Das Hinterlassen einer Visitenkarte am Tatort spricht zugunsten des Beschuldigten
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird die gegen Punkt 1) des Straferkenntnisses rechtzeitig eingebrachte Berufung (fälschlich als "Einspruch" bezeichnet) Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Zif 1 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Der Berufungswerber stellt nicht in Abrede, zur Tatzeit am Tatort mit seinem Fahrzeug unterwegs und an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden beteiligt gewesen zu sein.
Er habe jedoch unverzüglich nach dem Verkehrsunfall eine Visitkarte am Fahrzeug des Zweitbeteiligten zurückgelassen. Aus diesem Grund sei der Sachschaden bereits berichtigt worden.
Folgender Sachverhalt ist aktenkundig:
Das Verfahren wurde eingeleitet auf Grund einer telefonischen Anzeige einer Vorfallszeugin.
Sie berichtete, daß der Berufungswerber im Zuge eines Ausparkmanövers mit dem Fahrzeug des Zweitbeteiligten kollidiert war. Hiebei sei im Bereich der rechten hinteren Stoßstange und des rechten hinteren Blinkerglases ein Sachschaden verursacht worden. Der Lenker des unfallsverursachenden Fahrzeuges sei ohne anzuhalten weitergefahren. Laut Anzeige habe sich der Berufungswerber damit verantwortet, er habe bereits eine Mitteilung am parkenden Fahrzeug hinterlegt, es sei ihm unbekannt gewesen, daß er eine Selbstanzeige erstatten hätte müssen. Es erging sohin am 15.3.1991 ein Straferkenntnis, mit welchem der Berufungswerber für schuldig befunden wurde, Verwaltungsübertretungen gemäß § 4 Abs 1 lit a und § 4 Abs 5 StVO gesetzt zu haben.
Der zweite Teil des Straferkenntnisses, mit welchem dem Berufungswerber zur Last gelegt wurde, es unterlassen zu haben, ohne unnötigen Aufschub die nächstgelegene Polizeidienststelle zu verständigen, ist zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen. Zu Bl 11 vs erliegt ein Bericht des Bezirkspolizeikommissariates Wieden zum Akt, welchem zu entnehmen ist, daß der Berufungswerber im Anschluß an den Verkehrsunfall keineswegs geflüchtet sei, er habe vielmehr eine Abstellposition für sein Fahrzeug gesucht, die eine Behinderung für den fließenden Verkehr ausgeschlossen habe, er sei sodann zum beschädigten Fahrzeug zurückgekehrt, um seine Notiz anzubringen. Der Geschädigte habe diese Notiz auch vorgefunden.
Dieser Sachverhalt wurde folgender rechtlichen Würdigung unterzogen:
Daß sich zur Tatzeit am Tatort zwischen den Fahrzeugen des Berufungswerbers und des Zweitbeteiligten ein Verkehrsunfall mit Sachschaden ereignet hat, konnte auf Grund des Tatsachengeständnisses sowie des dahingehend unbedenklichen Akteninhaltes der Entscheidung zugrundegelegt werden. Hinsichtlich des Folgeverhaltens liegen zwei prinzipiell divergente Darstellungen vor.
Einerseits berichtete eine Vorfallszeugin, der Berufungswerber habe das Weite gesucht, ohne eine Verständigung am beschädigten Fahrzeug zu hinterlassen.
Demgegenüber steht die Version des Berufungswerbers selbst sowie des Geschädigten, welche beide behaupteten, es habe sich eine Notiz mit den Daten des Berufungswerbers am beschädigten Fahrzeug befunden.
Die gefertigte Behörde hat das Zutreffen beider Variationen als denkunmöglich erachtet.
Sie hatte daher im Rahmen der ihr eingeräumten Beweiswürdigung die Verpflichtung, einer dieser Versionen den Vorzug zu gewähren. Sie hat sich zugunsten der Version des Berufungswerbers entschieden. Dies insbesondere deshalb, da es als denkbar erachtet wurde, daß der Berufungswerber tatsächlich im Bereich des Vorfalles keine Parkmöglichkeit vorgefunden hatte, sein Fahrzeug bis zur nächstmöglichen Abstellposition lenkte und sodann zum beschädigten Fahrzeug zurückging, um eine Notiz zu hinterlegen. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, daß diese Vorgänge der Zeugin entgingen.
Auch der bereits zitierte Bericht vom 27.5.1991, angefertigt im Bezirkspolizeikommissariat Wieden, vermag die Verantwortung des Berufungswerber zu tragen.
Wenn die Berufungsbehörde nun davon ausgeht, daß der Berufungswerber umgehend eine Notiz am Fahrzeug des Zweitbeteiligte hinterließ, so kann daraus geschlossen werden, daß der Berufungswerber nach dem Unfallsgeschehen angehalten hat. Wenn dies zur Parkplatzsuche kurzfristig verzögert wurde, fällt dies dem Berufungswerber nicht weiter zur Last. Dies deshalb, da es Sinn der herangezogenen Gesetzesstelle ist, eine rasche Schadensabwicklung zu ermöglichen. Es verblieb somit dem Berufungswerber nichts weiter zu tun, als den Tatort nach Feststellung des Eintrittes eines Schadens zu verlassen, als er feststellte, daß der Lenker des beschädigten Fahrzeuges nicht anwesend sei. Daß er sodann wegen des Unterbleibens eines Datenaustausches die nächstgelegene Polizeidienststelle aufzusuchen gehabt hätte, war bereits Gegenstand eines rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens. Was jedoch den zu Punkt 1) abgehandelten Tatvorwurf betrifft, konnte das Vorhandensein der Visitkarte am Tatort durchaus als Indiz zugunsten des Berufungswerbers gewertet werden. Da, wie ausgeführt, dem Berufungswerber nicht mit der im Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden konnte, daß er das ihm zur Last gelegte Tatbild verwirklicht hatte, war der angefochtene Bescheid spruchgemäß zu beheben und die Einstellung des Verfahrens zu verfügen.