Index
90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 10/1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 19. Februar 2001, Zl. 11 - 39 - 1393/01 - 1, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach einem Vorfall vom 27. August 2000, bei dem dem einschreitenden Gendarmeriebeamten Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken eines Kraftfahrzeuges gekommen waren, leitete die Bezirkshauptmannschaft Bad Radkersburg das Ermittlungsverfahren ein und ersuchte den Amtsarzt um Erstellung eines Gutachtens.
Nach einer Untersuchung des Beschwerdeführers am 3. Oktober 2000 hielt der Amtsarzt die Beibringung der Stellungnahme eines Facharztes für innere Medizin und einer verkehrspsychologischen Stellungnahme für erforderlich.
Am 5. Dezember 2000 wurde der Erstbehörde der fachärztliche Befund Dris. N. vom 9. Oktober 2000 vorgelegt.
Am 21. Dezember 2000 langte bei der Erstbehörde die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vom 16. Dezember 2000 ein. In dieser sind die verkehrspsychologischen Befunde im Einzelnen dargestellt. In der Zusammenfassung wird u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe bei der Untersuchung am 14. Dezember 2000 in den kraftfahrspezifischen Leistungsbereichen der Aufmerksamkeit, der Beobachtungs- und der Konzentrationsfähigkeit bei einer unterdurchschnittlichen Arbeitsmenge eine normgerechte Leistungsgüte erreicht. Beim tachistoskopischen Verkehrsauffassungstest hätten sich unterdurchschnittliche Werte (sehr fehlerhaft) ergeben. Bei der Überprüfung des Reaktionsverhaltens, der Reaktionssicherheit, der reaktiven Belastbarkeit und der Auffassungsgeschwindigkeit seien gleichfalls unterdurchschnittliche Werte erhoben worden. Die sensomotorischen Leistungen seien als nicht normgerecht zu bezeichnen. Die Werte bei der Erhebung der kognitiv intellektuellen Grundfunktionen inklusive der Merkfähigkeit lägen unter dem Durchschnittsbereich. Im Bereich der Persönlichkeitsdiagnostik zeigten sich Werte, die auf eine "eher" mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung schließen ließen. Auf Grund der unter Belastung nicht normgerechten Leistungen bzw. Leistungsgüte und der aus verkehrspsychologischer Sicht als negativ zu beurteilenden Ergebnisse im Bereich der Persönlichkeitsdiagnostik könne derzeit keine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit angenommen werden. Aus verkehrspsychologischer Sicht sei daher der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Führerscheingruppen A, B, C, E, F und G nicht geeignet.
In seinem Gutachten vom 2. Jänner 2001 kam der Amtsarzt der Erstbehörde zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 nicht geeignet sei. In der Begründung wird u.a. auf deutlich herabgesetzte kraftfahrspezifische Leistungen im Bereich des Reaktionsverhaltens, der Reaktionssicherheit, der Aufmerksamkeit, der Beobachtungsfähigkeit, der Konzentrationsfähigkeit, der Auffassungsgeschwindigkeit und der Sensomotorik hingewiesen.
Am 26. Jänner 2001 wurde dem Beschwerdeführer das amtsärztliche Gutachten zur Kenntnis gebracht. Nach der darüber aufgenommenen Niederschrift ersuchte der Beschwerdeführer, den Führerschein bloß zu beschränken, da er entlegen wohne und der Führerschein daher für ihn wichtig sei.
Am 29. Jänner 2001 nahm ein für den Beschwerdeführer einschreitender Vertreter Akteneinsicht und übernahm eine Kopie der Verwaltungsakten.
Mit Bescheid vom 29. Jänner 2001 entzog die Erstbehörde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, E und F wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung und sprach gemäß § 25 Abs. 1 und 2 leg. cit. aus, dass ihm bis zur Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden dürfe.
In der Begründung führte die Erstbehörde nach Wiedergabe des amtsärztlichen Gutachtens vom 2. Jänner 2001 und der vom Beschwerdeführer am 26. Jänner 2001 abgegebenen Stellungnahme aus, diese Stellungnahme sei nicht geeignet, eine "Änderung des Spruches" herbeizuführen.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der (nunmehr anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer aus, ihm fehle nicht die gesundheitliche Eignung. Gegebenenfalls wäre eine "Probefahrt bzw." Beobachtungsfahrt anzuordnen gewesen, bei der sich gezeigt hätte, dass er gesundheitlich geeignet und fachlich befähigt sei. Es sei zu berücksichtigen, dass er seinerzeit rund 40.000 km jährlich zurückgelegt habe. Offensichtlich sei dem Beschwerdeführer das amtsärztliche Gutachten nicht entsprechend zur Abgabe einer Stellungnahme vorgehalten worden. Die Begründung des Gutachtens sei apodiktisch, ohne dass die Ermittlungsergebnisse verarbeitet worden wären. Es finde sich kein Anhaltspunkt, wie der Gutachter zu den Ausführungen im Gutachten gekommen sei. Insgesamt scheine die medizinische Begutachtung nicht ausreichend zu sein. Die Behörde habe keinen Sachverhalt angeführt, aus dem sich rechtlich der Mangel der gesundheitlichen Eignung ableiten ließe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Erstbehörde habe sich auf das amtsärztliche Gutachten gestützt, dem das Ergebnis der verkehrspsychologischen Untersuchung zu Grunde gelegen sei. Aus dem amtsärztlichen Gutachten und der verkehrspsychologischen Stellungnahme Dris. U. ergebe sich, dass die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit deutlich herabgesetzt sei. Die Durchführung einer Beobachtungsfahrt sei nicht notwendig gewesen. Gemäß § 9 FSG sei eine solche dann durchzuführen, wenn das ärztliche Gutachten eine Beurteilung technischer Fragen voraussetze. Dies sei beim Beschwerdeführer nicht der Fall. Die fachliche Befähigung des Beschwerdeführers werde nicht in Zweifel gezogen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG
lauten (auszugsweise) wie folgt:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
..."
"Gesundheitliche Eignung
§ 8. ...
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.
..."
"Technisches Gutachten und Beobachtungsfahrt
§ 9. ...
(2) Wenn das ärztliche Gutachten eine Beobachtung des zu Begutachtenden beim Handhaben von Betätigungsvorrichtungen eines bestimmen, für den Ausgleich einer Körperbehinderung umgebauten Kraftfahrzeuges erfordert, ist vor Erstellung des ärztlichen Gutachtens eine Beobachtungsfahrt anzuordnen; die erforderlichen entsprechenden technischen Umbauten sind bei der Erteilung der Lenkberechtigung vorzuschreiben.
..."
"5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
..."
"Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
(2) Bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist die Dauer der Entziehung auf Grund des gemäß § 24 Abs. 4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen.
..."
Im Rahmen der Verfahrensrüge macht der Beschwerdeführer geltend, anlässlich der Kenntnisnahme vom amtsärztlichen Gutachten am 26. Jänner 2001 hätte ihn die Erstbehörde zu einer "entsprechenden Beweisantragstellung" anleiten müssen, insbesondere in Richtung einer allfälligen neuerlichen Untersuchung bzw. der Vornahme einer Beoachtungs- "bzw. Probefahrt". § 9 FSG schließe die Vornahme einer solchen Fahrt nicht aus. Bei Durchführung einer solchen Fahrt hätte sich ergeben, dass die von der Behörde erblickten Bedenken in seiner Person nicht vorlägen.
Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, dass allfällige Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides unerheblich sind. Es wäre am Beschwerdeführer gelegen gewesen, in der Berufung Verfahrensmängel des erstinstanzlichen Verfahrens zu rügen.
Im Übrigen ist den Beschwerdeausführungen zu erwidern, dass nicht erkennbar ist, inwiefern eine neuerliche Untersuchung durch den Amtsarzt zu einer anderen Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers geführt hätte. Dem Beschwerdeführer ist zwar einzuräumen, dass § 9 FSG die Durchführung einer Beobachtungsfahrt in anderen Fällen nicht ausschließt. Dies zeigt schon § 8 Abs. 2 letzter Satz FSG. Der belangten Behörde kann aber nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Beschwerdefall die Durchführung einer Beobachtungsfahrt nicht für erforderlich gehalten hat. Die Entscheidung über die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers konnte der Amtsarzt der Erstbehörde auch ohne Beobachtungsfahrt treffen, dies insbesondere im Hinblick auf den Inhalt der ihm vorliegenden verkehrspsychologischen Stellungnahme, gegen deren Richtigkeit der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde Konkretes ins Treffen führt.
Im Rahmen der Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer in Wahrheit einen weiteren Verfahrensmangel geltend, indem er behauptet, es finde sich kein Anhaltspunkt dafür, wie der ärztliche Amtssachverständige zu den in der Begründung seines Gutachtens vom 2. Jänner 2001 enthaltenen Angaben gekommen sei.
Diesen Ausführungen ist zu erwidern, dass dem Beschwerdeführer spätestens seit der Akteneinsicht durch seinen Vertreter am 29. Jänner 2001 klar gewesen sein muss, dass dem amtsärztlichen Gutachten vom 2. Jänner 2001 in seinen Ausführungen zur kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers die verkehrspsychologische Stellungnahme Dris. U. vom 16. Dezember 2000 zu Grunde liegt. Da die Unschlüssigkeit der verkehrspsychologischen Stellungnahme nicht zu erkennen ist und in der Berufung auch nicht behauptet wurde, konnte sich die belangte Behörde ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften auf das amtsärztliche Gutachten vom 2. Jänner 2001 und die diesem zu Grunde liegende verkehrspsychologische Stellungnahme stützen.
Konkrete Ausführungen, die der Sache nach dem Beschwerdegrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit zuzuordnen sind, enthält die Beschwerde nicht. Der Verwaltungsgerichtshof kann eine derartige Rechtswidrigkeit auch nicht erkennen.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. September 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001110111.X00Im RIS seit
08.11.2001