RS UVS Oberösterreich 2007/08/14 VwSen-280959/13/Kl/Pe

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 14.08.2007
beobachten
merken
Rechtssatz

Gemäß § 1 Abs.1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 309/2004 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) gilt dieses Bundesgesetz für die Beschäftigung von Arbeitnehmern. Arbeitnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die im Rahmen eines Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses tätig sind. Arbeitgeber im Sinn dieses Bundesgesetzes ist jede natürliche oder juristische Person, Personengesellschaft des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaft, die als Vertragspartei des Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer die Verantwortung für das Unternehmen oder den Betrieb trägt (§ 2 Abs.1 leg.cit.). Arbeitgeber sind verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheitsschutz in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen (§ 3 Abs.1 leg.cit.).

Gemäß § 9 Abs.1 und 2 ASchG liegt eine Überlassung im Sinn dieses Bundesgesetzes vor, wenn Arbeitnehmer Dritten zur Verfügung gestellt werden, um für sie und unter deren Kontrolle zu arbeiten. Überlasser ist, wer als Arbeitgeber Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung an Dritte verpflichtet. Beschäftiger ist, wer diese Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung einsetzt. Für die Dauer der Überlassung gelten die Beschäftiger als Arbeitgeber im Sinn dieses Bundesgesetzes. Um den Berufungswerber als handelsrechtlichen Geschäftsführer der B - B- u S-Bgesellschaft m.b.H. verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung ziehen zu können, ist es daher erforderlich, dass der genannten Gesellschaft Arbeitgebereigenschaft hinsichtlich der zum Tatzeitpunkt angetroffenen Arbeitnehmer zukommt bzw. dass sie Beschäftiger der angetroffenen Arbeitnehmer ist.

Im Grunde des als erwiesen festgestellten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass Arbeitnehmer der B - B- u S-Bgesellschaft m.b.H. nicht auf der Baustelle angetroffen wurden. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Zeugenaussagen und auch aus den Erhebungen des Kontrollorgans bei der Sozialversicherung. Vielmehr ergibt sich aus den nachgewiesenen Vereinbarungen, dass die Verlegearbeiten (Eisenflechter) von der E HgmbH als Subauftrag zur Gänze übernommen wurde. Letztgenanntes Unternehmen scheint auch teilweise bei der Sozialversicherung als Arbeitgeber der angetroffenen Arbeitnehmer auf. Für eine Annahme, dass die E HgmbH Arbeitnehmer der E GmbH bzw. der B - B- u S-Bgesellschaft m.b.H. zur Verfügung stellt, gibt es keine Anhaltspunkte. Dass einige Arbeitnehmer durch andere Unternehmen zur Sozialversicherung angemeldet wurden, hindert ein Beschäftigungsverhältnis für die E HgmbH nicht und lässt eher einen Schluss auf Arbeitskräfteüberlassung an dieses Unternehmen zu. Gemäß § 3 Abs.1 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz - AÜG ist die Überlassung von Arbeitskräften die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte.

Gemäß § 4 AÜG ist für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Arbeitskräfteüberlassung liegt insbesondere auch vor, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber

1. kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkvertrages abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder

2. die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers leisten oder

3. organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen oder

4. der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet. Anhand der genannten Kriterien ist daher eine Arbeitskräfteüberlassung an die B - B- u S-Bgesellschaft m.b.H. nicht vorliegend, zumal keine Anhaltspunkte bestehen, dass die Arbeitnehmer organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen. Dass eine Koordination mit der Baustellenleitung hergestellt werden muss bzw. auch eine Kontaktperson im Hinblick auf die zeitliche Abstimmung der Baustelle benannt ist, beweist noch keine Dienst- und Fachaufsicht. Das Ermittlungsverfahren hat auch erwiesen, dass die Eisenflechterarbeiten mit Material und Werkzeug, nämlich Zangen, Bindedraht usw. des Subunternehmers geleistet werden. Die Firma B stellt kein Material und Werkzeug zur Verfügung. Davon ist jedoch zu unterscheiden, dass der zu verarbeitende gebogene Baustahl vorgefertigt vom Berufungswerber zur Baustelle geliefert wird. Genau dies ist ein Unterscheidungsmerkmal gemäß § 4 Abs.2 Z1 AÜG, weil ein vom Werkbesteller abweichendes und unterscheidbares Werk hergestellt wird. Nach den Feststellungen wird nämlich der gebogene Baustahl vom Berufungswerber geliefert, wobei diese Arbeiten vom Berufungswerber durchgeführt werden, wo hingegen das Verlegen dieses vorgefertigten Baustahles zur Gänze und unabhängig vom Berufungswerber durch das Subunternehmen durchgeführt wird. Für diese Verlegung hat auch das Subunternehmen den Erfolg zu gewährleisten.

