Errichtungsarbeiten bloß um Adaptierungsarbeiten gehandelt, nicht gezogen werden.
Mit einem Schriftsatz vom 11. Dezember 2000 wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde vorgehalten, die Benützungsbewilligung für das in Rede stehende Wohnhaus mit Eigentumswohnungen sei laut Auskunft des Bauamtes Schwechat am 18. Juli 1996 erteilt worden. Nach dem Kaufvertrag sei die Wohnung an die Käufer am 30. September 1998 übergeben worden. Die Wohnung sei seit dem 11. November 1998 bewohnt.
Mit einer Eingabe vom 20. Februar 2001 wurde von der Beschwerdeführerin ein Schreiben des ausführenden Bauunternehmers vom 31. Mai 1999 vorgelegt, wonach das Wohnobjekt im Zeitpunkt des Kaufvertrages vom 31. August 1998 noch nicht bezugsfertig gewesen sei. Die Fertigstellungsarbeiten hinsichtlich der Bodenbeläge, die Malerarbeiten sowie die Sanitär- und Elektroinstallationsarbeiten seien vom Bauunternehmer erst nach der Vertragsunterzeichnung durchgeführt worden. Weiters wurde ein Schreiben der Gebäudeverwaltung T. an die Bausparer vom 24. Juni 1999 vorgelegt, wonach die "bautechnische Abnahme" am 6. Juli 1999 stattfinde. Die Beschwerdeführerin beantragte in der Eingabe vom 20. Februar 2001, das Bauamt Schwechat zur Stellungnahme aufzufordern, weil es auszuschließen sei, dass die Benützungsbewilligung vor der bautechnischen Abnahme und Fertigstellung erfolgt sei.
Auf der in den Verwaltungsakten enthaltenen Ausfertigung dieser Eingabe vom 20. Februar 2001 befindet sich der handschriftliche, mit 16. März 2001 datierte Vermerk "verspätet, einlegen".
Mit einer weiteren Eingabe vom 13. März 2001 - auf der ebenfalls ein handschriftlicher, mit 16. März 2001 datierter Vermerk "verspätet, einlegen" angebracht war - wurde ein Schreiben der Stadtgemeinde Schwechat vom 1. März 2001 vorgelegt, wonach die Wohnung "aufgrund der vorliegenden Aktenlage" am 18. Juli 1996 fertiggestellt gewesen sei, nicht aber "diverse Komplettierungs- und Fertigstellungsmaßnahmen". In der Eingabe wurde dazu ausgeführt, dass zwar die einzelne Wohnung "physisch" bewohnbar gewesen sei, nicht jedoch das gesamte Gebäude, weil "allgemeine Hausteile noch nicht fertiggestellt" gewesen seien.
Schließlich brachte die Beschwerdeführerin in einem Schriftsatz vom 22. März 2001 vor, nach einer Auskunft der Herren Ing. R. und Ing. K. vom Bauamt Schwechat liege noch immer keine rechtskräftige Baubewilligung vor. In einem diesem Schriftsatz angeschlossenen Schreiben wurde von den Bausparern zum Sachverhalt dargelegt, die Wohnung sei nur so weit ausgeführt gewesen, dass noch entscheidende innenarchitektonische Fertigstellungen vom Käufer mitbestimmt werden konnten. Die "Sanitärausführung" sei mit sämtlichen Zu- und Abläufen ausgefertigt gewesen. Die Wände seien verputzt und gestrichen gewesen. Vorerst seien ein Standard-Waschtisch und ein WC vorhanden gewesen. Danach sei es zu einer Umgestaltung nach den innenarchitektonischen Vorstellungen des Bausparers mit ausgesuchten Materialien gekommen. Die Verfliesung sei bis zur Decke erfolgt. Zusätzliche Erweiterungsarbeiten seien für eine zweite Küche im Untergeschoß vorgenommen worden. Hinsichtlich der Elektroinstallationen wurde ausgeführt, dass es zu nachträglichen Erweiterungen durch vorhandene Leerverrohrungen und die zusätzliche Erweiterung der Stromkreise für die zweite Küche gekommen sei. Eine zweite Türsprechanlage im Obergeschoß sei montiert worden. Bodenbeläge aus PVC und Estrich-Flächen seien durch Fliesen und Parkettböden ergänzt worden. An allen nach außen gerichteten Fenster- und Türflächen seien Beschattungen eingebaut worden. Schließlich seien alle Zimmer mit einem neuen Dispersionsanstrich ausgemalt worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der von der Beschwerdeführerin eingebrachte Rückzahlungsantrag im fortgesetzten Verfahren neuerlich abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, bei den "Arbeiten, die der Errichter und Verkäufer der Wohnung nach Vertragsabschluss noch geleistet" habe, könne "es sich nur um Adaptierungsarbeiten - die noch dazu keinesfalls den Wert von S 1,209.000,-- erreicht" hätten - gehandelt haben. Die Wohnung sei laut Auskunft des Meldeamtes seit 11. November 1998 bewohnt. Einen Nachweis, was im Einzelnen mit dem zugezählten Bauspardarlehen finanziert worden sei, habe die Beschwerdeführerin nicht beigebracht.
In der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin durch die Abweisung ihres Rückzahlungsantrages in ihren Rechten verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In dem in den §§ 6, 7 und 14 GEG 1962 nur bruchstückhaft geregelten Verwaltungsverfahren zur Erhebung der Gerichtsgebühren sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mangels besondere gesetzlicher Regelungen die allgemeinen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens heranzuziehen (vgl zB das hg Erkenntnis vom 22. Oktober 1992, Zl 91/16/0107). Zu den allgemeinen Grundsätzen eines geordneten Verfahrens gehört die Verpflichtung der Behörde zur ausreichenden Begründung eines Bescheides. Die Begründung muss dabei erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl zB das hg Erkenntnis vom 30. März 1998, Zl 97/16/0227). Diesen Erfordernissen entspricht der angefochtene Bescheid in keiner Weise:
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ist insbesondere nicht erkennbar, auf Grund welcher Sachverhaltsfeststellungen die belangte Behörde zu dem Schluss gekommen ist, es könne sich bei den "nach Vertragsabschluss" geleisteten Arbeiten "nur" um Adaptierungsarbeiten gehandelt haben. Im Vorerkenntnis vom 9. November 2000 hat der Verwaltungsgerichtshof zur im Wesentlichen gleichartigen Begründung des damals angefochtenen Bescheides ausgesprochen, dass die Frage der Errichtung der Wohnung nach den Daten der Anmeldung nicht beurteilt werden könne. Die belangte Behörde hat es somit im nunmehr angefochtenen Bescheid unterlassen, gemäß § 63 Abs 1 VwGG den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, womit sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastete.
Überdies hat die belangte Behörde es unterlassen, das Vorbringen der Beschwerdeführerin in insgesamt drei Eingaben auch nur zu erwähnen, geschweige denn, sich damit auseinanderzusetzen. Selbstverständlicher Grundsatz eines geordneten Verwaltungsverfahrens ist es, dass sich die Behörde mit einem Vorbringen, das bis zur Bekanntgabe des Bescheides bei dieser einlangt, auseinanderzusetzen hat (vgl. z.B. das zur Bundesabgabenordnung ergangene hg. Erkenntnis vom 2. Februar 2000, Zl 97/13/0187). Darauf, ob dieses Vorbringen vor oder nach einer behördlich gesetzten Frist für eine Anfragebeantwortung eingebracht wird, kommt es in Ermangelung konkreter Präklusionsvorschriften in keiner Weise an.
Dabei ist für das fortgesetzte Verfahren, wie aus verfahrensökonomischen Gründen festgestellt wird, zu beachten, dass die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privaturkunden (Sachverhaltsdarstellungen des bauausführenden Unternehmers einerseits und des Wohnungswerbers andererseits) zueinander in Widerspruch stehen. Die Behörde ist dabei verpflichtet, diese Widersprüche aufzuklären.
In rechtlicher Hinsicht ist im Übrigen im Beschwerdefall allein entscheidend, ob die in Rede stehende Wohnung im Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld bereits errichtet war oder nicht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum vergleichbaren Begriff der Schaffung von Arbeiterwohnstätten iSd § 4 Abs 1 Z 2 lit a GrEStG 1955 ausgesprochen hat, ist eine Wohnstätte errichtet, wenn die baulichen Arbeiten daran vollendet sind. Dies ist dann anzunehmen, wenn das Wohnhaus benützbar und seinem Zweck entsprechend bewohnbar fertiggestellt ist (vgl zB das hg Erkenntnis vom 18. Oktober 1984, Zl 82/16/0129). In unbedeutenden Veränderungen, zB im Versetzen von Zwischenwänden, in dem Ersatz eines Fensters durch eine Tür auf die Terrasse, in einer Änderung des Kellergrundrisses und in üblichen Verbesserungen der Innenausstattung sind nur unwesentliche Details im Zusammenhang mit dem Begriff der Schaffung zu erblicken (vgl zB die hg Erkenntnisse vom 20. September 1984, Zlen 83/16/0126, 83/16/0138, und vom 21. November 1985, Zlen 83/16/0143, 83/16/0165). Eine bloße "Umgestaltung" der Wohnung nach innenarchitektonischen Vorstellungen des Wohnungswerbers, wie der Einbau einer zweiten Küche, Ergänzung der Verfliesung und der Bodenbeläge und dgl., stellt dabei nur eine unbedeutende Veränderung der bereits errichteten Wohnung dar.
Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben, wobei von der Durchführung der Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. September 2001
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001160275.X00Im RIS seit
31.01.2002