TE Vfgh Erkenntnis 1998/10/17 G4/97, G5/97, G6/97, G7/97, G221/97, G248/97, G249/97, G250/97, G251/9

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Veröffentlicht am 17.10.1998
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
Nö KAG 1974 §45
Nö KAG 1974 §49
Nö KAG 1974 ArtII, ArtIII der 8. KAG-Nov. LGBL 9440-9

Leitsatz

Keine Verletzung des Vertrauensschutzes durch rückwirkende Inkraftsetzung einer Novelle zum Nö KAG 1974 betreffend Vereinbarungen zwischen den Rechtsträgern von Krankenanstalten und den Spitalsärzten bezüglich der Honoraranteile der Ärzte an den von der BVA und der VAE (Eisenbahner) geleisteten Sondergebühren; sachliche Rechtfertigung aufgrund geänderter Rechtsprechung; fragliche Entgelte keine ärztlichen Honorare im Sinne des Nö Krankenanstaltengesetzes; Annahme eines dienstrechtlichen Anspruchs aufgrund des Gebots verfassungskonformer Interpretation ausgeschlossen

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Beschluß vom 18.12.1996, A107/96 (95/12/0321), stellt der Verwaltungsgerichtshof gestützt auf Art140 Abs1 B-VG den - zu G4/97 protokollierten - Antrag auf Aufhebung des ArtII und ArtIII Abs2 der Novelle zum Niederösterreichischen Krankenanstaltengesetz, LGBl. für Niederösterreich 9440-9, als verfassungswidrig.

1.2. Die 8. Novelle zum Niederösterreichischen Krankenanstaltengesetz 1974 (im folgenden: NÖ KAG), LGBl. für das Land Niederösterreich 9440-9, lautet wie folgt:

"Artikel I

...

Artikel II

Bis zum Inkrafttreten des Artikel I gilt folgendes:

Wurden Vereinbarungen abgeschlossen

zwischen

dem Land Niederösterreich, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband als Rechtsträger einer öffentlichen Krankenanstalt und den in einem öffentlich-rechtlichen oder dienstvertragsrechtlichen Dienstverhältnis stehenden und zur Honorarvereinbarung berechtigten Ärzten (§49 Abs5)

über

die Anteile dieser Ärzte bzw. der nachgeordneten Ärzte an den von der Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten und der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen für ihre Versicherten an die Rechtsträger geleisteten Zahlungen, so bestimmen diese Vereinbarungen den besoldungsrechtlichen Anspruch der genannten Ärzte gegenüber den genannten Rechtsträgern.

Artikel III

(1) Die Bestimmungen des Artikels I treten rückwirkend mit 1. Jänner 1995 in Kraft.

(2) Die Bestimmungen des Artikels II treten rückwirkend mit 1. Jänner 1990 in Kraft."

1.3.1. Zum Sachverhalt führt der Verwaltungsgerichtshof aus, daß der Beschwerdeführer des Anlaßverfahrens Primarius einer Abteilung am AÖ Krankenhaus Krems an der Donau sei und in einem vffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Krems stehe. Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.6.1994, 93/12/0279, habe er am 8.9.1994 einen "Nachzahlungs/Liquidierungsantrag" an den Magistrat der Stadt Krems gestellt und die Nachzahlung des Differenzbetrages begehrt, der sich aus dem gesetzlichen Anspruch und den tatsächlich zur Auszahlung gebrachten ärztlichen Honoraren ergebe. Mit dem nach Übergang der Entscheidungspflicht vom Stadtsenat erlassenen, beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid sei der Antrag des Beschwerdeführers gemäß ArtII iVm ArtIII Abs2 der 8. Novelle zum NÖ KAG, LGBl. 9440-9, als unbegründet abgewiesen worden.

Diese Entscheidung sei damit begründet worden, daß der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen seit seiner Bestellung zum Leiter der Abteilung für Orthopädie zusätzlich zu seinen Bezügen an den von der Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten (BVA) und der Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen (VAE) geleisteten Sondergebühren für seine Mitwirkung an der Behandlung dieser in die Sonderklasse aufgenommenen Patienten einen bestimmten Prozentsatz, nämlich rund 60 % (nach Abzug des Sachaufwandersatzes) erhalte, wobei ihm dieser Anteil an den Sondergebühren jeweils mit den Monatsbezügen im Gehaltsweg ausbezahlt worden sei. Durch diese jahrelang dauernde Praxis sei in rechtlicher Hinsicht ein "konkludierter Vertrag" begründet worden. Mit seinem Antrag vom 8.9.1994 habe der Beschwerdeführer die Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen seiner prozentuellen Beteiligung und den an den Rechtsträger von den beiden erwähnten Sozialversicherungsträgern geleisteten Sondergebühren in der Annahme begehrt, daß ihm diese Sondergebühren als ärztliches Honorar zur Gänze zustünden und nur der Abzug der Einhebungsvergütung von 2,5 % der Gesamtsumme zulässig wäre. Der Niederösterreichische Landtag habe jedoch die am 31.5.1995 im LGBl. 9440-9 kundgemachte Novelle zum NÖ KAG beschlossen. Der Anspruch des Beschwerdeführers sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil er zu Lasten des sogenannten "Hausrücklasses" gehe und die medizinischen Leistungen der Ärzte für BVA- und VAE-Patienten überhaupt erst dadurch möglich würden, daß vom Rechtsträger die gesamte Infrastruktur bereitgestellt werde.

Gegen diesen Bescheid sei Beschwerde erhoben worden. Bei der im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes der Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Leistung der ihm nach dem NÖ KAG zustehenden ärztlichen Gebühren vorzunehmenden Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides habe der Verwaltungsgerichtshof die angefochtenen Vorschriften, die aufgrund der Rückwirkung für den in Frage stehenden Nachzahlungszeitraum gelten, anzuwenden.

