Beschwerde gegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft
Der Beschwerde gegen die Festnahme und die anschließende Anhaltung in Schubhaft wird Folge gegeben. Die Festnahme und Anhaltung wird für rechtswidrig erklärt.
1. Der Verwaltungssenat geht bei der Frage seiner Prüfungsbefugnis nach § 5a FrPG von folgendem aus:
Gemäß § 5a FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen.
Aus den Materialien zur Novelle des Fremdenpolizeigesetzes BGBl. Nr. 21/1991 ergibt sich, daß mit dem neuen § 5a des Gesetzes den Anforderungen des Art. 6 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit entsprochen werden sollte. Nach diesem Art. 6 hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Bestimmung des Art. 6 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit wiederum ist an Art. 5 Abs. 4 MRK orientiert (vgl. die Erläuterungen auf Seite 7 der Beilage 134 des XVII. Nationalrates).
Es ist daher geboten, bei der Auslegung des § 5a FrPG auf den Inhalt der genannten Grundrechtsbestimmungen und insbesondere auf das herrschende Verständnis des Art. 5 Abs. 4 MRK, von dem der Verfassungsgesetzgeber bei der Erlassung des Art. 6 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit wohl ausgegangen ist, Bedacht zu nehmen.
Dieses herrschende Verständnis des Art. 5 Abs. 4 MRK stellt sich nach Auffassung des Verwaltungssenates so dar, daß das richterliche Organ jene Umstände zu überprüfen hat, die nach Art5 Abs. 1 MRK für die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung einer Person maßgeblich sind. Auf die Schubhaft bezogen bedeutet dies die Überprüfung der Haft im Hinblick auf ihre Notwendigkeit (und Verhältnismäßigkeit) in "einem schwebenden Ausweisungsverfahren" (vgl. dazu Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, S 13; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar (1985), S 85f und S 100; Trechsel, Die Garantie der persönlichen Freiheit (Art. 5 EMRK) in der Straßburger Rechtsprechung, EuGRZ 1980, S 529f).
Der Verwaltungssenat hat somit zu prüfen, ob die Schubhaft zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung nach § 5 FrPG im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder zur Verhinderung eines unmittelbar zu befürchtenden strafbaren Verhaltens des Fremden erforderlich ist.
Eine Prüfung des Bescheides über das Aufenthaltsverbot ist dagegen nach Auffassung des Verwaltungssenates in einem Verfahren nach § 5a FrPG nicht zulässig. Nach den genannten Grundrechtsbestimmungen ist nur über die Rechtmäßigkeit der Haft, nicht aber über die Rechtmäßigkeit der Abschiebung zu entscheiden, in welchem Fall Art. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur MRK anwendbar wäre (vgl. Rosenmayr, S 13 f; Trechsel, S 527 sowie VfSlg. 8996).
2. Der Verwaltungssenat beurteilt den vorliegenden Sachverhalt wie folgt:
Über den Beschwerdeführer wurde am 7.6.1991 die Schubhaft verhängt. Der betreffende Bescheid war sofort vollstreckbar und diente der Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der anschließenden Sicherung der Außerlandschaffung. Es bleibt somit zu prüfen, ob die Schubhaft zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. zur anschließenden Vollstreckung eines solchen Aufenthaltsverbotes im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder zur Verhinderung eines unmittelbar zu befürchtenden strafbaren Verhaltens des Fremden im Sinne des § 5 Abs. 1 FrPG notwendig war.
Im vorliegenden Fall kam als Grund für die Notwendigkeit der Schubhaft vor allem die konkrete Gefahr, daß sich der Fremde der Durchführung eines Aufenthaltsverbotsverfahrens entzieht (für den Zeitraum bis zur Erlassung des Bescheides über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes) bzw. daß er die Vollstreckung eines solchen Aufenthaltsverbotes verhindert, in Betracht. Nach Auffassung des Verwaltungssenates war jedoch das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Hinblick auf den langen Aufenthalt des Beschwerdeführers (seit 1974) und seine sozialen Bindungen (Kinder, Arbeitsplatz) im Bundesgebiet nicht anzunehmen. Die vom Beschwerdeführer bekundete Absicht, diese sozialen Bindungen nicht freiwillig und fluchtartig aufzugeben, war im Hinblick auf seine Lebensumstände glaubhaft. Insbesondere kann auch davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer imstande war, eine entsprechende Unterkunft zu finden.
Der Verstoß gegen paß- und fremdenpolizeiliche Bestimmungen und das Vorliegen gerichtlicher Vorstrafen sind Umstände, die im Falle des Beschwerdeführers primär im Verfahren betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes relevant sein können. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes reicht jedoch allein nicht aus, die Verhängung der Schubhaft im Sinne des § 5 Abs. 1 FrPG zu rechtfertigen (vgl. VwGH 27.5.1987, 87/01/0011). Die vorerwähnten Umstände können aber bei der weitgehenden Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht die Notwendigkeit einer Sicherung des Ausweisungsverfahrens durch Verhängung der Schubhaft begründen.
Auch die gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten strafgerichtlichen Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung und der gefährlichen Drohung stellen keine ausreichende Begründung für die Anordnung der Schubhaft dar. Das Landesgericht F hat nämlich die über den Beschwerdeführer verhängte Untersuchungshaft, da der Haftzweck durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden konnte, aufgehoben. Der Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß die Fremdenpolizeibehörde es besonders begründen müßte, wenn sie die Frage der Notwendigkeit einer Anhaltung in Haft infolge des Verdachtes einer gerichtlichen Straftat strenger beurteilte als das für die Ahndung des entsprechenden Deliktes zuständige Gericht. Eine solche besondere Begründung liegt jedoch im vorliegenden Fall nicht vor.
Die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft war deshalb für rechtswidrig zu erklären.