TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/20 99/06/0201

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Veröffentlicht am 20.09.2001
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
BauG Stmk 1995;
BauO Stmk 1968 §70a;
BauRallg;
VVG §10 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde des 1. Dipl. Ing. KP, 2. Dipl. Ing. HP und 3. der Dr. KP, alle in Aflenz und vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. November 1999, GZ: 03-12.10 A 17-99/37, betreffend die Vollstreckung eines Bauauftrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark je zur Hälfte Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte der Beschwerdesache ist auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 1995, Zl. 93/06/0057, und vom 3. Oktober 1996, Zl. 96/06/0153, zu verweisen.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die mit Bescheid vom 30. April 1999 angeordnete Vollstreckung eines im Jahre 1992 erteilten Beseitigungsauftrages hinsichtlich des Verbindungsganges zwischen zwei Bauteilen.

Für das vorliegende Verfahren ist folgender Sachverhalt hervorzuheben:

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer einer Liegenschaft in der Marktgemeinde A, auf welcher zwei Gebäude errichtet sind.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde A wurde der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer die Baubewilligung für die Instandsetzung bzw. den Neubau betreffend ein Nebengebäude erteilt.

Nach der Anzeige über die Vollendung der Bauführung wurde bei der Endbeschau festgestellt, dass, abweichend von den eingereichten Plänen, sowohl ein Keller (der auch oberirdisch in Erscheinung tritt) als auch ein Verbindungsgang zum Haupthaus errichtet worden waren.

Dennoch wurde zunächst die Benützungsbewilligung für das Nebengebäude, sowie die nachträgliche Bau- und Benützungsbewilligung für die zusätzlich errichteten Bauten erteilt.

Über Berufung einer Anrainerin, der nicht Folge gegeben wurde, und einer Vorstellung dieser Anrainerin gegen diesen Berufungsbescheid wurde die Berufungsentscheidung von der belangten Behörde aufgehoben.

Mit dem daraufhin erlassenen Ersatzbescheid wurde der Berufung der Anrainerin Folge gegeben und die von der Behörde erster Instanz erteilte Bau- und Benützungsbewilligung für den Keller und den Verbindungsgang behoben.

Daraufhin suchten der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer sowie die Rechtsvorgängerin der Drittbeschwerdeführerin am 27. Mai 1992 um die Erteilung einer Bau- sowie einer Benützungsbewilligung für das Kellerobjekt bzw. den Verbindungstrakt an. In der Folge wurden die Antragsteller dieses Verfahrens um die Vorlage von Beweismaterial für den angesprochenen Altbestand ersucht und ihnen gleichzeitig mitgeteilt, dass für den Kellerzubau und den Verbindungsgang ein Beseitigungsauftrag gemäß § 70a Steiermärkische Bauordnung 1968 erlassen werden müsse.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde A vom 25. September 1992 wurde schließlich ein derartiger Auftrag gemäß § 70a der Steiermärkischen Bauordnung 1968 erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhoben der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer und die Rechtsvorgängerin der Drittbeschwerdeführerin sowie die oben bereits erwähnte Anrainerin (nämlich gegen die Fristsetzung in dem Bescheid) Berufung. Auf Grund der Berufung der Anrainerin wurde vom Gemeinderat der Marktgemeinde A mit Bescheid vom 16. November 1992 die Beseitigungsfrist verkürzt; die Berufung der Beschwerdeführer wurde mit dem Bescheid vom 16. November 1992 abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung des Erst- und des Zweitbeschwerdeführers sowie der Rechtsvorgängerin der Drittbeschwerdeführerin wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 1993 abgewiesen.

Die von den Beschwerdeführern dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit hg. Erkenntnis vom 16. März 1995, Zl. 93/06/0057, als unbegründet abgewiesen.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Baubewilligungsverfahren auf Grund des erwähnten Antrags vom 27. Mai 1992 wurde von der Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 7. Oktober 1993 die Bewilligung für den Verbindungsgang erteilt.

Auf Grund einer Berufung der Anrainerin wurde dieser Bescheid vom Gemeinderat der Marktgemeinde A ersatzlos aufgehoben. Begründet wurde dies mit dem Hinweis auf die in der Zwischenzeit erfolgte Aufhebung der Widmungsbewilligung durch die belangte Behörde.

Im fortgesetzten Verfahren wurde die Baubewilligung für den Verbindungsgang mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde A vom 28. November 1995 neuerlich erteilt. Die von der Anrainerin dagegen erhobene Berufung wurde vom Gemeinderat der Marktgemeinde A als unbegründet abgewiesen.

Auf Grund einer Vorstellung der Anrainerin wurde der Bescheid des Gemeinderates mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. April 1996 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Gemeindebehörden verwiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde des Erst- und des Zweitbeschwerdeführers sowie der Rechtsvorgängerin der Drittbeschwerdeführerin wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. Oktober 1996, Zl. 96/06/0153, als unbegründet abgewiesen.

In der Folge wurde dem Erst- und dem Zweitbeschwerdeführer sowie der Rechtsvorgängerin der Drittbeschwerdeführerin vom Gemeinderat die Möglichkeit der Projektmodifikation eingeräumt.

Mit am 3. Oktober 1996 ergangenem Bescheid des Gemeinderates wurde der Berufung der Anrainerin Folge gegeben und das Ansuchen der Konsenswerber um Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Verbindungstraktes mit der Begründung abgewiesen, dass kein modifiziertes Projekt vorgelegt, sondern das ursprünglich eingereichte Projekt auf zwei Abschnitte aufgespalten worden sei. Die dagegen erhobene Vorstellung des Erst- und des Zweitbeschwerdeführers sowie der Rechtsvorgängerin der Drittbeschwerdeführerin wurde mit Bescheid vom 22. November 1996 mangels Verletzung von Rechten der Vorstellungswerber als unbegründet abgewiesen.

Nachdem offenbar zwei weitere Bauansuchen (eines jedenfalls am 11. August 1997) eingebracht wurden (der komplette Bauakt wurde von der belangten Behörde nicht vorgelegt), wurde mit Bescheiden vom 23. März 1998 dem Erst- und dem Zweitbeschwerdeführer sowie der Rechtsvorgängerin der Drittbeschwerdeführerin eine Baubewilligung für einen Erker und für einen abgeschrägten Verbindungsgang erteilt (Kopien der mit dem Genehmigungsvermerk hinsichtlich des Bescheids vom 23. März 1998 versehenen Pläne wurden vorgelegt). Gegen die Bewilligung des Erkers erhob ein Nachbar Berufung. Mit Bescheid vom 13. Juli 1998 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen.

Diese Bewilligungsbescheide erwuchsen in Rechtskraft. Die Baubewilligung für den abgeschrägten Verbindungsgang betrifft nach den vorgelegten Unterlagen ein Bauvorhaben, das sich im Wesentlichen mit dem vormals zweimal nicht bewilligten Verbindungsgang deckt, mit der Ausnahme, dass der bewilligte Verbindungsgang an der abstandsrelevanten südöstlichen Ecke abgeschrägt ist. Der bewilligte Erker entspricht im Wesentlichen dem an der Südseite des Hauptgebäudes (bereits errichteten) vorspringenden Teil des Verbindungsganges. Der bewilligte Erker reicht auch in jenen Bereich, in dem der mit der oben erwähnten Baubewilligung genehmigte Verbindungsgang "abgeschrägt" ist und deckt sich in diesem Bereich mit dem zweimal nicht bewilligten Verbindungsgang. Diese beiden Bewilligungen wurden dem Erst- und dem Zweitbeschwerdeführer und der Rechtsvorgängerin der Drittbeschwerdeführerin, wie sich aus einem Schreiben der Marktgemeinde A an die Genannten vom 12. August 1998 und aus dem Bescheid bezüglich des Erkers vom 23. März 1998 und dem Berufungsbescheid vom 13. Juli 1998 ergibt, jeweils unter der Bedingung erteilt, dass nur eines der beiden Projekte zur Ausführung gelangen kann (bei der in diesem Zusammenhang im erstinstanzlichen Bescheid vom 23. März 1998 enthaltenen Bezugnahme auf einen Bewilligungsbescheid für einen Verbindungsgang vom 23. März 1997 scheint es sich um ein Redaktionsversehen zu handeln; es ist offensichtlich der Bescheid vom 23. März 1998 betreffend den Verbindungsgang gemeint).