1.3.2. Seine Bedenken gegen die angefochtenen Vorschriften legt der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen wie folgt dar: Er gehe (vor dem Hintergrund seiner Erkenntnisse vom 17.2.1993, 92/12/0115, und vom 29.6.1994, 93/12/0279) davon aus, daß es sich bei dem strittigen Anspruch um die Abgeltung von Leistungen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses gehandelt habe. Es sei daher für den besoldungsrechtlichen Anspruch maßgebend, ob die im Gesetz enthaltenen Tatbestandserfordernisse erfüllt seien oder nicht. Mit den angefochtenen Bestimmungen werde letztlich eine rückwirkende Sanierung eines rechtswidrigen Zustandes versucht:

Die im ArtII angesprochenen, privatrechtlich abgeschlossenen Vereinbarungen hätten im Rahmen des öffentlichen Dienstrechtes gegen zwingendes Recht, nämlich die Regelungen im §45 NÖ KAG über die Aufteilung der ärztlichen Honorare idF vor der

8. NÖ KAG-Novelle verstoßen und wären daher gemäß §879 Abs1 ABGB nichtig gewesen. Nach §45 Abs2 ff. NÖ KAG idF vor der

8. NÖ KAG-Novelle hätten nämlich die im §49 Abs5 des genannten Gesetzes umschriebenen Ärzte das Recht gehabt, jenen Teil der in Frage stehenden Sondergebühren für BVA- und VAE-Versicherte, der nicht als Zuschlag zur Pflegegebühr (§45 Abs1 lita NÖ KAG) oder für Leistungen der Krankenanstalt nach litc oder litd der genannten Bestimmung angefallen sei, als ärztliches Honorar (litb der genannten Bestimmung) nur um die gesetzlich vorgesehene Einhebungsvergütung von 2,5 vH verkürzt zu erhalten. Für die Einhebung eines "Hausanteiles" von 40 % von diesen ärztlichen Honoraranteilen habe es im NÖ KAG in der vorhergenannten Fassung an jeglicher Rechtsgrundlage gemangelt. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte besoldungsrechtliche Anspruch wäre demgemäß, bei Entscheidung vor der Kundmachung der

8. NÖ KAG-Novelle auf Grundlage der damaligen Rechtslage im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich nach der Regelung über die Aufteilung des ärztlichen Honoraranteiles an den Sondergebühren im §45 NÖ KAG (alte Fassung) zu prüfen gewesen.

Durch die angefochtenen Bestimmungen der 8. NÖ KAG-Novelle werde bewirkt, daß (nach den obigen Darlegungen) nichtige privatrechtliche Vereinbarungen mit dem im ArtII genannten Inhalt, die zwischen dem 1.1.1990 (ArtII Abs2) und dem 31.12.1994 (ArtII Einleitungssatz in Verbindung mit ArtIII Abs1) abgeschlossen worden seien, Rechtswirksamkeit erlangten. Eine solche rückwirkende Änderung der Rechtslage stelle aber einen gravierenden Eingriff in bestehende Rechte der betroffenen Ärzte dar. Sie sei als "Versuch der Verhinderung der Realisierung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für gleichgelagerte Fälle zu werten" und bewirke überdies eine sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung von den vor der

8. NÖ KAG-Novelle entschiedenen Fällen. Weiters sei nicht auszuschließen, daß derartige - wenn auch rechtswidrige - Vereinbarungen mit deutlich unterschiedlichem Inhalt bestehen und diese - entgegen der seinerzeit geltenden Rechtslage - durch die angefochtenen Bestimmungen der 8. NÖ KAG-Novelle sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Ansprüche begründen.

Dem Verwaltungsgerichtshof sei keine sachliche Rechtfertigung für diesen rückwirkenden, schwerwiegenden Eingriff, der - wie bereits ausgeführt - auch nicht dem Gedanken der sachlichen Gleichbehandlung dem Kern nach gleicher Fälle diene, erkennbar. Eine sachliche Rechtfertigung sei nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - verwiesen wird auf VfSlg. 11665/1988 - auch nicht darin zu finden, daß dadurch den Rechtsträgern der Krankenanstalten erhebliche Nachzahlungen an Primarärzte erspart werden sollen.

Darüber hinaus sei - im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Berechtigung der Einhebung von Sonderklassegebühren, nach der ein spezifischer Mehraufwand vom Anstaltsträger nur für die Unterbringung und die Verpflegung von Sonderklasse-Patienten geltend gemacht werden dürfe (VfSlg. 14094/1995) - eine sachliche Rechtfertigung für den Versuch, mit den angefochtenen Bestimmungen weitere Einnahmen aus einem höheren Prozentanteil an den Arztgebühren zu erzielen, nicht ersichtlich. Da die Höhe der Arztgebühren primär von der Schwierigkeit der medizinischen Leistung abhängig sei, bedeute die Einbehaltung eines "Hausrücklasses" vom Arzthonorar - ungeachtet der Inanspruchnahme von Zuschlägen zur Pflegegebühr für Sonderklasse-Patienten nach §45 Abs1 lita NÖ KAG -, daß dem Anstaltsträger aus dem Titel "Hausrücklaß" mehr Mittel zuflössen, als nach §45 Abs1 NÖ KAG vorgesehen sei; weiters, daß die Höhe des Hausrücklasses mit der Höhe des ärztlichen Honorars ansteige, ohne daß dadurch die Kosten für die Verpflegung und die Unterbringung - was allein für die Höhe des dem Anstaltsträger zustehenden Anteils an Sondergebühren, abgesehen von den Leistungen nach litc und d der genannten Bestimmung, maßgebend sein dürfe - in gleicher Weise stiegen.

Aus diesen Gründen erachte der Verwaltungsgerichtshof die bekämpften Regelungen als mehrfach im Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz stehend und stelle daher an den Verfassungsgerichtshof den im Spruch formulierten Antrag.