Es ist daher sowohl nach der äußeren Erscheinungsform, nämlich nach den genannten Vereinbarungen von Subaufträgen, wie auch nach dem wirtschaftlichen Gehalt - wie oben dargelegt - von keiner Arbeitskräfteüberlassung auszugehen.

Dazu wird auch auf die entsprechende Literatur in der Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht, Heft Nr. 1/2002, 37. Jahrgang, "Einsatz von Werkverträgen im Ausländerbeschäftigungsrecht - dargestellt am Beispiel von Eisenarmierungsarbeiten, von Hofrat Dr. Heinz Bachler" sowie die darin zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen. Darin wird insbesondere dargelegt, dass wenn "seitens der Baufirma der gesamte Armierungsauftrag (also Biegen und Verlegen) an einen Stahlhändler oder Biegebetrieb vergeben wird, dieser die Verlegearbeiten meist an Verlegebetriebe weiter vergibt. Die beauftragten Biegebetriebe führen in den seltensten Fällen selbst Verlegearbeiten durch. Manchmal werden bei größeren Aufträgen vom beauftragten Verlegebetrieb einzelne Teile an einen Sub-Verlegebetrieb weitergegeben. Eisenflechter ist in Österreich kein eigenständiger Beruf, sondern wird die Tätigkeit im Rahmen des Baumeistergewerbes ausgeübt. Dem Eisenflechter obliegt die Herstellung des Traggerüstes aus Bewehrungsstahl eines im Stahlbetonbau auszuführenden Bauwerkes (zumeist an Ort und Stelle), wobei der Bewehrung die Aufgabe zufällt, dem Stahlbeton die dem Beton fehlende Zugfestigkeit zu liefern und ihm damit Biegefestigkeit zu verleihen. Die Werkleistung besteht in der lagerichtigen Verlegung der bauseits bzw. vom Biegebetrieb bereitgestellten und allenfalls von Eisenbiegern vorgefertigten Betonstähle bzw. Betonstahlteilkonstruktionen in bauseits hergestellten Formen (Schalung), wobei als wichtigste Leistungsmerkmale neben der Termintreue zur Einhaltung des Betoniertermines der richtige Abstand der statisch wirksamen Stähle zueinander und der Abstand der Konstruktion zur Schalung hervorzuheben sind. Weiters komme es auf die plangerechte Ausführung des Bewehrungsplanes und die Maßnahmen zur Lagesicherung an. Das fertige Werk des Eisenflechters wird vor dem Betoniervorgang vom Auftraggeber und vom Planverfasser abgenommen. Das Abnahmeprotokoll gilt in der Praxis als Übergabe des Werkes an den Auftraggeber."

Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.9.1998, 97/09/0150, wird der Schluss gezogen, dass Eisenflechtarbeiten grundsätzlich als "werkvertragsfähig" gelten. Es kommt auf die Unterscheidbarkeit der angeblich weitergegebenen Leistungen an. Unter weiteren Judikaturnachweisen wird ausgeführt, dass "die einfache Art der Tätigkeit nicht das ausschlaggebende Merkmal ist, sondern nur in Verbindung mit weiteren typischen Abgrenzungskriterien? Es kommt nicht, für sich gesehen, allein auf die Art der verrichteten Tätigkeit an, sondern auf die Gefahr der Verwischung der Grenzen zwischen den Arbeitserfolgen."

