Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VVG §4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde der OB Handelsgesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. R u.a., Rechtsanwälte in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. August 2000, Zl. 03-12.05 G 195 - 00/1, betreffend Anordnung einer Ersatzvornahme und Kostenvorauszahlung für diese Ersatzvornahme (§ 4 VVG), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem (erstinstanzlichen) Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 26. Jänner 1998 erging an die "OB GmbH", zu Handen der zur Vertretung befugten Geschäftsführerin, RC, als Eigentümerin der baulichen Anlagen der Auftrag 1.) eine näher beschriebene Zelthalle und 2.) einen näher beschriebenen Verkaufswagen (Imbissstand) binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin (angegebener Firmenwortlaut teils "OB GmbH", teils "OB Handels GmbH") Berufung, die mit Berufungsbescheid vom 14. April 1998 als unbegründet abgewiesen wurde. Der Aktenlage zufolge blieb dieser Berufungsbescheid unbekämpft.
Mit Erledigung der Vollstreckungsbehörde erster Instanz vom 7. Mai 1998 wurde der "OB GmbH" (zu Handen der Geschäftsführerin, wie zuvor) die Ersatzvornahme unter Einräumung einer vierwöchigen Nachfrist angedroht. Diese Erledigung wurde lt. Rückschein an die "OB GmbH", zu Handen der Geschäftsführerin (wie zuvor), abgefertigt und am 8. Mai 1998 zugestellt (Übernahme durch den "Empfänger"; unleserliche Unterschrift).
Erhebungen, die die Vollstreckungsbehörde in der Folge durchführte, ergaben, dass dem Punkt 2. des Titelbescheides, nicht aber dem Punkt 1. entsprochen worden war. In einem von der Vollstreckungsbehörde eingeholten Schätzungsgutachten vom 27. Dezember 1999 werden die voraussichtlichen Abbruchkosten (inklusive Mehrwertsteuer) betreffend diese Zelthalle mit S 198.648,-- beziffert. In einer behördeninternen Erledigung vom 6. März 2000 werden die Kosten mit insgesamt S 218.512,80 bekanntgegeben (das sind diese S 198.648,-- plus "Vollstreckungskosten" von "10 % der Zwischensumme", nämlich S 19.864,80).
Mit der an die "OB GmbH", zu Handen der Geschäftsführerin (wie zuvor), adressierten Erledigung vom 5. April 2000 wurde das Ergebnis der Kostenschätzung zur allfälligen Stellungnahme binnen zwei Wochen bekanntgegeben. Die Zustellung erfolgte am 7. April 2000 (unleserliche Unterschrift; angekreuzt ist "Postbevollmächtigter für RSb-Briefe").
Mit dem an die "OB GmbH", zu Handen der Geschäftsführerin (wie zuvor), gerichteten Bescheid vom 26. April 2000 sprach die Behörde aus, dass die Adressatin die ihr mit Bescheid vom 26. Jänner 1998 auferlegte Verpflichtung nicht erfüllt habe und daher die mit Schreiben vom 7. Mai 1998 angedrohte Ersatzvornahme angeordnet werde, sowie, dass sie weiters als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme den Betrag von S 218.512,80 bei der Behörde zu erlegen habe. Dieser Bescheid wurde am 2. Mai 2000 zugestellt (unleserliche Unterschrift auf dem Rückschein; angekreuzt ist "Arbeitnehmer des Empfängers").
Mit Schreiben vom 3. Mai 2000 (das am selben Tag zur Post gegeben wurde und tags darauf bei der Behörde einlangte) gab einer der Beschwerdevertreter bekannt, dass er die "OB GmbH" sowie die Geschäftsführerin der Gesellschaft, Frau RC, rechtsfreundlich vertrete. Seiner Mandantschaft sei nunmehr die Mitteilung vom 5. April 2000 betreffend das eingeleitete Vollstreckungsverfahren zugestellt worden, und er erlaube sich, diesbezüglich Nachstehendes mitzuteilen: Seine Mandantschaft sei seinerzeit Mieterin der gegenständlichen Halle ("bzw. der gegenständlichen Gebäude") gewesen, wobei der Mietvertrag vom 7. August 1996 datiere. Er sei in der Folge mit Vereinbarung vom 8. Juni 1998 abgeändert worden und zwar dahingehend, dass "die Firma OB Handels GmbH" nur mehr eine (näher beschriebene) Räumlichkeit im östlichen Teil des gemauerten Gebäudes nutze. Im Dezember 1996 sei das Bestandobjekt ganz aufgegeben und an den Eigentümer zurückgegeben worden. Seine Mandantschaft sei niemals Eigentümer der Liegenschaft gewesen, sondern nur Bestandnehmer(in) und es sei daher seine Mandantschaft "für die allfällige Erfüllung von baurechtlichen Auflagen nicht zuständig". Er ersuche, ihm eine Kopie der gegenständlichen Bescheide sowie der geführten Korrespondenz zukommen zu lassen, und weitere Zustellungen zu seinen Handen vorzunehmen. Hinsichtlich der allfälligen Erfüllung einer Ersatzvornahme möge sich die Behörde an den Eigentümer der Liegenschaft wenden. Es werde darauf hingewiesen, dass bei einer allfälligen Entfernung dieser Zelthalle erhebliche Schadenersatzansprüche von Seiten des Eigentümers der Liegenschaft resultieren könnten, da seine Mandantschaft im Zuge der Aufhebung des Bestandsvertrages das Eigentum an dieser Zelthalle inklusive der dort getätigten Investitionen an den Vermieter übertragen habe.