1.4. Die Niederösterreichische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes entgegentritt und den Antrag stellt, die angefochtenen Vorschriften nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Sie begründet ihre Auffassung - auf das Wesentliche zusammengefaßt - wie folgt:

§57 NÖ KAG 1974 idF vor der NÖ KAG-Novelle LGBl. 9440-9 habe in seinem Abs2 lita keine ärztlichen Honorare iSd vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung herangezogenen

§45 Abs1 litb und Abs2 NÖ KAG geregelt. Sowohl in der Überschrift des §45 als auch im Einleitungssatz des §45 Abs1 NÖ KAG werde zwischen Sondergebühren und ärztlichen Honoraren unterschieden. Auch §47 Abs1 leg. cit. unterscheide zwischen der Pflegegebühren-Rechnung und der Rechnung über das ärztliche Honorar. Ebenso unterscheide §48 NÖ KAG bei der Regelung der Vollstreckung entsprechend den grundsatzgesetzlichen Vorgaben (§30 Abs3 KAG) eindeutig zwischen der Einbringung von Pflege- und Sondergebühren in seinem Abs1 und der Einbringung von ärztlichen Honoraren in seinem Abs4, welche von den zur Honorarvereinbarung berechtigten Ärzten selbst einzufordern seien.

Weitere Differenzierungen seien in den §§49 und 51 enthalten. Lediglich §53 Abs2 leg. cit. sei mißverständlich formuliert, stelle jedoch durch die Verweisung auf die §§46 bis 48 klar, daß auch nach dieser Bestimmung zwischen Sondergebühren und ärztlichem Honorar differenziert werden müsse. Zudem spreche auch der maßgebliche §57 Abs2 lita idF vor der NÖ KAG-Novelle LGBl. 9440-9 von "Sondergebühren nach §45 Abs1" und stelle durch diesen Verweis auf §45 Abs1 klar, daß auch in dieser Bestimmung der Systematik des NÖ KAG folgend die begriffliche Trennung von "Sondergebühren" und "ärztlichem Honorar" andererseits fortgesetzt werde. In §57 Abs2 lita sei daher nur der erstere Rechtsbegriff, nämlich "Sondergebühren" nach §45 Abs1 lita, c, d und e enthalten.

Auch die historische Interpretation komme zu diesem Ergebnis:

§45 Abs2 NÖ KAG 1968 habe zu den Sondergebühren auch das ärztliche Honorar gezählt. Nach der Aufhebung dieser Vorschrift durch den Verfassungsgerichtshof mit Erk. VfSlg. 7285/1974 sei der Einleitungssatz des §45 Abs2 NÖ KAG im Sinne einer begrifflichen Trennung der Sondergebühren einerseits und des ärztlichen Honorars andererseits neu gestaltet worden.

Dazu komme, daß, wie der Verfassungsgerichtshof im Erk. VfSlg. 14373/1995 festgestellt habe, im grundsatzgesetzfreien Raum des §27 Abs4 lita KAG ausschließlich die Rechtsbeziehungen zwischen der Krankenanstalt und den Patienten der Sonderklasse erfaßt werden. Die Einhebung von Sondergebühren gemäß §27 Abs4 lita KAG sei daher nur vom Rechtsträger der Krankenanstalt gegenüber dem Patienten möglich. Außerdem seien Pflegegebühren und allfällige Sondergebühren gemäß §28 Abs1 KAG vom Rechtsträger der Krankenanstalt kostendeckend zu ermitteln und sodann im Landesgesetzblatt kundzumachen. Diese Forderungen des Grundsatzgesetzes seien bei einer Vereinbarung zwischen Arzt und Patient wie sie §45 Abs2 und §49 Abs5 NÖ KAG jedoch begrifflich voraussetzen, nicht zu erfüllen. Es sei daher verfassungs- und grundsatzgesetzkonform zu sagen, daß die ärztlichen Honorare iSd §45 NÖ KAG keine Sondergebühren im Sinne des §27 Abs4 KAG sein können. Dem entspreche die Kundmachung der NÖ Krankenanstaltengebühren, LGBl. 9440/1, in der zwar Zuschläge nach §45 Abs1 lita und Behandlungsgebühren nach §45 Abs1 litd NÖ KAG enthalten seien, jedoch keine ärztlichen Honorare gemäß §45 Abs1 litb leg. cit. Da die ärztlichen Honorare iSd §45 Abs1 NÖ KAG grundsatzgesetzkonform nicht als Sondergebühr gemäß §27 Abs4 KAG zu verstehen seien, könne man dem §57 NÖ KAG nicht unterstellen, er würde entgegen den grundsatzgesetzlichen Vorgaben und abweichend von der begrifflichen Trennung im NÖ KAG auch ärztliche Honorare erfassen.

Der Verfassungsgerichtshof habe im Erk. VfSlg. 14094/1995 festgestellt, daß sich die zulässigen Unterschiede zwischen der allgemeinen Gebührenklasse und der Sonderklasse nach dem KAG in einer besseren Verpflegung und Unterbringung der Patienten der Sonderklasse erschöpfen, daß sonstige Unterschiede in der Anstaltspflege von Patienten vom KAG als Grundsatzgesetz aber nicht vorgesehen werden. Insbesondere dürfe eine bessere medizinische Betreuung nicht Gegenleistung in der Sonderklasse sein. Vielmehr könne lediglich eine persönliche Betreuung durch einen bestimmten Arzt als Gegenleistung erfolgen, wie dies zB §46 KAG ausdrücklich festhalte. Nach diesem Befund erscheine es sinnwidrig, daß ein Rechtsträger einer Krankenanstalt mit einem Sozialversicherungsträger eine persönliche Betreuung durch einen bestimmten Arzt gemäß §57 NÖ KAG vereinbaren solle. Vielmehr werde - wie der Verfassungsgerichtshof im Erk. VfSlg. 14373/1995 bereits festgestellt habe - der Arzt vor Abschluß der privatrechtlichen Vereinbarung selbst zu erwägen haben, ob er ohne Beeinträchtigung der ihm krankenanstaltenrechtlich obliegenden Aufgaben eine persönliche Betreuung von Patienten wahrnehmen könne.