Insbesondere wird unter Punkt 6.1 des zitierten Aufsatzes ein Beispiel angeführt, dass "der Gesamtauftrag betreffend Armierung eines Stahlbetonbaus an ein Eisenbiegeunternehmen (kurz: Eisenbieger) vergeben wird, dieses vergibt die Eisenflechtarbeiten einem Subunternehmer weiter. Von der Art der Tätigkeit her handelt es sich um relativ einfach abgrenzbare Werke. Während der Eisenbieger grundsätzlich nicht an der Baustelle tätig wird, sondern in seiner eigenen Fabrikationsstätte - schließlich ist für das Biegen von oft dicken Stahlbetonstäben an exakt definierten Stellen und die Vorfertigung von Bewehrungselementen ein nicht zu unterschätzender Maschinenpark nötig -, tritt der Eisenflechter in der Regel erst auf der Baustelle des zu errichtenden Stahlbetonbaues in Erscheinung. Er fügt die vom Eisenbieger vorgefertigten Teile an der Baustelle zur Gesamtbewehrung oder zu Bewährungskörpern zusammen. Nur wenn auch der Eisenbieger Teilverlegungsarbeiten selbst ausführt oder vorzufertigende Teile erst an der Baustelle herstellt, kann es zu Unterscheidungsproblemen kommen. Ein Abgrenzungsproblem entsteht oft durch eine an der Baustelle anwesende "Aufsichtsperson", welche die Bewehrungspläne von der Bauleitung entgegennimmt und mit mehr oder weniger genauen Anweisungen an den Leiter der Eisenflechter weitergibt. Gehen die Anweisungen über solche hinaus, die rein auf den Arbeitserfolg abstellen (z.B. Anweisungen im Rahmen der Koordinierung des Gesamtbaufortschrittes, welche Planabschnitte in welcher Reihenfolge auszuführen sind), betreffen sie auch die persönliche Gestaltung der Leistung und engen die eigene Gestaltungsmöglichkeit des Eisenflechters bei der Erbringung seiner Leistung ein (z.B. Anweisungen, in welcher Reihenfolge einzelne Bewehrungselemente zu verlegen sind oder Anordnungen betreffend zeitlichen Einsatzes bestimmter Arbeitskräfte - das muss der Eisenflechter selbst wissen, anordnen und Fehler im Rahmen seiner Gewährleistung bzw. Haftung für die rechtzeitige Werkerfüllung selbst verantworten), liegt also die Fach- und Dienstaufsicht beim Auftraggeber, so liegt zumindest ein auf persönliche Abhängigkeit der Eisenflechter vom Eisenbieger deutendes Indiz vor, wenn nicht gar bereits der Tatbestand des § 4 Abs.2 Z3 AÜG erfüllt ist. Unschädlich für die Beurteilung als Erbringung eines selbständigen Werkes sind die in Verträgen regelmäßig vorkommenden Klauseln "Verlegeprogramme einvernehmlich festzulegen", "Leistungen einvernehmlich mit der Bauführung durchzuführen" oder die Einrichtung einer "Koordinierungsstelle", denn eine auf den Baufortschritt bezogene einvernehmliche oder koordinierte Auftragsausführung ist mit weisungsgebundener Ausführung nicht gleichzuhalten. Gleichermaßen unschädlich ist auch die Verpflichtung, vor Arbeitsbeginn etwa Bestätigungen über die Anmeldung zur Sozialversicherung bzw. der arbeitsmarktrechtlichen Berechtigungen nach dem AuslBG der Bauleitung zu übergeben."

Nach diesen Ausführungen kann anhand der festgestellten Sachverhalte eindeutig die Leistung als Eisenbieger durch den Berufungswerber von der Leistung der Eisenflechter konkret vor Ort an der Baustelle unterschieden werden. Dabei ist die bekannte Kontaktperson bzw. die Aufsichtsperson, die im Hinblick auf den Arbeitserfolg notwendig ist, unschädlich für die Beurteilung als Erbringung eines selbständigen Werkes. Auch die in den Subverträgen aufscheinende Pflicht zur Meldung zur Sozialversicherung bzw. Bestätigung der arbeitsmarktrechtlichen Berechtigungen ist nicht hinderlich. Auch wird auf Punkt 6.1.2 des Aufsatzes hingewiesen, welcher jene Konstruktion darlegt, die auch im vorliegend vom Berufungswerber geltend gemacht wird, nämlich dass ein Gesamtauftrag betreffend Armierung eines Stahlbetonbaues an einen Eisenbieger vergeben wird, welcher die Eisenflechtarbeiten einem Eisenflechter vergibt, der den gesamten Auftrag einem anderen Eisenflechter weitergibt. Tritt der erstgenannte Eisenflechter bei der Erfüllung des Auftrages insbesondere an der Baustelle nicht in Erscheinung, so wird die Baustelle auch nicht Teil seiner betrieblichen Sphäre, weil er an der Baustelle seine betriebstypischen Erwerbszwecke nicht verfolgt. Der übernommene Auftrag wird daher nicht im Betrieb des erstgenannten Eisenflechters erfüllt, sondern allenfalls in der betrieblichen Sphäre des vorgeordneten Auftraggebers. Sowohl die Berufungsausführungen des Berufungswerbers als auch die Ergebnisse der öffentlichen mündlichen Verhandlung in Zusammenhalt mit den vorgelegten Unterlagen weisen demnach keine Arbeitskräfteüberlassung an den Berufungswerber nach, sondern ist vielmehr aufgrund des festgestellten Sachverhaltes unter Zugrundelegung der obigen rechtlichen Ausführungen von einem Werkvertrag und daher von einer Weitervergabe der Eisenflechterarbeiten auszugehen. Es war daher der Berufungswerber weder selbst Arbeitgeber noch im Wege der Arbeitskräfteüberlassung Beschäftiger und daher nicht gemäß §§ 3 und 9 ASchG verantwortlich für die an der Baustelle anwesenden Eisenflechter.

Es hat daher der Berufungswerber mangels Arbeitgebereigenschaft die ihm vorgeworfene Tat verwaltungsstrafrechtlich nicht zu verantworten, weil er sie nicht begangen hat. Es war daher gemäß § 45 Abs.1 Z2 erste Alternative VStG das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber einzustellen.

Schlagworte
Eisenbieger, Eisenflechter, Werkvertrag, keine Arbeitskräfteüberlassung, Subauftrag
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten