TE UVS Wien 1991/05/22 03/16/41/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.05.1991
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Betreff

Die Tatvorwürfe waren nicht erweislich

Spruch

"Sie haben am 14.12.1990 um 7.57 Uhr in Wien 18., Währingerstraße 176 als Lenker des PKW mit Kennzeichen XY 1) Personen, die den Schutzweg überqueren wollten, am ungehinderten Überqueren behindert, 2) das deutlich sichtbar gegebene Armzeichen eines SWB nicht beachtet, 3) während der Fahrt den Sicherheitsgurt nicht angelegt, obwohl kein Fahrgast sich im Fahrzeug befand und 4) sich gegenüber einem im Dienste befindlichen SWB trotz vorausgegangener Abmahnung ungestüm benommen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 99/3 a StVO in Verbindung mit 1) § 9/2 StVO, 2) § 37/1 StVO,

3) Art III (1) 3. KFG-Novelle und 4) Art IX/1/2 EGVG. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

1) Geldstrafe von S 800,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzarrest von 48 Stunden gemäß § 99/3 a StVO, 2) Geldstrafe von S 800,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzarrest von 48 Stunden gemäß § 99/3 a StVO,  3) Geldstrafe von S 300,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzarrest von 18 Stunden gemäß Art III (5) a, 3. KFG-Novelle und 4) Geldstrafe von S 500,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzarrest von 30 Stunden gemäß Art IX/1 EGVG.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes VStG 1950 zu zahlen:

S 240,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich S 50,-- angerechnet). Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 2.640,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 67 VStG 1950). Über die dagegen fristgerecht eingebrachte Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien in öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der angefochtene Bescheid in den Punkten 1), 2) und 4) behoben und es wird das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Zif 2 VStG eingestellt.

Bemerkt wird, daß Punkt 3) des zitierten Straferkenntnisses nicht angefochten war.

Text

Begründung:

Für die vorstehende Entscheidung war folgendes maßgeblich: ad 1)

Der Beschwerdeführer wendet ein, die Fußgänger seien neben dem Sicherheitswachebeamten auf dem Gehsteig gestanden. Dem steht die Anzeige des Meldungslegers gegenüber, die lautet:

Als einige Kinder die Währinger Straße überqueren wollten und schon ungeduldig vom Gehsteig auf die Fahrbahn schritten, begab ich mich mit senkrecht nach oben ausgestrecktem Arm auf die Fahrbahn.

In seiner zeugenschaftlichen Einvernahme vor der Behörde erster Instanz gab der Meldungsleger dazu folgendes zu Protokoll:

Zu Punkt 1): wie aus der Anzeige ersichtlich, waren die Kinder gerade im Begriffe die Fahrbahn zu betreten, jedoch noch keineswegs auf der Fahrbahn.

Die Einvernahme des Berufungswerbers und des Meldungslegers brachte zu dieser Frage keine weiteren verwertbaren Erkenntnisse. Nach dem Gesetzeswortlaut (§ 9 Abs 2 StVO 1960) hat der Lenker eines Fahrzeuges einen Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.

Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, daß er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann und er hat, falls erforderlich, anzuhalten.

Nach der für den Berufungswerber ungünstigsten Annahme befand er sich ca 40 m vor dem Schutzweg, als der Meldungsleger auf die Fahrbahn trat und fuhr er mit einer Geschwindigkeit von bloß 30 km/h in Richtung stadtauswärts.

Nach der für den Berufungswerber ebenfalls ungünstigsten Annahme, daß der Meldungsleger bis zur Mitte des freien Teiles der Fahrbahn nur fünf Sekunden benötigte, hätte er bei unverminderter Geschwindigkeit gerade noch vor dem Meldungsleger den Schutzweg überquert.

Im Verfahren war nicht mehr zu klären, ob die Personen, welche den Schutzweg überqueren wollten Erwachsene waren oder Kinder, auf welche der Vertrauensgrundsatz nicht anzuwenden ist. Daß die wartenden Personen den Schutzweg noch vor dem Meldungsleger betreten hätten ist unwahrscheinlich und wurde vom Meldungsleger bei seiner Einvernahme durch die Behörde erster Instanz auch in Abrede gestellt. Selbst wenn diese Personen aber entgegen der Anweisung durch den Meldungsleger unmittelbar nach ihm in einem zeitlichen Abstand von nur einer Sekunde den Schutzweg betreten hätten - auch diese Annahme ist wenig wahrscheinlich - hätten sie somit den Schutzweg ungefährdet überqueren können. Eine Gefährdung des Meldungslegers selbst ist aber schon deshalb auszuschließen, weil erkennbar seine Absicht nicht war, den Schutzweg zu überqueren, sondern spätestens in der Mitte der freien Fahrbahn die Straße für den Fahrzeugverkehr zu sperren.

ad 2): Gemäß § 37 Abs 1 StVO 1960 gilt es als Zeichen für "Halt", wenn ein auf der Fahrbahn stehender Verkehrsposten einen Arm senkrecht nach oben hält.

Unbestritten bleibt, daß der Meldungsleger mit senkrecht erhobener Hand vom Gehsteig auf den Schutzweg trat und die von ihm gewollte Stelle nach (längstens) sechs Sekunden erreichte.

Dieses Zeichen, welches rechtstechnisch eine Verordnung ist, erlangt für den Normunterworfenen nach dem klaren Gesetzeswortlaut erst Verbindlichkeit, wenn der Verkehrsposten auf der Fahrbahn steht. Selbst unter den für den Berufungswerber Annahmen (siehe ad 1), daß er sich zu diesem Zeitpunkt, auch unter Berücksichtigung des inzwischen eingeleiteten Bremsmanövers, unmittelbar vor dem Schutzweg befunden haben. Gemäß der klaren Anordnung im § 37 Abs 1, 2. Satz, letzter Halbsatz, hätte der Berufungswerber den Schutzweg zu überfahren gehabt.

ad 3): Die Einvernahme des Berufungswerbers zeigte, daß er  über eine sehr laute Stimme verfügt, die, wenn er sich im Widerspruch mit seinem Gegenüber befindet, noch lauter wird; weiters gestikuliert der Berufungswerber beim Sprechen geradezu unentwegt mit seinen Händen. Als agressiv kann dieses Verhalten aber keineswegs gedeutet werden. Die in der Anzeige wiedergegebenen Äußerungen des Berufungswerbers können auch nicht als ungehörig oder gar beleidigend erkannt werden. Daß die nicht zwingend gebotene Abmahnung gemäß Art IX Abs 1 Zif 2 EGVG in dieser Situation geradezu kontraproduktiv sein mußte, bedarf keiner weiteren Begründung.

Die Amtshandlung begann nach der Aktenlage um 7.57 Uhr und dauerte - unter diesen Umständen recht lange - bis ca 8.10 Uhr; während dieser Zeit regelte niemand den Schutzweg. Der Tatbestand des Art IX, 2. Fall EGVG, den der Berufungswerber nach der Aktenlage verwirklicht hätte, führt in der Folge sogar zu Androhung der Festnahme. Der Schluß, die Festnahme sei nur unterblieben, weil sonst auch die Schutzwegsicherung unterblieben wäre, ist unter diesen Umständen nicht zwingend. Einfacher nachvollziehbar ist hier die Annahme, daß die auf Art IX, 2. Fall EGVG gestützte Festnahme deshalb unterblieb, weil der Tatbestand nicht verwirklicht wurde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Schutzweg, Armzeichen, Sicherheitsgurt, Abmahnung, ungestümes Benehmen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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