TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/20 2001/11/0089

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Veröffentlicht am 20.09.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
ZDG 1986 §76a Abs1 idF 1996/788;
ZDG 1986 §76a Abs2 idF 1996/788;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. Eckart Fussenegger, Dr. Alexander Hacker und Dr. Andreas Arnold, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Mirabellplatz 6/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 2000, Zl. 189.021/2-IV/10/00, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. November 2000 gab der Bundesminister für Inneres dem mit 14. Oktober 1999 datierten und am 14. Oktober 1999 beim Militärkommando Salzburg eingelangten Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung gemäß § 71 Abs. 1 und 2 AVG "keine Folge".

In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer sei am 15. Jänner 1991 tauglich befunden worden, sei dies jedenfalls bis 1. Jänner 1997 geblieben und habe bis zu diesem Zeitpunkt keinen Grundwehrdienst geleistet. Bis 12. Februar 1997 sei von ihm keine Zivildiensterklärung eingebracht worden. Damit habe er die Einbringungsfrist versäumt. Am 14. Oktober 1999 ("Postdatum") habe der Beschwerdeführer eine mit gleichem Tag datierte Zivildiensterklärung beim Militärkommando Salzburg eingebracht. Im Wiedereinsetzungsantrag habe er angegeben, er sei mit Schreiben des Militärkommandos Salzburg vom 23. August 1999 informiert worden, dass die Durchführung einer neuerlichen Stellung von Amts wegen beabsichtigt sei. Am 7. Oktober 1999 hätte er einen Rechtsanwalt in Salzburg aufgesucht und hätte bei dieser Gelegenheit erstmals von der Möglichkeit zur neuerlichen Einbringung einer Zivildiensterklärung nach den Bestimmungen des § 76a ZDG gehört. Eine Verständigung im Sinne des § 76a Abs. 2 ZDG wäre durch die zuständige Behörde nicht vorgenommen worden. Der Beschwerdeführer hätte sohin die Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung unverschuldet versäumt. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass dem Beschwerdeführer zuletzt mit Bescheid vom 3. Dezember 1997 bis 15. Dezember 1997 ein Aufschub gewährt worden sei. Mit letzterem Bescheid sei ihm der Einberufungstermin Jänner 2000 angekündigt worden. Dem seiner Zivildiensterklärung angeschlossenen Lebenslauf zufolge sei der Beschwerdeführer Mitarbeiter des Österreichischen Roten Kreuzes. Über Vorhalt der Behörde habe der Beschwerdeführer in einer Stellungnahme vom 27. Jänner 2000 ausgeführt, er hätte sich schon nach Mitteilung der beabsichtigten Durchführung einer neuerlichen Stellung beim Militärkommando erkundigt, ob es nicht eine Möglichkeit für ihn gebe, den Zivildienst ableisten zu können. Dies sei bei der Ergänzungsabteilung Salzburg verneint worden. Gespräche mit Mitarbeitern des Roten Kreuzes hätten ihm verdeutlicht, dass er keine Chance zur neuerlichen Abgabe einer Zivildiensterklärung hätte. Bis 7. Oktober 1999 sei ihm die Bestimmung des § 76a ZDG unbekannt geblieben. In Würdigung dieses Sachverhaltes ergebe sich, dass der Beschwerdeführer während des Fristenlaufes und jedenfalls auch noch bei mehreren Anträgen an Militärbehörden nicht das geringste Interesse zur Leistung des Zivildienstes habe erkennen lassen. Bereits bei seiner seinerzeitigen Zivildiensterklärung habe er auf seine Mitarbeit als Freiwilliger beim Österreichischen Roten Kreuz verwiesen und nach Feststellung der Unvollständigkeit dieser Erklärung keine rechtlichen Schritte unternommen, um doch zivildienstpflichtig zu werden, obwohl ihm Informationsmöglichkeiten beim Österreichischen Roten Kreuz zur Verfügung gestanden wären. Erst die Mitteilung einer beabsichtigten neuerlichen Stellung habe ihn veranlasst, Erkundigungen über die Möglichkeit der Zivildienstleistung einzuziehen. Die von ihm beim Militärkommando Salzburg nach Zustellung der Mitteilung einer beabsichtigten neuerlichen Stellung vom 23. August 1999 eingeholten Erkundigungen zur Möglichkeit der Einbringung einer Zivildiensterklärung "und die dabei erzielte negative Antwort" habe ihm jedenfalls bewusst machen müssen, dass er die Einbringungsfrist, in seinem Fall die Einbringungsfrist des § 76a ZDG, versäumt habe. Damit sei aber jedenfalls das Hindernis zur Wahrung der Frist - nämlich seine bis dahin bestehende Unkenntnis der Einbringungsfrist - weggefallen. Die am 7. Oktober 1999 vorgenommene Rechtsberatung habe zur Frist des § 76a ZDG dem Beschwerdeführer nur eine Bestätigung einer vom Militärkommando Salzburg mitgeteilten Fristversäumnis und allenfalls einen Hinweis zur möglichen Antragstellung auf Wiedereinsetzung bringen können. Dabei sei offenbar nicht erkannt worden, dass die Frist des § 71 Abs. 2 AVG zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages bereits verstrichen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG. Nachdem dieser mit Beschluss vom 27. Februar 2001, B 106/01-5, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 76a ZDG lautet in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 788/1996 (Fettschreibung im Original):

"§ 76a. (1) (Verfassungsbestimmung) Für Wehrpflichtige, deren Tauglichkeit vor dem 1. Jänner 1994 festgestellt worden ist und seither fortbesteht und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch keinen Grundwehrdienst geleistet haben, ruht das Recht, eine Zivildiensterklärung abzugeben. Nach Ablauf von fünf Jahren ab Abschluss des Stellungsverfahrens kann in diesen Fällen während eines Zeitraums von sechs Wochen wieder eine Zivildiensterklärung abgegeben werden.

(2) Die in Abs. 1 genannten Wehrpflichtigen sind vom Bundesminister für Landesverteidigung über die neuerliche Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung rechtzeitig in Kenntnis zu setzen."

Vorauszuschicken ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung verfahrensrechtlicher Natur ist, weshalb gegen ihre Versäumung unter den Voraussetzungen des § 71 AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist (vgl. zur Rechtslage nach der ZDG-Novelle 1996, BGBl. Nr. 788, das hg. Erkenntnis vom 29. September 1999, Zl. 99/11/0196).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis vom 29. September 1999 dargelegt hat, hat sich der Gesetzgeber genötigt gesehen, in der mit der ZDG-Novelle 1996 eingefügten Bestimmung des § 76a Abs. 2 ZDG die Verpflichtung des Bundesministers für Landesverteidigung zur Information des im § 76a Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Personenkreises über die neuerliche (letztmalige) Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung zu statuieren. Die dem Gesetz zu Grunde liegende Wertung lässt erkennen, dass diesem Personenkreis die diesbezügliche Kenntnisbeschaffung nicht ohne weiteres zugemutet werden konnte. Im Unterbleiben von Recherchen über die Möglichkeit der neuerlichen Antragstellung kann daher kein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes (d.h. einen minderen Grad des Versehens übersteigendes) Verschulden des Beschwerdeführers gesehen werden.

Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass im § 76a Abs. 2 ZDG vorgeschriebene Information im Fall des Beschwerdeführers unterblieben ist.

Entgegen der in der Begründung des angefochtenen Bescheides angedeuteten Auffassung der belangten Behörde kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob sich der Beschwerdeführer bereits früher mit der Möglichkeit der Zivildienstleistung auseinander gesetzt und sein Interesse an der Leistung des Zivildienstes bekundet hat, weil § 76a Abs. 1 ZDG nur die Abgabe einer Zivildiensterklärung innerhalb der in dieser Bestimmung genannten Frist verlangt. War dem Beschwerdeführer daher infolge des Unterbleibens der im § 76a Abs. 2 ZDG vorgeschriebenen Information die Möglichkeit einer letztmaligen Abgabe der Zivildiensterklärung nicht bekannt gegeben worden und nicht bekannt gewesen, so kann es ihm auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn er sich im - objektiv maßgeblichen - Zeitraum bis zum 12. Februar 1997 (aus welchen Gründen immer) mit der Möglichkeit der Abgabe einer Zivildiensterklärung nicht auseinander gesetzt haben sollte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2000, Zl. 2000/11/0032).

Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides erkennen lässt, geht die belangte Behörde davon aus, dass das die Fristversäumnis bewirkende Hindernis nicht erst anlässlich der Rechtsberatung des Beschwerdeführers durch einen Rechtsanwalt, sondern bereits zu einem früheren Zeitpunkt weggefallen ist, weshalb die Frist zur Stellung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versäumt worden sei. Sie hat den Antrag des Beschwerdeführers demnach - ungeachtet der unklaren Fassung des Bescheidspruchs - wegen Verspätung zurückgewiesen.

Gemäß § 71 Abs. 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden.

Die belangte Behörde legte ihrer rechtlichen Beurteilung zunächst die Angabe des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 27. Jänner 2000 zu Grunde, er hätte sich nach Mitteilung der beabsichtigten Durchführung einer neuerlichen Stellung beim Militärkommando erkundigt, ob es nicht eine Möglichkeit für ihn gebe, den Zivildienst ableisten zu können. Dies sei bei der Ergänzungsabteilung Salzburg verneint worden. Weiters ging die belangte Behörde von der Angabe des Beschwerdeführers in dieser Stellungnahme aus, wonach Gespräche mit Mitarbeitern des Roten Kreuzes ihm verdeutlicht hätten, dass er "keine Chance zur neuerlichen Abgabe einer Zivildiensterklärung" hätte. In der Stellungnahme wird überdies vorgebracht, auch bei den Gesprächen mit Mitarbeitern des Roten Kreuzes sei er nie auf § 76a ZDG aufmerksam gemacht worden, weil diese Bestimmung offenbar auch diesen Mitarbeitern nicht bekannt gewesen sei. Wie die belangte Behörde bei Zugrundelegung dieser Angaben des Beschwerdeführers daraus folgern kann, dass die vom Beschwerdeführer erhaltene Antwort ihm habe bewusst machen müssen, dass er die für ihn maßgebliche Einbringungsfrist des § 76a Abs. 1 ZDG versäumt hatte, bleibt unerfindlich. Die belangte Behörde hat keinerlei Feststellungen dahin gehend getroffen, dass dem Beschwerdeführer anlässlich seiner Nachfrage beim Militärkommando Salzburg bzw. seiner Gespräche mit Mitarbeitern des Roten Kreuzes mitgeteilt worden wäre, dass die Möglichkeit einer (letztmaligen) Zivildiensterklärung durch § 76a ZDG zwar eingeräumt worden, diese Frist aber im Zeitpunkt der Erkundigungen bereits abgelaufen war. Auf der Grundlage der von der Behörde übernommenen Angaben des Beschwerdeführers erweist sich ihre Schlussfolgerung, spätestens durch die Antwort der Ergänzungsabteilung des Militärkommandos Salzburg bzw. der Antwort von Mitarbeitern des Roten Kreuzes sei die bis dahin bestehende Unkenntnis der Einbringungsfrist weggefallen, als verfehlt. Aus diesem Grund erweist sich auch die Zurückweisung des - auch nach den Feststellungen der belangten Behörde innerhalb von zwei Wochen nach der bei einem Rechtsanwalt erfolgten Rechtsberatung des Beschwerdeführers gestellten - Wiedereinsetzungsantrages als verspätet im Ergebnis als nicht berechtigt.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001110089.X00

Im RIS seit

08.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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