TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/20 2001/11/0119

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Veröffentlicht am 20.09.2001
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs5;
StGB §142 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des W in K, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in 1090 Wien, Garnisongasse 11/1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Februar 2001, Zl. MA 65 - 8/518/2000, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 3 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A1 und B für die Zeit von zwei Jahren, gerechnet ab der am 11. November 2000 erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, ohne Einrechnung von Haftzeiten entzogen.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. Dezember 2000 des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 18 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt worden. Er habe am 6. Oktober 2000 in der Filiale des Unternehmens S. der Kassierin eine Spielzeugpistole gezeigt und die Kassierin mit der Androhung, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen, zur Überlassung von Waren im Wert von ca. S 75,-- und zur Ausfolgung eines Geldbetrages von S 7.200,-- bestimmt. Er habe somit mit der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben in der Absicht, sich unrechtmäßig zu bereichern, diese Waren und den Geldbetrag der Kassierin abgenötigt. Auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung wegen vollbrachten Raubes sei davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführer die dem Strafurteil zugrunde liegende Tat begangen habe, weshalb auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstände der Tatbegehung und der Hintergründe zum Vorfall vom 6. Oktober 2000 nicht einzugehen gewesen sei. Die vom Beschwerdeführer begangene strafbare Handlung bilde eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG. Die Begehung einer "Raubtat" stelle wegen der damit verbundenen Gefährdung von Leben und Gesundheit von Personen einen besonders schweren Eingriff in die Rechtssphäre dritter Personen dar, insbesondere in deren körperliche Unversehrtheit und deren Vermögensrechte. Das vom Beschwerdeführer an den Tag gelegte Verhalten lasse auf eine zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart schließen, die besorgen lasse, er werde sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken eines Kraftfahrzeuges (insbesondere als Transport- und Fluchtmittel) gegeben seien, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen. Die Vernehmung des Beschwerdeführers zum genauen Tathergang sei im Hinblick auf das inzwischen rechtskräftig abgeschlossene gerichtliche Strafverfahren und das Geständnis des Beschwerdeführers entbehrlich. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer unbescholten gewesen sei, sei bei der Wertung und Festsetzung der Entziehungsdauer ohnedies berücksichtigt worden. Das Gleiche gelte für die Schadensgutmachung durch den Beschwerdeführer. Die seit der Begehung der Tat verstrichene Zeit von vier Monaten sei zu kurz, um entscheidend zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht fallen zu können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG

lauten wie folgt:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung

einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. ...

(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.

...

(4) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand

...

4. eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102 (erpresserische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat,

...

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung."

Die belangte Behörde hat zutreffend auf ihre Bindung an die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 StGB hingewiesen. Sie hatte demnach davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Tat, derentwegen er rechtskräftig schuldig erkannt wurde, begangen hat. Das Verbrechen des Raubes gilt gemäß § 7 Abs. 4 Z. 4 FSG als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2.

Die belangte Behörde hat auch mit Recht bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers die in § 7 Abs. 5 FSG genannten Wertungskriterien herangezogen. Die Tatsache, dass die im Abs. 4 beispielsweise angeführten Tatsachen im Abs. 5 nicht genannt sind, beruht auf einem offenbaren legistischen Versehen (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 24. August 1999, Zl. 99/11/0188). Diese Kriterien sind auch für die Prognose betreffend den Zeitpunkt der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit maßgebend.

Das Verbrechen des Raubes ist zwar wegen der durch Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bewirkten Willensbeugung des Opfers verwerflich. Im konkreten Fall darf aber nicht übersehen werden, dass der Beschwerdeführer (bloß) wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 2 StGB schuldig erkannt wurde. Dieser Tatbestand setzt voraus, dass der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde, die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB) handelt. Im Zusammenhang mit dem Wertungskriterium der Verwerflichkeit ist im vorliegenden Fall außerdem zu beachten, dass der Beschwerdeführer unbescholten war und ihm nur eine einzige strafbare Handlung zur Last liegt.

Die belangte Behörde meint (offenbar im Zusammenhang mit dem Wertungskriterium der Gefährlichkeit der Verhältnisse), dass mit jedem Raub eine Gefährdung von Leben und Gesundheit von Personen verbunden sei. Diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Einzuräumen ist, dass die Furcht des Raubopfers auf Grund der Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben nicht deshalb geringer ist, weil der Täter anstelle der vorgetäuschten Faustfeuerwaffe nur eine Spielzeugpistole besitzt. Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit der Verhältnisse im Sinne des § 7 Abs. 5 FSG ist aber ein objektiver Maßstab anzulegen. Objektiv gesehen ist die Drohung mit einer Spielzeugpistole nicht gefährlich. Gefahren können sich bei einer Tat wie der vorliegenden aus Reaktionen der bedrohten Personen oder der ihnen Hilfe Leistenden ergeben. Dass im konkreten Fall eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer Person bestanden hat, wird im angefochtenen Bescheid nicht begründet und ist nach der Aktenlage auch nicht anzunehmen.

Die seit der Tat bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides verstrichene Zeit ist zu kurz, um zugunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht zu fallen. Der Beschwerdeführer befand sich zudem vom 17. Oktober 2000 bis 13. Dezember 2000 in Haft.

Auf Grund der oben dargelegten Erwägungen zu den Wertungskriterien der Verwerflichkeit und der Gefährlichkeit der Verhältnisse ist zwar die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei zur Zeit der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (und auch im Sinne des § 25 Abs. 3 erster Satz FSG für mindestens drei Monate) verkehrsunzuverlässig gewesen, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die der Festsetzung der Entziehungszeit zugrunde liegende Prognose, der Beschwerdeführer werde die Verkehrszuverlässigkeit frühestens nach zwei Jahren ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides wiedererlangen, erweist sich aber als verfehlt. Im Hinblick auf die aufgezeigten konkreten Umstände des Beschwerdefalles muss angenommen werden, dass der Beschwerdeführer seine Verkehrszuverlässigkeit zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt wieder erlangen wird.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens (von 20 % Umsatzsteuer aus dem für Schriftsatzaufwand geltend gemachten Betrag von S 12.500,--) gründet sich darauf, dass in den in der zitierten Verordnung genannten Pauschalbeträgen die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am 20. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001110119.X00

Im RIS seit

27.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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