Der Bürgermeister der Marktgemeinde A ersuchte mit Schreiben vom 28. September 1998 um die Vollstreckung des Spruchpunktes I des Bescheides vom 25. September 1992 bzw. 16. November 1992 (betreffend den Verbindungsgang) und bestätigte die Vollstreckbarkeit des Beseitigungsbescheides vom 25. September 1992 bezüglich des unter Punkt 1 dieses Bescheides genannten Verbindungsganges. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1998 drohte die Bezirkshauptmannschaft B dem Erst- und dem Zweitbeschwerdeführer und der Rechtsvorgängerin der Drittbeschwerdeführerin bezüglich des Verbindungsganges die Ersatzvornahme unter der Setzung einer Frist von einem Monat an.

Mit Bescheid vom 30. April 1999 verfügte die Bezirkshauptmannschaft B die Vollstreckung des Beseitigungsauftrages vom (25. September und) 16. November 1992 bezüglich der mit Schreiben vom 31. Juli 1997 (von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid auf 14. Oktober 1998 korrigiert) angedrohten Ersatzvornahme der Entfernung des Verbindungsganges gemäß § 4 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes - VVG, BGBl. Nr. 53/1991, an. Dem Erst- und dem Zweitbeschwerdeführer sowie der Verlassenschaft der Rechtsvorgängerin der Drittbeschwerdeführerin wurden die Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von S 78.729,--, zu erlegen bis 31. Mai 1999, vorgeschrieben.

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid brachten der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer sowie die Verlassenschaft der Rechtsvorgängerin der Drittbeschwerdeführerin im Wesentlichen vor:

Der Beseitigungsauftrag gemäß § 70a Abs. 1 der Bauordnung sei durch den Baubewilligungsbescheid vom 23. März 1998 betreffend die Errichtung des abgeschrägten Verbindungsganges gegenstandslos geworden. Die Abweichungen der tatsächlichen Ausführung von der mit Baubewilligungsbescheid vom 23. März 1998 bewilligten Ausführung seien nur geringfügig, hiefür müsse ein neuer Beseitigungsauftrag ergehen. Die seinerzeit bestandene Bauordnungswidrigkeit bestehe jetzt nicht mehr. Weiters sei der dem bekämpften Bescheid zu Grunde liegende Beseitigungsauftrag durch die rechtskräftige Erteilung der Baubewilligung vom 23. März 1998 für den Erker überholt. Soweit das bestehende Bauwerk dieser Baubewilligung nicht entspreche, müsse allenfalls ein neuer Beseitigungsauftrag ergehen. Weiters sei am 11. März 1999 ein Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung der Verbindung der beiden Bauwerke im Obergeschoß eingebracht worden. Dieses Verfahren sei anhängig, weshalb Vollstreckungsmaßnahmen nicht zulässig seien, da durch ein offenes Bauverfahren der Gegenstand des Beseitigungsauftrages abgedeckt sei. Das schwebende Bauverfahren würde einer Vollstreckung entgegenstehen. Weiters wird in der Berufung ausgeführt, dass das öffentliche Interesse an der Erfüllung des Bauauftrages weggefallen sei, da es rechtskräftige Baubewilligungen gebe, die die "bauwerksmäßige Ausbildung" abdeckten; ein öffentliches Interesse an der Einhaltung des Seitenabstandes zum Grundnachbarn in einem geringfügigen Bereich von etwa 1 m Länge und einer Tiefe von 0 bis ca. 30 cm würde nicht bestehen. Auch aus diesem Grund habe die Vollstreckung zu unterbleiben.

Weiters seien die Berufungswerber nicht am Verfahren über die Ermittlung der Kosten der Ersatzvornahme beteiligt worden, obwohl auf den Anspruch auf rechtliches Gehör ausdrücklich hingewiesen worden sei. Die Preisangemessenheit der Pauschale sei nicht überprüfbar, weshalb es den Berufungswerbern nicht möglich sei, die preisliche Unangemessenheit dieser Kosten der Ersatzvornahme darzustellen. Innerhalb der Berufungsfrist sei es nicht möglich gewesen, Konkurrenzangebote einzuholen.

Die vom Erst- und vom Zweitbeschwerdeführer und der Verlassenschaft nach der Rechtsvorgängerin der Drittbeschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. November 1999 als unbegründet abgewiesen, der erstinstanzliche Bescheid jedoch dahingehend abgeändert, dass die Umschreibung des zu beseitigenden Verbindungsganges insofern abgeändert wurde, als dessen nordseitige Front 8,05 m und die südseitige Front 3,8 m lang sei (Anm.: hiebei werden die Maße der nördlichen und der südlichen Front vertauscht). Zudem wurde das Datum des Schreibens, mit dem die Ersatzvornahme angedroht wurde, auf den 14. Oktober 1998 korrigiert, die Kosten der Vorauszahlung für die Ersatzvornahme auch in Euro angegeben und die Frist für die Erlegung mit 30. November 1999 festgesetzt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:

Auf Grund der beiden Bescheide vom 23. März 1998 bezüglich des Erkers und des abgeschrägten Verbindungsganges sei nach Ansicht der Beschwerdeführer der gegenständliche baupolizeiliche Auftrag (Titelbescheid) gegenstandlos geworden. Mit Eingabe vom 11. März 1999 hätten die Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung der Verbindung der beiden Bauwerke eingebracht. Dieses Ansuchen sei mit Bescheid des Bürgermeisters vom 16. Juli 1999 abgewiesen worden, das Berufungsverfahren sei anhängig. Dieses Projekt solle eine Verbindung zwischen dem mit Bescheid vom 23. März 1998 genehmigten Erker und dem mit Bescheid vom gleichen Tage genehmigten Verbindungsgang schaffen. Bei diesem Projekt handle es sich letztlich um die Realisierung eines Verbindungsganges, der tatsächlich ausgeführt und dessen Antrag auf Erteilung der nachträglichen Baubewilligung bereits rechtskräftig abgewiesen worden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Beseitigungsauftrag während der Anhängigkeit eines Ansuchens um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung zwar nicht vollstreckbar, dies gelte aber dann nicht, wenn der vorschriftswidrig errichtete Bau, von dem bereits feststehe dass er nicht bewilligt werden könne, in irgendeiner Weise bei einem künftigen Bau, um dessen Bewilligung angesucht wurde, mitverwendet werden solle. Daraus ergebe sich, dass die Vollstreckung eines Baubeseitigungsauftrages nur dann unzulässig wäre, wenn die tatsächliche Bauführung nachträglich bewilligt worden sei, bzw. diese tatsächliche Bauführung Gegenstand eines Baubewilligungsverfahrens sei.

Im gegenständlichen Fall sei jedoch davon auszugehen, dass die tatsächliche Bauführung durch die bereits ergangenen rechtskräftigen Baubewilligungsbescheide eben nicht baubehördlich bewilligt wurde, sondern das ursprüngliche auf die nachträgliche Genehmigung der tatsächlichen Bauführung abstellende Bauansuchen rechtskräftig abgewiesen worden sei. Solange nicht eine der bereits rechtskräftig genehmigten Bauführungen realisiert werde, sei eine Vollstreckung des Titelbescheides jedenfalls zulässig, zumal das mit Ansuchen vom 11. März 1999 zur Bewilligung eingereichte Projekt mit dem zur nachträglichen Bewilligung eingereichten und rechtskräftig abgewiesenen Projekt letztlich ident sei. Eine den Ausführungen in der Berufung folgende Auslegung würde bewirken, dass ein tatsächlich rechtswidriger Zustand, von dem feststehe, dass er nachträglich nicht bewilligungsfähig sei (Abstandsproblematik), beliebig lange fortbestehen könne. Die Bauwerber hätten zwar mit den beiden Baubewilligungen das Recht erworben, einen Erker oder einen Verbindungsgang (der im abstandsrelevanten Bereich nicht mit dem tatsächlich ausgeführten Verbindungsgang übereinstimme, sondern abgeschrägt sei) zu errichten. Daraus ergebe sich jedoch keine Verpflichtung, diese Baubewilligungen auch zu konsumieren. Weder die beiden rechtskräftigen Baubewilligungen noch das nunmehr anhängige Baubewilligungsverfahren bedingten daher die Unzulässigkeit der Vollstreckung. Bezüglich der Kostenvorschreibung führt die belangte Behörde aus, welche Maßnahmen der Schätzung zu Grunde gelegt worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 70a der Steiermärkischen Bauordnung, LGBl. Nr. 149/1968 idF

LGBl. Nr. 14/1989, lautete:

"§ 70a

Baueinstellung und Baubeseitigungsauftrag

(1) Bei Bauarbeiten, die ohne die erforderliche Bewilligung ausgeführt werden, ist die Baueinstellung zu verfügen. Vorschriftswidrige Bauten, für die eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt wurde, sind zu beseitigen. Mündlich verkündete Verfügungen sind schriftlich auszufertigen.

(2) Den Nachbarn steht das Recht zu, die Baueinstellung und die Beseitigung zu verlangen, wenn die Bauarbeiten nach Abs. 1 ihre Interessen (§ 61 Abs. 2) verletzen."

§ 4 und § 10 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991, BGBl. Nr. 53/1991, lauten:

"§ 4. (1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.

§ 10. (1) Auf das Vollstreckungsverfahren sind, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anders ergibt, der I und IV Teil und hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs. 1 und 61 des AVG sinngemäß anzuwenden.

(2) Die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung kann nur ergriffen werden, wenn

1.

die Vollstreckung unzulässig ist oder

2.

die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder

              3.              die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 im Widerspruch stehen.

(3) ..."

Mit Bescheid vom 16. November 1992 des Gemeinderates der Marktgemeinde A wurde den Beschwerdeführern unter anderem die Beseitigung des oberschossigen Verbindungsganges zwischen dem Wohnhaus und dem Wohnnebengebäude (auch Kellerstöckl genannt), der die beiden Obergeschoße der erwähnten Objekte verbindet gemäß § 70a Abs. 1 Stmk. BauO 1968 aufgetragen. Zur näheren Ersichtlichmachung des zu entfernenden Objektes wurde auf den beigelegten Plan 1 verwiesen. Als Frist für die Beseitigung der vorschriftswidrigen Bauten wurde der 31. Dezember 1992 festgesetzt. Wie sich aus dem Bescheid und den Plänen ergibt, handelt es sich bei dem Verbindungsgang um eine Stahlkonstruktion, mit Außenwänden aus Ytongziegeln und einem Holzdachstuhl. Der in Rede stehende Verbindungsgang schließt am nordöstlichen, abgeschrägten Eck des Nebengebäudes an und weist auf der Nordseite eine Länge von 3,80 m und auf der Südseite eine Länge von 8,05 m auf. Der Verbindungsgang ist in diesem Bereich 2,50 m breit. Nach dem ca. 3,80 m langen und 2,50 m breiten Stück zwischen Nebengebäude und Haupthaus verjüngt sich der Verbindungsgang auf die Breite von 1,15 m und erstreckt sich noch über eine Länge von 3,55 m entlang der Südfront des Hauptgebäudes.

Der mit Baubewilligung vom 23. März 1998 bewilligte Verbindungsgang deckt sich im Wesentlichen vollständig mit dem eben beschriebenen, zum Abbruch vorgeschriebenen Verbindungsgang, lediglich mit dem Unterschied, dass die südöstliche Ecke des am Haupthaus entlang laufenden Verbindungsganges auf der Länge von 1,45 m (im Projekt) abgeschrägt wurde.

Das mit der Baubewilligung für den Erker vom 23. März 1998 genehmigte Projekt deckt sich mit dem zur Beseitigung aufgetragenen Verbindungsgang insoweit, als sie mit dem an der Südseite des Hauptgebäudes entlang laufenden Verbindungsgang auf den letzten 3,50 m ident ist. Die bei dem der Bewilligung vom 23. März 1998 zu Grunde liegenden Verbindungsgang abgeschrägte Ecke ist bei dieser Baubewilligung nicht abgeschrägt und entspricht insofern in diesem Teil dem zur Abtragung vorgeschriebenen, bereits errichteten Verbindungsgang.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bringen die Beschwerdeführer unter anderem vor, dass dem gegenständlichen Vollstreckungsverfahren kein vollstreckbarer Titel zu Grunde liege. Der gegenständliche baubehördliche Beseitigungsauftrag beziehe sich auf einen tatsächlichen Baubestand, der insgesamt durch zwei Baubewilligungen genehmigt sei. Da zwei Bauberechtigungen nebeneinander erworben worden seien, sei eine Baubeginnanzeige, ein Baubeginn oder die Anzeige der Ausnützung der Baubewilligung durch Ausübung des Wahlrechtes für die Frage, ob ein älterer Beseitigungsauftrag noch dem Rechtsbestand angehöre, unbedeutend. Sowohl der Erker als auch der Verbindungsgang sei mit den Bescheiden vom 23. März 1998 der Marktgemeinde A rechtskräftig bewilligt worden, die Vollstreckung greife daher in rechtskräftig erworbene Baurechte ein. Die Baubewilligung für den Verbindungsgang vom 23. März 1998 decke jenen Bestand, dessen Beseitigung durch den Bescheid, der dem Vollstreckungsverfahren zu Grunde liege, aufgetragen wurde, zur Gänze, ausgenommen einem Teilbereich von 0 bis 30 cm auf der Länge von 100 cm im südöstlichen Eck. Die Behörde müsse einen Beseitigungsauftrag erlassen, der dem Teil entspreche, der nicht baubewilligt sei. Ein Beseitigungsauftrag betreffend dieses kleine Eck würde aber rechtswidrig in das erworbene Baurecht und den erteilten Konsens für dieses kleine Eck im Rahmen der Bauverwirklichung des Erkers eingreifen. Daraus ergebe sich, dass der dem Verfahren zu Grunde liegende Bescheid in keinem Fall vollstreckt werden könne, weil er nicht mehr dem Rechtsbestand angehöre, aber auch dass, solange die erteilten Baubewilligungen Gültigkeit hätten und damit das Wahlrecht des Konsensinhabers nicht ausgeübt sei, auf beide Konsense Bedacht genommen und demgemäß nichts zur Beseitigung aufgetragen werden dürfe, was durch einen dieser beiden Konsense gedeckt sei.

Der gegenständliche Beseitigungsauftrag wurde gemäß § 70a Abs. 1 Stmk. Bauordndung 1968 erlassen. Gemäß § 70a Abs. 1 zweiter Satz Stmk Bauordnung 1968 waren vorschriftwidrige Bauten, für die eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt wurde, zu beseitigen.

Der Beseitigungsauftrag vom 16. November 1992 wurde rechtskräftig erteilt. In Frage steht daher, ob durch das nachfolgende Verwaltungsgeschehen die Vollstreckbarkeit des Auftrags beseitigt wurde.

Mit den Bescheiden vom 23. März 1998 und vom 13. Juli 1998 wurden unstrittiger Weise zwei Bauwerke bewilligt, die insgesamt zwar den ganzen bestehenden Verbindungsgang umfassen, jedoch jede Baubewilligung für sich nur einen Teil des gesamten bereits errichteten Ganges erfasst und ausdrücklich nur unter der Bedingung erteilt wurde, dass die Bewilligungen nicht kumulativ ausgeübt werden können.

Zu prüfen war, welche Auswirkung die Erteilung der Baubewilligungen vom 23. März 1998 und vom 13. Juli 1998 auf den dem Vollstreckungsverfahren zu Grunde liegenden Baubeseitigungsauftrag vom 16. November 1992 hat. Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, dass der Verbindungsgang, so wie er in der Natur besteht, nicht bewilligt wurde, im Gegenteil, die Ansuchen um nachträgliche Bewilligung genau dieses Verbindungsganges abgewiesen worden seien. Aus diesem Grund hält die belangte Behörde die Vollstreckung des Titelbescheides jedenfalls für zulässig, nämlich genau so lange, als nicht eines der beiden rechtskräftig genehmigten Bauvorhaben realisiert worden sei.

Wann eine Vollstreckung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG unzulässig ist, ist im Gesetz nicht näher ausgeführt. Der Berufungsgrund der Unzulässigkeit der Vollstreckung ist dann gegeben, wenn der Verpflichtete behauptet, dass kein entsprechender Titelbescheid vorliege, dass ein solcher ihm gegenüber nicht wirksam sei oder dass der Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist oder doch bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens bereits entsprochen worden sei (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. September 1960, Slg. NF Nr. 5.381/A, oder das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1996, Zl. 96/07/0090). Unzulässig ist eine Vollstreckung auch dann, wenn sich nach der Entstehung des Exekutionstitels die rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnisse in einem wesentlichen Punkt geändert haben und damit die objektiven Grenzen der Bescheidwirkungen andere geworden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1996, Zl. 96/07/0090). Nach der hg. Rechtsprechung ist die Vollstreckung eines Bescheides etwa dann unzulässig, wenn der Bescheid (auf Grund einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage) nicht mehr in derselben Form ergehen dürfte (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens. 5. Auflage, § 10 VVG, 10. wiedergegebene Rechtsprechung).

Zu prüfen ist daher, ob die Erteilung von später erteilten Bewilligungen für ein abweichendes Projekt wie im Beschwerdefall nach der Erlassung des gegenständlichen, von der Behörde vollstreckten Beseitigungsauftrages zur Unzulässigkeit der Vollstreckung führt.

Zutreffend ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass für den Verbindungsgang in der Form, wie er errichtet wurde, nach wie vor keine Baubewilligung besteht, die ihn zur Gänze deckt. Eine Baubewilligung für jene Baumaßnahme, die vom Beseitigungsauftrag erfasst ist, besteht somit nicht.

Es war aber zu prüfen, ob der zu vollstreckende Bauauftrag angesichts der später erteilten Bewilligungen noch in derselben Form ergehen hätte können.

Bei dieser Beurteilung ist von dem nunmehr geltenden Steiermärkischen Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), auszugehen. Dieses enthält in § 41 die Grundlagen für das Einschreiten der Baubehörde bei Verstößen gegen das Gesetz. Nach Abs. 1 ist die Erlassung von Baueinstellungsaufträgen vorgesehen, nach Abs. 2 ist die Versiegelung und Absperrung einer Baustelle möglich, wenn unzulässige Bauarbeiten trotz verfügter Baueinstellung fortgesetzt werden, und Abs. 3 sieht schließlich die Erteilung eines Beseitigungsauftrages hinsichtlich vorschriftswidriger Bauten vor.

Das Steiermärkische Baugesetz 1995 enthält, ebenso wie die Bauordnung 1968, keine ausdrückliche Ermächtigung zur Erlassung von Bauaufträgen zur Herstellung des konsensgemäßen Zustandes. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon zu § 70a Stmk. BauO 1968 ausgesprochen hat, kommt auch im Rahmen des Stmk. Baugesetzes 1995 daher die Erlassung eines Auftrages zur Herstellung des konsensgemäßen Zustandes grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/06/0198). Ein Abbruchauftrag hat sich nur dann lediglich auf Teile eines Bauvorhabens bzw. einer baulichen Änderung zu beziehen, wenn die konsenswidrigen oder konsenslosen Teile eines Bauvorhabens bzw. einer Änderung vom übrigen Vorhaben trennbar sind (vgl. das genannte Erkenntnis vom heutigen Tag).

Bei dieser Rechtslage kommt aber auch angesichts des Umstandes, dass die Beschwerdeführer nachträglich zwei Baubewilligungen für Bauführungen an der selben Stelle, an der sich das vom gegenständlichen Bauauftrag, der vollstreckt werden soll, erfasste Bauwerk befindet, erwirkt haben, die aber das tatsächlich errichtete Bauwerk nicht decken, die Erlassung eines bloß auf eine teilweise Beseitigung gerichteten Auftrags oder eines Auftrages auf Herstellung des konsensgemäßen Zustandes nicht in Betracht, zumal eine Trennbarkeit im obigen Sinn nicht erkennbar ist.

Damit war die Beurteilung der belangten Behörde, dass der Bauauftrag aus dem Jahre 1992 weiterhin vollstreckbar ist, zutreffend. Auch die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Baubewilligungen für andere Bauführungen an der Stelle, an der der vom Bauauftrag erfasste Verbindungsgang errichtet wurde, haben nichts an der Vollstreckbarkeit geändert.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 2001

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999060201.X00

Im RIS seit

18.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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