Die zu beurteilende Versammlung nach der polizeilichen Beendigung einer Hausbesetzung war eine so genannte "Spontanversammlung", da sie sich ohne vorherige Einladung oder sonstige Absprache gebildet hatte. Hier fallen Entschluss und Durchführung der Versammlung unmittelbar zusammen (Keplinger, Versammlungsrecht, Linde Verlag, Wien, S 74). Die Beschwerdeführerin und die übrigen Demonstrationsteilnehmer manifestierten ihr gemeinsames Wirken dadurch, dass sie, als sie im Rathaus keinen Ansprechpartner fanden, ihre nicht angemeldete Demonstration unter Abgabe von Sprechchören in friedlicher Weise in Richtung des Sitzes des Hauseigentümers fortführten. Eine Auflösung der Versammlung im Sinne der §§ 13, 14 VersammlungsG fand nicht statt. Die Versammlung wurde zwar gegen die Vorschriften des Versammlungsgesetzes veranstaltet, da sie nicht gemäß § 2 leg cit angezeigt worden war, jedoch berechtigt dies im Hinblick auf Art 11 Abs 2 MRK ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht ihre Untersagung oder Auflösung. Es müssen konkrete Umstände hinzukommen, die eines der Schutzgüter des Art 11 Abs 2 MRK verletzen könnten (zB die Aufrechterhaltung der Ordnung, die Verbrechensverhütung, den Schutz der Gesundheit und der Moral oder den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer). Liegen solche Umstände wie im gegenständliche Fall nicht vor, ist die Verletzung der Anzeigepflicht durch die im § 19 VersammlungsG vorgesehene Strafe hinreichend sanktioniert (VfSlg 11.132/1986). Wenn also der einschreitende Polizeibeamte befürchtete, dass Personen oder Fahrzeuglenker zu Schaden kommen könnten, da sich der Demonstrationszug auf einem Fahrstreifen bewegte, war dem entgegenzuhalten, dass dies in friedlicher und geordneter Weise auf einer relativ kurzen Strecke geschah (ca 200 m und weitere 100 m bis zum Demonstrationsziel) und es den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften durchaus möglich gewesen wäre, den Demonstrationszug ohne Gefährdung des Verkehrs zum Zielpunkt (und auf die Gehsteige) zu lenken. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gewährleistet unter anderem das Recht, versammelt bleiben zu dürfen, also nicht auseinander gehen zu müssen (Keplinger, Versammlungsrecht, S 35). In diesem Sinne wurde die am Demonstrationszug teilnehmende Beschwerdeführerin durch ihre Anhaltung in einem "Polizeikessel" in der Dauer von ca 15 Minuten sowie durch die Untersagung der Fortsetzung der Demonstration unter Androhung einer erneuten "Einkesselung" durch Polizeiorgane in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt.