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97 VergabewesenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine willkürliche oder denkunmögliche Entscheidung des Bundesvergabeamtes betreffend die Versagung von Nachprüfungsverfahren bzw hinsichtlich der Gebühren für Sachverständige im Zuge der Vergabekontrolle öffentlicher Aufträge; keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler hinsichtlich Ermittlungsverfahren und BescheidbegründungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr führte im Jahr 1995 ein Verfahren zur Vergabe von Generalplanungsleistungen (Bau, Haustechnik und Einrichtung) einer nach Beendigung des eigentlichen Neubauvorhabens in Aussicht genommenen sogenannten
"2. Einrichtungsphase" an der Veterinärmedizinischen Universität Wien durch. Mit Schreiben vom 7. November 1995 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, "daß nach Prüfung der eingelangten Unterlagen in Vertragsverhandlungen mit dem Bestbieter eingetreten wurde und Ihrem Anbot vom 14. Juni 1995 bedauerlicherweise nicht nähergetreten werden kann". Mit Schreiben vom 30. Jänner 1996 teilte der Bundesminister sodann dem Beschwerdeführer (und auch jenem Bieter, mit dem die Vertragsverhandlungen geführt wurden) mit, daß er das Vergabeverfahren aufgehoben habe.
Nach Befassung der Vergabekontrollkommission des Bundes begehrte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 6. Februar 1997 beim Bundesvergabeamt (BVA) die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und beantragte, die Entscheidung des Bundesministers auf Widerruf des Vergabeverfahrens für nichtig zu erklären. Diesen Antrag wies das BVA mit Bescheid vom 12. März 1997 als unbegründet ab.
2. a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des Eigentumsrechtes und des Gleichheitsgrundsatzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
b) Das BVA legte die Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
c) Der im Verfahren beteiligte Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr legte die Verwaltungsakten vor, gab aber keine Stellungnahme ab.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
a) Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985, 11650/1988) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).
b) Der Bescheid stützt sich auf Art12 Abs2 der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge. Dies ist unter den vom Verfassungsgerichtshof zu prüfenden Gesichtspunkten angesichts des Umstandes unbedenklich, daß zum Zeitpunkt der Ausschreibung des Auftrags das Bundesvergabegesetz Regelungen über Dienstleistungsaufträge noch nicht enthielt und daß die genannte Richtlinienbestimmung einer unmittelbaren Anwendbarkeit jedenfalls zugänglich ist.
Die Beschwerde rügt dies auch gar nicht; sie bringt vielmehr vor, daß die vergebende Stelle unrichtig entschieden habe: In einem nicht offenen Verfahren sei ein Widerruf der Ausschreibung nach Anbotsabgabe unzulässig. Damit werden aber keine in die Verfassungssphäre reichende Fehler geltend gemacht; von einer verfassungswidrigen oder denkunmöglichen Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie kann keine Rede sein.
Die Behörde hat ihre Entscheidung plausibel und nachvollziehbar begründet. Sie hat die Entscheidung weder leichtfertig getroffen noch sonst Willkür geübt; ob das Verfahren in jeder Hinsicht rechtmäßig geführt wurde und ob die Entscheidung rechtsrichtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen; und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10565/1985, 10659/1985, 12697/1991).
c) Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Vergabewesen, Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren, EU-Recht Richtlinie, Bescheidbegründung, KostenersatzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B1174.1997Dokumentnummer
JFT_10018985_97B01174_00