RS UVS Oberösterreich 2008/02/05 VwSen-590183/2/Gf/Mu/Ga

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Veröffentlicht am 05.02.2008
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Verfassungsgerichtshofbeschwerde anhängig Rechtssatz

Allseits unstrittig ist im gegenständlichen Fall, dass in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat, sich zum Zeitpunkt der Antragsstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte keine ärztliche Hausapotheke befindet und die nächstgelegene öffentliche Apotheke mehr als 500 Meter entfernt ist.

Unter derartigen Umständen darf einem Antragsteller die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke nach § 10 Abs.1 iVm § 10 Abs.2 Z3 des Apothekengesetzes, RGBL.Nr. 5/1907, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 90/2006 (im Folgenden: ApG), nur dann versagt werden, wenn für diese deshalb kein Bedarf besteht, weil sich die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen auf weniger als 5.500 verringert.

Diesbezüglich wird in dem von der Landesgeschäftsstelle Oberösterreich der Österreichischen Apothekerkammer erstellten Gutachten vom 1. August 2007, Zl. (im Folgenden: Gutachten der Apothekerkammer), im Wege einer Prognoseentscheidung ausgeführt, dass jedenfalls zu erwarten ist, dass das Versorgungspotential der in M bereits bestehenden öffentlichen Apotheke unter 5.500 Personen sinken, nämlich nur mehr aus 3.684 ständigen Einwohnern innerhalb des 4-km-Polygons sowie aus 374 zusätzlich zu versorgenden Personen im Sinne des § 10 Abs.5 ApG bestehen wird.

Diese Prognose wird von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen. Sie bringt jedoch vor, dass der Eigentümer dieser bestehenden Apotheke keinen Einspruch gegen ihr Konzessionsansuchen erhoben und somit zu erkennen gegeben hat, dass er sich nicht in seiner Existenz gefährdet fühle.

Insgesamt besehen ist damit allein die Rechtsfrage strittig, ob § 10 Abs.2 Z3 ApG - wie die belangte Behörde meint - in einem objektiven Sinn dahin auszulegen ist, dass ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke immer schon dann zu verneinen ist, wenn das Versorgungspotential einer der bereits bestehenden öffentlichen Apotheken (unabhängig davon, ob dies vom Betroffenen auch prozessual releviert wurde) unter 5.500 Personen sinken würde, oder - wovon die Rechtsmittelwerberin ausgeht - in einem subjektiven Sinn dahin, dass lediglich dann kein dementsprechender Bedarf vorliegt, wenn die Einschränkung des Versorgungspotentials von einem solchen Konzessionsinhaber auch tatsächlich und in berechtigter Weise geltend gemacht worden ist.

Rein sprachlich ist § 10 Abs.2 Z3 ApG als eine Feststellung gefasst, nämlich dahin, dass ein Bedarf nicht besteht, wenn die Zahl der von der bestehenden öffentlichen Apotheke zu versorgenden Personen weniger als 5.500 betragen wird. Diese Formulierung lag auch schon dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1998, G 37/97 u.a. (= VfSlg 15103/1998) zu Grunde, mit dem diese Regelung im Wesentlichen mit der Begründung als verfassungskonform festgestellt wurde, dass Regelungen, die im Bereich der Heilmittelversorgung die Zulassung zur Erwerbsausübung auch von dem Umstand abhängig machen, ob eine Existenzgefährdung bestehender Apotheken eintritt, sowohl im öffentlichen Interesse liegen und zur Zielerreichung der Sicherung einer bestmöglichen Heilmittelversorgung geeignet sind sowie zudem nicht unverhältnismäßig in die Erwerbsausübungsfreiheit eingreifen. In diesem Zusammenhang hat der VfGH auch ausgeführt, dass es im öffentlichen Interesse liegt, dass die bestehenden Apotheken auch im Falle einer Neuerrichtung weiterhin ihrer Betriebspflicht nachkommen und ein optimales Medikamentenlager, d.h. die benötigten Medikamente in einwandfreier Beschaffenheit, rasch, überall, jederzeit und zu erschwinglichen Preisen für den Konsumenten bereithalten können, was Betriebe mit einer bestimmten Mindestgröße voraussetzt (vgl. VfSlg 15103/1998, 216 f).

Daraus wird insgesamt deutlich, dass der VfGH - systematisch betrachtet - die Anordnung des § 10 Abs.2 Z3 ApG als eine Vorschrift qualifiziert, die einen (zulässigen) Eingriff in ein Grundrecht (nämlich jenes der Erwerbsfreiheit gemäß Art. 6 StGG) normiert, nicht aber (bzw. jedenfalls nicht von ihrer Grundintention her) eine Bestimmung des objektiven Rechts darstellt; sie verkörpert sohin eine Schutznorm zugunsten bestehender Apotheken und nicht eine Regelung öffentlicher Interessen (bzw. nur insoweit, als dieser ein Interessensausgleich zwischen eingeschränkter Grundrechtsgewährleistung und zulässiger Eingriffsermächtigung zu Grunde liegt).

Davon ausgehend liegt es aber jeweils in der Entscheidungsfreiheit des einzelnen Grundrechtsträgers selbst, ob er einen Eingriff in seine Sphäre auch prozessual geltend machen will oder nicht. Dies bedeutet, dass bei der Bedarfsprüfung nach § 10 Abs.2 Z3 ApG nur solche Inhaber von bestehenden Apotheken als schützenswert einzubeziehen sind, die im Verfahren zur Erteilung einer Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke einen formellen Einspruch gemäß § 48 Abs.2 ApG erhoben haben.

Dieses Ergebnis deckt sich auch mit der dieser Bestimmung zu Grunde liegenden Überlegung, wonach dadurch die Existenzfähigkeit einer Apotheke nicht durch den Gesetzgeber garantiert, sondern vielmehr der Einschätzung des Konzessionswerbers bzw. Konzessionsinhabers überlassen wird (vgl. dazu das bereits angeführte Erkenntnis VfSlg 15103/1998, 219). Sinkt etwa das Versorgungspotential unter 5.500 Personen, so hat der Betreiber aus eigenem zu entscheiden, ob er die Apotheke als ein wirtschaftlich leistungsfähiges Unternehmen weiterführen kann und will; eine amtliche Zurücknahme der Konzession allein aus diesem Grund kommt nämlich nach § 19 ApG nicht in Betracht. Erhebt daher der Inhaber einer bestehenden Apotheke im Verfahren zur Konzessionserteilung für eine Neuapotheke keinen Einspruch nach § 48 Abs.2 ApG, so dokumentiert er damit, dass er sich in der Möglichkeit, seinen Betrieb auch weiterhin lukrativ zu führen, als nicht gefährdet erachtet. Von welchen subjektiven Motiven er sich bei dieser Entscheidung leiten lässt, ist hingegen aus rechtlicher Sicht unbeachtlich.

Die Österreichische Apothekerkammer hat in ihrem Gutachten vom 1. August 2007, Zl., lediglich die Bedarfssituation jener bereits bestehenden Apotheke, deren Inhaber keinen Einspruch erhoben hat, erhoben. Diese ist jedoch - wie oben dargetan - nicht maßgeblich. Hinsichtlich der beiden mitbeteiligten Parteien sind aber auch seitens der belangten Behörde keine Ermittlungen getätigt worden, sodass dementsprechende Feststellungen insgesamt besehen gänzlich unterblieben sind.

Aufgrund der sohin offenkundig notwendigen ergänzenden Erhebungen war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs.2 AVG aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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