Die Niederösterreichische Landesregierung führt weiters aus, daß die im §57 NÖ KAG geregelten privatrechtlichen Verträge zwischen den Rechtsträgern der Krankenanstalten einerseits und den Sozialversicherungsträgern andererseits, nicht jedoch zwischen den gemäß §49 Abs5 NÖ KAG zur Honorarvereinbarung berechtigten Ärzten und Patienten bzw. den für diese Zahlungspflichtigen abgeschlossen worden seien. Das ärztliche Honorar gemäß §45 Abs1 und 2 NÖ KAG setze jedoch begrifflich eine derartige Vereinbarung zwischen berechtigtem Arzt und Patienten (Zahlungspflichtigen) voraus. Aus §45 Abs2 NÖ KAG ergebe sich, daß die Anstalt das ärztliche Honorar im Namen und auf Rechnung jener Ärzte einzuheben habe, die gemäß §49 Abs5 berechtigt seien, ein solches zu verlangen. Nach §48 Abs4 zweiter Satz leg. cit. seien die rückständigen ärztlichen Honorare von den zur Honorarvereinbarung berechtigten Ärzten selbst einzufordern. Aus §49 Abs5 NÖ KAG ergebe sich wiederum, daß das ärztliche Honorar vom verantwortlichen leitenden Arzt der Abteilung (Institutsvorstand) mit den betroffenen Patienten (§45 Abs1 litb) oder mit dem für ihn Zahlungspflichtigen vereinbart werde. Aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmungen ergebe sich, daß das ärztliche Honorar auf einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen behandelndem Arzt und Patienten beruhe, sodaß die Grundlage für Honorarforderungen eines Arztes gemäß §45 Abs2 NÖ KAG nur eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen Arzt und Patient sein könne.

Zu diesem Ergebnis gelange man auch im Wege einer historischen Interpretation. Wie sich aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu §45 NÖ KAG ergebe, habe der Gesetzgeber im Hinblick auf das Erkenntnis VfSlg. 7285/1974 und die grundsatzgesetzlichen Bestimmungen des §27 Abs4 lita und b KAG die bisherigen Regelungen im Zusammenhang mit der Festsetzung, Aufteilung und Auszahlung der ärztlichen Honorare neu konzipiert. Demnach sei es die Zielsetzung der Neuregelungen gewesen, die Festlegung des ärztlichen Honorars bei Patienten der Sonderklasse und bei der ambulatorischen Behandlung der freien Vereinbarung der jeweiligen Abteilungsleiter mit dem Patienten zu überlassen, wobei die Anstalt lediglich die Einhebung im Namen und auf Rechnung der Ärzte vornehme. Dadurch werde diese Angelegenheit zwar zu einer solchen des Zivilrechtes, doch seien die Länder gemäß Art15 Abs9 B-VG im Bereich ihrer Gesetzgebung befugt, solche Bestimmungen zu erlassen. Dies zeige, daß die Neufassung des §45 Abs2 NÖ KAG lediglich eine Einhebungsregelung enthalte, die an ein privatrechtliches Rechtsverhältnis des Arztes zu seinen Patienten anknüpfe.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sei es nicht mehr möglich, Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und Patienten der Sonderklasse auf die Ausführungskompetenz nach Art12 Abs1 Z1 B-VG zu stützen. Vielmehr sei es erforderlich, die Kompetenz zur Regelung der erforderlichen Bestimmungen auf dem Gebiet des Zivilrechts gemäß Art15 Abs9 B-VG heranzuziehen. Wenn nun der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 29.6.1994 aus §45 NÖ KAG bei isolierter Betrachtung einen besoldungsrechtlichen Anspruch ableite, so gehe er davon aus, daß diese Vorschrift einen Leistungsaustausch zum Inhalt habe. In konsequenter Fortführung dieser Deutung hätte der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Komplexität der Regelung vor dem Hintergrund des Erk. VfSlg. 7285/1974 jedoch zum Ergebnis kommen müssen, daß die Regelung als Ganze verfassungswidrig sei. Das könne jedoch nicht das Ergebnis einer verfassungskonformen Interpretation sein. §45 NÖ KAG könne der vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Inhalt schon deshalb nicht unterstellt werden, weil diese Bestimmung bewußt als verfassungskonform in Neuregelung dieser Bestimmung nach der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof gedacht war. Die ärztlichen Honorare seien daher nicht als Sondergebühren gemäß §27 Abs4 KAG und als Entgelte für Leistungen dienstrechtlicher Art zu beurteilen, sondern als Entgelte aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen zwischen Arzt und Patient aufgrund der Kompetenz des Art15 Abs9 B-VG.

Aus diesen Gründen hätten auch die Vereinbarungen der BVA bzw. VAE mit den Rechtsträgern der NÖ AÖ Krankenanstalten keine ärztlichen Honorare iSd §45 Abs1 und 2 NÖ KAG geregelt und deshalb hätten auch die Zahlungen der genannten Sozialversicherungsträger an die Rechtsträger der Krankenanstalten keine ärztlichen Honorare enthalten. Dieser Befund entspreche den Vorgaben des §57 NÖ KAG, dem aus den Zusatzübereinkommen erkennbaren Willen der Vertragspartner BVA und VAE einerseits und der Rechtsträger der Krankenanstalten andererseits sowie letztlich dem Verständnis der betroffenen Rechtsträger und Ärzte, wie die langjährige unbeanstandete Verwaltungspraxis erkennen lasse. ArtIII Abs7 des Zusatzübereinkommens zwischen den Rechtsträgern der Krankenanstalten und der BVA normiere eindeutig, daß durch die Vereinbarung der Höhe der Sondergebühren nach §45 Abs1 lita und b NÖ KAG (Abs1 und 2) der Entscheidung des Anstaltsträgers, welche Beträge als ärztliches Honorar im Sinne des §45 Abs1 litb anzusehen seien, nicht vorgegriffen werde. Auch übernehme die Vereinbarung den Begriff der "Sondergebühren" aus dem NÖ KAG und sehe in ihrem ArtII Abs1 eine Abrechnung zusammen mit den Pflegegebührenersätzen der allgemeinen Gebührenklasse vor. Auch dies spreche dafür, daß darin ärztliche Honorare, die zwischen Arzt und Patient vereinbart wurden, nicht enthalten seien.

Folge man der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, so hätten die Zusatzübereinkommen zwischen den Rechtsträgern der Krankenanstalten und BVA sowie VAE im Hinblick auf die Gruppe der bei den genannten Versicherungsträgern versicherten Patienten nur für die Ärzte zusätzliche Vergütungen zusätzlich zu ihrem Gehalt enthalten. Es könne aber dem Rechtsträger nicht unterstellt werden, daß er ein Interesse am Abschluß solcher Verträge haben könne. Bei einer solchen Auslegung der Vereinbarungen wären die Rechtsträger vielmehr schlechter gestellt als bei eigentlichen Sonderklasse-Patienten (Privatversicherten und Selbstzahlern):

Während bei den eigentlichen Sonderklasse-Patienten eine Aufteilung zwischen Rechtsträger und berechtigtem Arzt über die begriffliche Trennung "Sondergebühr" (für den Rechtsträger) und "ärztliches Honorar" (für den Arzt) erfolge, hätte der Rechtsträger bei den BVA/VAE-Pflichtversicherten auf Sonderklasse aus den Zusatzübereinkommen selbst keine weiteren Vergütungen zu erwarten. Einen solchen Willen des Vertragspartners werde man wohl nicht unterstellen können.

Da ein Honoraranspruch gemäß §45 NÖ KAG begrifflich eine Vereinbarung zwischen Arzt und Patienten/Zahlungspflichtigen voraussetze, der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29.6.1994, 93/12/0279, aber selbst ausgeführt habe, daß sich im damaligen Beschwerdeverfahren weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde auf das Bestehen einer Vereinbarung iSd §49 Abs5 NÖ KAG zwischen Beschwerdeführer und betroffenen Patienten berufen haben und es auch sonst für eine derartige Vereinbarung aufgrund der Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofes keine Anzeichen gegeben habe, könne festgestellt werden, daß auch die Zahlungen der BVA/VAE keine ärztlichen Honorare iSd §45 Abs1 litb NÖ KAG enthalten haben.

Ausgeführt wird weiters, daß es Vereinbarungen über die Aufteilungen der Zahlungen der BVA/VAE in allen niederösterreichischen Krankenanstalten gegeben habe. Solche privatrechtlichen Vereinbarungen anläßlich öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse seien, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17.2.1993, 92/12/0015, unter Hinweis auf VfSlg. 7285/1974 festgestellt habe, zulässig.

Durch ArtI Z3 der NÖ KAG-Novelle LGBl. 9440-9 werde - der dargestellten Rechtsmeinung folgend - explizit und eindeutig geregelt, daß ärztliche Honorare von Vereinbarungen gemäß §57 NÖ KAG, der die lita, c, d und e des §45 Abs1 NÖ KAG taxativ anführe, nicht erfaßt werden. Diese authentische Interpretation des §57 Abs1 lita leg. cit. durch den Landesgesetzgeber bewirke jedoch keine Änderung der maßgeblichen Rechtslage. Durch ArtII iVm ArtIII der NÖ KAG-Novelle LGBl. 9440-9 werde daher nicht rückwirkend in bestehende Rechte eingegriffen. ArtIII enthalte lediglich eine (rückwirkende) Klarstellung der bestehenden Rechtslage, welche in jahrelang geübter Verwaltungspraxis allgemein anerkannt worden sei. Zusätzlich wurden eindeutige dienstrechtliche Ansprüche der berechtigten Ärzte entsprechend den langjährig wohlerworbenen Rechtspositionen im Rahmen der zweifelsfreien Kompetenz des Landesgesetzgebers gemäß Art21 B-VG geschaffen. Die langjährig geübte "hausinterne" Aufteilung der Zahlungen der BVA/VAE zusammen mit den bestehenden Vereinbarungen habe wohlerworbene Rechtspositionen der berechtigten Ärzte geschaffen, auf welche diese vertrauen durften. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf bestehende Vereinbarungen sei notwendig gewesen. Folgte man nämlich der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, daß die im ArtII angesprochenen, privatrechtlich abgeschlossenen Vereinbarungen nichtig gewesen wären, so hätte dies zur Konsequenz, daß die Rechtsträger unter Berufung darauf, daß die Zahlungen der BVA und VAE keine ärztlichen Honorare enthalten haben, die Möglichkeit hätten, die bereits geleisteten Zahlungen rückzufordern.

Auch würden die geäußerten Bedenken im Hinblick auf Gleichheitssatz und Vertrauensschutz nicht zutreffen. Die Schwere des Eingriffes halte sich in Grenzen, da nur die "geübte Verwaltungspraxis" gesetzlich festgehalten werde.

Für die angeordnete Rückwirkung spreche, daß dann, wenn die getroffenen Vereinbarungen nicht rückwirkend als verbindlich erklärt würden, Rückabwicklungen in der Höhe von ca. S 215 Millionen möglich seien, und dies sowohl zu Lasten der Ärzte als auch der Rechtsträger. Dazu komme, daß die Rückabwicklungen auch im Verhältnis zwischen Primararzt und nachgeordneten Ärzten stattfinden müßten, was insbesondere angesichts der großen Fluktuation nachgeordneter Ärzte zu einer Vielzahl nicht nachvollziehbarer finanzieller Beziehungen geführt habe. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei daher die Festschreibung des status quo erforderlich.