Am 25. Mai 2000 erging neuerlich ein, diesmal an die "OB GmbH", zu Handen der Geschäftsführerin (wie zuvor), vertreten durch den zuvor genannten Beschwerdevertreter, adressierter Bescheid, der inhaltlich dem Bescheid vom 26. April 2000 entspricht. Dagegen erhob die "OB GmbH" (so deren Bezeichnung im Kopf des Schriftsatzes) Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Zusammengefasst ging die belangte Behörde davon aus, dem der Berufung beigelegten Hauptmietvertrag vom 7. August 1996 zur Ergänzung bzw. Abänderung des Mietvertrages vom 8. Juni 1998 sei zu entnehmen, dass es sich bei der gegenständlichen Zelthalle, die zweifellos erst nach Begründung des Bestandsverhältnisses errichtet worden sei, um ein Superädifikat gemäß § 435 ABGB handle und die Beschwerdeführerin bis zur Vereinbarung vom 8. Juni 1998 Eigentümerin des Zeltes gewesen sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beginne das eigentliche Vollstreckungsstadium mit dem Ablauf der in der Anordnung der Ersatzvornahme gesetzten Frist. Ab diesem Zeitpunkt bis zum tatsächlichen Abschluss der Ersatzvornahme seien die Eigentümer des hievon betroffenen Bauwerkes als Verpflichtete anzusehen, und zwar in dem Sinn, dass ihnen - zur gesamten Hand - die Kosten der Vollstreckung zur Last fielen. Demnach seien bei einem Eigentumswechsel die Eigentümer während des gesamten Vollstreckungsverfahrens Verpflichtete und damit für die Kosten der Ersatzvornahme zahlungspflichtig.
Vorliegendenfalls habe das eigentliche Vollstreckungsstadium mit dem Ablauf der in der Androhung der Ersatzvornahme gesetzten vierwöchigen Frist, das sei der 5. Juni 1998, begonnen. Da die Übertragung des Eigentums (an dieser Halle) frühestens zum Zeitpunkt der Vereinbarung vom 8. Juni 1998 erfolgt sein könne, sei die Beschwerdeführerin rechtmäßigerweise als Verpflichtete herangezogen worden.
Im Übrigen könne im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ein rechtskräftiger Titelbescheid nicht bekämpft werden. Selbst Fehler im Verfahren, welche zum Titelbescheid geführt haben, seien durch die Rechtskraft des Titelbescheides geheilt und könnten im Vollstreckungsverfahren nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.
Da aber nach dem zuvor Gesagten die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Erlassung des baupolizeilichen Auftrages vom 26. Jänner 1998 (jedenfalls) Eigentümerin der Zelthalle gewesen sei, sei der Abtragungsauftrag daher rechtmäßigerweise an sie ergangen. Überdies stehe gemäß § 68 Abs. 7 AVG auf die Ausübung des der Behörde in § 68 normierten Abänderungs- und Behebungsrechtes (wie von der Beschwerdeführerin begehrt) niemandem ein Rechtsanspruch zu.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin verweist darauf, dass ihr Firmenwortlaut richtig "OB Handels GmbH" laute und "der Bescheid der ersten Instanz" an eine "OB GmbH" erging, wobei weder der richtige Firmenwortlaut, noch die Firmenbuchnummer oder auch eine Anschrift angegeben seien, sodass keine ausreichende Bezeichnung des Bescheidadressaten gegeben sei.
Dem ist Folgendes zu entgegnen: Es mag sein, dass die Behörden im Titelverfahren wie auch im nunmehrigen Vollstreckungsverfahren den Firmenwortlaut der Beschwerdeführerin unzutreffend, nämlich verkürzt, wiedergegeben haben. Es ist aber nicht erkennbar, dass diesem Umstand in dem Sinne Relevanz zukäme, dass damit Unklarheit hinsichtlich der Person des Adressaten gegeben wäre, zumal die Beschwerdeführerin selbst in Schriftsätzen an die Behörden diesen verkürzten Firmenwortlaut gebraucht hat und von ihr auch niemals behauptet wurde, es gebe zwei verschiedene juristische Personen mit je einer dieser Firmen. Der Adressat der verschiedenen Bescheide steht damit zweifelsfrei fest (zur Problematik der Bezeichnung des Bescheidadressaten siehe die in Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, in E 142 ff zu § 59 AVG, wiedergegebene hg. Judikatur).
Wie in der Sachverhaltsdarstellung dargelegt, ergeben sich aus den Akten des Verwaltungsverfahrens zwei inhaltsgleiche Bescheide (Erledigungen) der erstinstanzlichen Behörde hinsichtlich der Anordnung der Ersatzvornahme und der Auferlegung der Kosten dieser Ersatzvornahme, nämlich vom 26. April 2000 und vom 25. Mai 2000. Wurde dieser erste Bescheid (vom 26. April 2000) rechtswirksam zugestellt und damit "erlassen", wäre die neuerliche Erlassung eines inhaltsgleichen Bescheides (nämlich jenes vom 25. Mai 2000) rechtswidrig und es wäre dieser zweite Bescheid richtigerweise ersatzlos zu beheben gewesen. (In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass nach der zeitlichen Lagerung des Verwaltungsgeschehens die Vertretungsanzeige vom 3. Mai 2000 tags darauf bei der Behörde einlangte, somit zu einem Zeitpunkt, zu welchem die Erledigung vom 26. April 2000 bereits abgefertigt und - so das Bild, welches die Aktenlage vermittelt - bereits von einem Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin am 2. Mai 2000 übernommen worden war.)
Da die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage nicht geprüft hat, ob diese Erledigung vom 26. April 2000 rechtswirksam zugestellt und damit erlassen wurde (womit sie im Übrigen der Aktenlage zufolge unangefochten in Rechtskraft erwachsen wäre), belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. September 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000060172.X00Im RIS seit
03.12.2001