Außerdem seien die Zusatzabkommen zwischen Rechtsträgern und Sozialversicherungsanstalten abgeschlossen worden, sodaß kein Arzt rechtmäßig darauf vertrauen konnte, daß ihm 100 % der geleisteten Zahlungen zustünden. Auch die Bestimmung des ArtIII Abs7 der Zusatzübereinkommen, daß der Entscheidung des Rechtsträgers, welche Beträge als ärztliche Honorare anzusehen und damit den berechtigten Ärzten weiterzugeben seien, nicht vorgegriffen werde, gebe die geübte Verwaltungspraxis deutlich wieder. Der Erwerb wohlerworbener Rechtspositionen konnte daher nur im Rahmen der zwischen Rechtsträger und Ärzten getroffenen Vereinbarungen erfolgen. Diese wurden durch die getroffene Übergangsbestimmung jedoch nicht angetastet, sondern vielmehr für beide Vertragspartner als dienstrechtlich verbindlich festgelegt. So erfolge eine (rückwirkende) gesetzliche Sicherstellung einer geübten Verwaltungspraxis, auf die von allen Betroffenen vertraut werden konnte.

Ingesamt habe daher eine Verletzung des schützenswerten Vertrauens und ein Eingriff in wohlerworbene Rechtspositionen durch ArtII und ArtIII Abs2 der Novelle zum NÖ KAG, LGBl. 9440-9, nicht stattgefunden. Die in ArtIII Abs2 leg. cit. normierte Rückwirkung habe einen eindeutigen dienstrechtlichen Anspruch der berechtigten Ärzte geschaffen und sei durch gewichtigte Gründe gerechtfertigt gewesen. Es werde daher der Antrag gestellt, die angefochtenen Vorschriften nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

1.5.1. Die Aufhebung der ArtII und III Abs2 der Novelle zum NÖ KAG, LGBl. für Niederösterreich 9440-9, als verfassungswidrig hat der Verwaltungsgerichtshof auch im Wege weiterer Anträge begehrt. Es sind dies die Anträge vom 18.12.1996, Zlen. A106/96 (protokolliert zu G5/97), A108/96 (protokolliert zu G6/97) und A105/96 (protokolliert zu G7/97), vom 22.1.1997, A37/97

(protokolliert zu G221/97), vom 26.2.1997, Z A43/97

(protokolliert zu G258/97), vom 11.3.1997, Zlen. A45/97 (protokolliert zu G248/97), A46/97 (protokolliert zu G249/97), A47/97 (protokolliert zu G250/97), A48/97 (protokolliert zu G251/97), A52/97 (protokolliert zu G252/97), A53/97 (protokolliert zu G253/97), A56/97 (protokolliert zu G254/97), A57/97 (protokolliert zu G255/97), A58/97 (protokolliert zu G256/97), A59/97 (protokolliert zu G257/97), A43/97 (protokolliert zu G258/97), A44/97 (protokolliert zu G259/97), A50/97 (protokolliert zu G274/97), A49/97 (protokolliert zu G275/97), A51/97 (protokolliert zu G276/97), A54/97 (protokolliert zu G277/97), A55/97 (protokolliert zu G278/97), vom 19.3.1997, Zlen. A65/97 (protokolliert zu G281/97), A66/97 (protokolliert zu G282/97), A67/97 (protokolliert zu G283/97), vom 16.4.1997, Zlen. A68/97 (protokolliert zu G319/97), A69/97 (protokolliert zu G320/97), und vom 28.5.1997, Zlen. A99/97 (protokolliert zu G327/97) und A98/97 (protokolliert zu G333/97).

Mit Ausnahme des zu G221/97 protokollierten Antrages wurden alle genannten Anträge aus Anlaß von beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren gegen Bescheide der Niederösterreichischen Landesregierung oder von Stadtsenaten einzelner Städte gestellt. Mit den angefochtenen Bescheiden war jeweils einem Antrag eines Primararztes auf Nachzahlung des sich aus dem gesetzlichen Anspruch (gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.6.1994, 93/12/0279) auf Honorar für die Behandlung von Sonderklassepatienten aufgrund einer Vereinbarung mit Sozialversicherungsträgern und den tatsächlich zur Auszahlung gebrachten ärztlichen Honoraren gemäß ArtII iVm ArtIII Abs2 der NÖ KAG-Novelle LGBl. 9440-9 abgewiesen worden. In dem dem zu G221/97 protokollierten Antrag zugrunde liegenden Verfahren ist der Verwaltungsgerichtshof nach Behebung eines Bescheides des Stadtsenates Krems wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgrund Überganges der Entscheidungspflicht auf den Verwaltungsgerichtshof infolge Überschreitung der gemäß §42 Abs4 erster Satz VwGG gesetzten Frist selbst zur Entscheidung der Frage der Nachzahlung ärztlicher Sondergebühren zuständig.

In allen Fällen hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen die von ihm angefochtenen Vorschriften jene - oben unter Punkt 1.3.2. wiedergegebenen - Bedenken, die er in seinem - den einzelnen Anträgen jeweils beigelegten - Beschluß vom 18.12.1996, A107/96 (protokolliert zu G4/97) im einzelnen dargelegt hat.

1.5.2. Mit Beschlüssen vom 19.3.1997, 7 Ra 230/96m

(protokolliert zu G362/97), vom 5.5.1997, 7 Ra 108/97x

(protokolliert zu G361/97), vom 23.7.1997, 7 Ra 152/97t (protokolliert zu G419/97) und vom 12.9.1997, 8 Ra 144/97y (protokolliert zu G426/97) stellt das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht in Arbeits- Sozialrechtssachen gestützt auf Art89 Abs2 B-VG und Art140 Abs1 B-VG jeweils einen Antrag auf Aufhebung der ArtII und III Abs2 der Novelle des NÖ KAG, BGBl. 9440-9, als verfassungswidrig.

Die Anträge werden aus Anlaß von Berufungen gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte gestellt, in denen über Klagen von Ärzten (in dem Antrag G361/97 zugrunde liegenden Verfahren von der Witwe und Erbin eines Arztes) gegen den jeweiligen Rechtsträger eines niederösterreichischen Krankenhauses auf Auszahlung nicht ausgezahlter Honoraranteile an von für Sonderklassepatienten von der BVA und der VAE entrichteten Sondergebühren abgesprochen wurde.

Nach - in allen Anträgen vertretener, auf das Wesentliche zusammengefaßter - Auffassung des antragstellenden Oberlandesgerichtes werde mit den angefochtenen Vorschriften letztlich eine rückwirkende Sanierung eines früheren Zustandes versucht. Eine solche rückwirkende Änderung der Rechtslage stelle aber einen gravierenden Eingriff in bestehende Rechte der betroffenen Ärzte dar. Für diesen rückwirkenden, schwerwiegenden Eingriff sei, wie auch der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt habe, eine sachliche Rechtfertigung nicht erkennbar.

1.6. In allen genannten Fällen hat die Niederösterreichische Landesregierung eine Äußerung erstattet, die inhaltlich der oben unter Punkt 1.4. wiedergegebenen entspricht.

In einigen Verfahren haben auch beteiligte Parteien Äußerungen erstattet.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Zur Zulässigkeit:

In den Verfahren ist nichts hervorgekommen, was gegen die Präjudizialitätsannahmen der antragstellenden Gerichte in den einzelnen Verfahren spräche. Insbesondere schließt auch die Verwendung der Vergangenheitsform ("Wurden Vereinbarungen abgeschlossen...") in ArtII leg. cit. in Verbindung mit der das rückwirkende Inkrafttreten anordnenden Bestimmung des ArtIII Abs2 leg.cit. nicht aus, die Bestimmung (insoweit auch verfassungskonform) dahin zu verstehen, daß solche Vereinbarungen, wann immer sie abgeschlossen wurden, das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien rechtswirksam gestalten, bei vor dem 1. Jänner 1990 abgeschlossenen Vereinbarungen ab diesem Zeitpunkt.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Anträge zulässig.

2.2. In der Sache:

2.2.1. Die §§45 Abs1 und 2, 49 und 57 NÖ KAG, LGBl. 9440-3, lauten wie folgt:

"Sondergebühren und ärztliche Honorare

§45

(1) Neben den Pflegegebühren dürfen folgende Sondergebühren und ärztliche Honorare verlangt werden:

a)

ein Zuschlag zur Pflegegebühr für Patienten, welche auf eigenen Wunsch in einem Krankenzimmer der Sonderklasse untergebracht wurden,

b)

das ärztliche Honorar für die Behandlung der unter lita genannten Patienten, für die Behandlung von Patienten in Anstaltsambulatorien und für die Blutabnahme nach straßenpolizeilichen Vorschriften (§43 Abs6),

c)

der Ersatz der allfälligen der Krankenanstalt aufgelaufenen Kosten für die Beförderung des Patienten in die Krankenanstalt und aus derselben, für die Beistellung eines Zahnersatzes - soferne dies nicht mit der in der Krankenanstalt durchgeführten Behandlung zusammenhängt - sowie für die Beistellung orthopädischer Hilfsmittel (Körperersatzstücke) - soweit sie nicht therapeutische Behelfe darstellen -,

d)

eine Behandlungsgebühr für jede Inanspruchnahme des Anstaltsambulatoriums, die ambulatorische Erste ärztliche Hilfeleistung und für die Blutabnahme nach straßenpolizeilichen Vorschriften (§43 Abs6).

(2) Das ärztliche Honorar hat die Anstalt im Namen und auf Rechnung jener Ärzte einzuheben, die gemäß §49 Abs5 berechtigt sind, ein solches zu verlangen. Für die Einhebung ist von der Anstalt eine Einhebungsvergütung im Ausmaß von 2,5 v.H. vom ärztlichen Honorar einzubehalten. In den folgenden Absätzen ist unter dem ärztlichen Honorar der Betrag abzüglich dieser Einhebungsvergütung zu verstehen."

"Ermittlung und Festsetzung der Pflege- und Sondergebühren

§49

(1) Die Pflege- und Sondergebühren sind für die Voranschläge und Rechnungsabschlüsse kostendeckend zu ermitteln.

(2) ...

...

(5) Das ärztliche Honorar wird vom verantwortlichen leitenden Arzt der Abteilung (Institutsvorstand) mit dem betroffenen Patienten (§45 Abs1 litb) oder mit dem für ihn Zahlungspflichtigen vereinbart. Dasselbe gilt hinsichtlich des ärztlichen Honorares für Laboratoriumsuntersuchungen, für eine konsiliarärztliche Tätigkeit, für Radium-, Röntgen- oder sonstige physikalische Behandlungen und für die Tätigkeit besonderer Fachärzte, wie z.B. für Anästhesiologie."

(6) ...

"§57

(1) Im übrigen werden die Beziehungen der Versicherungsträger zu den öffentlichen Krankenanstalten durch privatrechtliche Verträge geregelt, die zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger im Einvernehmen mit dem in Betracht kommenden Versicherungsträger einerseits und dem Rechtsträger der Anstalt andererseits abzuschließen sind und zu ihrer Rechtsgültigkeit der schriftlichen Form bedürfen.

(2) In diesen Verträgen ist vor allem zu regeln:

a)

das Ausmaß der von den Trägern der Sozialversicherung den Trägern der Krankenanstalten zu entrichtenden Pflegegebührenersätze - unter Berücksichtigung der Abgeltung für therapeutische Behelfe - und allfälligen Sondergebühren nach §45 Abs1,

b)

...

...

(3) ...

..."

Mit der 7. Novelle zum NÖ KAG, LGBl. 9440-8, wurde dem §45 Abs1 eine lite angefügt, die hier jedoch nicht von Bedeutung ist.

Seit der 8. Novelle zum NÖ KAG, LGBl. 9440-9, deren ArtII und ArtIII oben unter Punkt 1.2. wiedergegeben sind, lautet der §45 Abs2 mit Wirkung vom 1.1.1995 wie folgt:

"(2) Das ärztliche Honorar hat die Anstalt im Namen und auf Rechnung jener Ärzte einzuheben, die gemäß §49 Abs5 berechtigt sind, ein solches zu verlangen. Für die Einhebung des ärztlichen Honorars und den mit der Abrechnung und Weiterleitung des ärztlichen Honorars an die nachgeordneten Ärzte verbundenen Verwaltungsaufwand ist von der Anstalt eine Einhebungsvergütung im Ausmaß von 6 % vom ärztlichen Honorar einzubehalten. In den folgenden Absätzen ist unter dem ärztlichen Honorar der Betrag abzüglich dieser Einhebungsvergütung zu verstehen."

Mit der 10. Novelle zum NÖ KAG, LGBl. 9440-11, erfolgte eine, hier nicht relevante, Änderung des §45 Abs1 litb.

2.2.2. Das am 7.3.1984 gemäß §57 NÖ KAG zwischen "den Rechtsträgern der öffentlichen Krankenanstalten in NÖ" und der BVA abgeschlossene "Zusatzübereinkommen" über die Beziehungen bei Aufnahme von bei der BVA Anspruchsberechtigten in die Sonderklasse (welches von der NÖ Landesregierung dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt wurde) lautet auszugsweise wie folgt:

"Artikel I

...

Artikel II

(1) Die Verrechnung der 'Sondergebühren' (ArtIII) erfolgt zwischen Krankenanstalt und BVA zusammen mit der Abrechnung über die Pflegegebührenersätze der allgemeinen Gebührenklasse. Die Pflegefälle der Sonderklasse sind gesondert zu verrechnen, wobei die nach ArtIII Abs1 und 2 zu verrechnenden Sondergebühren nach den einzelnen Positionen getrennt anzuführen sind. Der Verrechnung sind die in allen Teilen ausgefüllten Bewilligungsvordrucke der BVA beizuschließen.

(2) ...

(3) ...

Artikel III

(1) Die BVA bezahlt bei operativen Fällen gemäß §45 Abs1 lita und b in Verbindung mit §57 Abs2 lita NÖ KAG als Sondergebühren:

1.)

Operationskosten unter sinngemäßer Anwendung der jeweils zwischen der Österreichischen Ärztekammer mit der BVA vereinbarten Tarifbestimmungen (siehe Anlage 2, Seite 36 - 53).

2.)

Die Kosten der postoperativen Nachbehandlung, wobei als tarifarische Leistungseinheit der jeweils zwischen der Österreichischen Ärztekammer und der BVA vereinbarte Tarifsatz für eine Ordination beim praktischen Arzt zu gelten hat (siehe Anlage 2, Seite 11, Tarifposition 1a). Die Zahl der im Einzelfalle verrechenbaren Leistungseinheiten bestimmt sich nach den hiefür geltenden Richtlinien der BVA.

3.)

Die Kosten für Röntgenuntersuchungen, wenn sie zur Feststellung der Notwendigkeit eines operativen Eingriffes erforderlich sind oder eine untrennbare Einheit mit der Operation bilden, nach Maßgabe der jeweils zwischen der Österreichischen Ärztekammer und der BVA vereinbarten Tarifbestimmungen der Fachärzte für Radiologie (siehe Anlage 2, E. Tarif für Röntgendiagnostik und Röntgentherapie durch Fachärzte für Radiologie, Seite 67 ff.).

4.)

Die Kosten der unmittelbar an die Operation anschließenden postoperativen Ca-Röntgenbestrahlungen nach Maßgabe der jeweils zwischen der Österreichischen Ärztekammer und der BVA vereinbarten Tarifbestimmungen der Fachärzte für Radiologie (siehe Anlage 2, E. Tarif für Röntgendiagnostik und Röntgentherapie durch Fachärzte für Radiologie, Seite 74).

5.)

Die Kosten der notwendigen und mit der Operation in unmittelbarem Zusammenhang stehenden histologischen Untersuchungen nach Maßgabe des jeweils zwischen der Österreichischen Ärztekammer und der BVA vereinbarten Tarifes für medizinische Laboratorien (siehe Anlage 2,

D. Tarif für medizinisch-diagnostische Laboratorien, Seite 65, Tarifposition L 21a).

   6.) Eine einmalige Bauschgebühr (je Pflegfall) bei

       Operationen der Operationsgruppe      I von S   450,-- +++)

                                            II von S   510,-- ++)

   (laut Operationsgruppen-                III von S   750,-- +)

   schema des Gesamtver-                    IV von S 1.140,--

   trages + Honorarordnung,                  V von S 1.440,--

   Seite 37 bis 53)                         VI von S 1.790,--

                                           VII von S 2.180,--

                                          VIII von S 2.530,--

Bei gleichzeitiger Vornahme mehrerer Operationen ist die Bauschgebühr nur einmal und zwar nach der entfallenden höchstbewerteten Operationsgruppe anrechenbar.

   Anm.:     +) einschl.Operat.Dev.septi

            ++) Frischbluttransfusion - 1/2 Bauschgebühr

                                        verrechenbar

           +++) Bluttransfusion m. Konserve - keine Bauschgebühr

                                              verrechenbar

7.)

Bei Entbindungsfällen wird ein einmaliger Betrag von

S 1.750,-- je Entbindungsfall verrechnet. Operative Eingriffe bei einer Entbindung ab Operationsgruppe III sind nach den Bestimmungen der Punkte 1, 2 und 6 zu verrechnen.

(2) Die BVA bezahlt bei internen (nichtoperativen) Fällen gemäß §45 Abs1, lita und b in Verbindung mit §57 Abs2 lita NÖ KAG als Sondergebühren:

1.

Für die ersten 10 Tage der von der BVA anerkannten Anstaltspflege ein Bauschbetrag je Patient und Tag von 34 Punkten der Honorarordnung für praktische Ärzte und Fachärzte unter Anwendung des jeweils zwischen der Österreichischen Ärztekammer und der BVA vereinbarten Punktewertes.

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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