Der Unfall war als Kontakt mit einem menschlichen Körper durchaus erkennbar
Gemäß § 66 Abs 4 AVG 1991 wird das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung bestätigt, daß die Tatumschreibung wie folgt zu lauten hat:
"Der Beschuldigte W war am 26.1.1991 gegen 02.55 Uhr in Wien 7, Neubaugürtel, Fahrbahn vor Haus ONr 38 (vor Hotel W) als Lenker des Personenkraftwagens Taxi mit dem amtlichen Kennzeichen XY an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden ursächlich beteiligt und hat es unterlassen
1)
sofort anzuhalten,
2)
an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, in dem er sich mit dem gelenkten Kraftfahrzeug vom Unfallort entfernte und
3) die nächste Polizeidienststelle sofort von diesem Unfall zu verständigen."
Dem Berufungswerber wird gemäß § 64 Abs 2 VStG 1991 ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von je S 1.200,-- zu den Punkten 1) bis 3) (insgesamt S 3.600,--) auferlegt.
Begründung:
Aufgrund der am 28.6.1991 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wird der im Spruch des Berufungsbescheides zu den Punkten 1) bis 3) angeführte Sachverhalt gemäß nachstehender Beweiswürdigung als erwiesen angenommen und festgestellt. Der Unfallhergang wird in der Verkehrsunfallanzeige vom 26.1.1991 wie folgt geschildert:
"Vermutlich U lenkte den PKW XY auf dem zweiten Fahrstreifen des Neubaugürtels in Richtung Burggasse.
Ein unbekannter Lenker lenkte ein Taxi (Kennzeichen unbekannt) auf dem dritten Fahrstreifen des Neubaugürtels ebenfalls in Richtung Burggasse.
A ging aus dem Hotel W auf den Neubaugürtel und stieg auf die Fahrbahn in der Absicht ein vorbeifahrendes Taxi anzuhalten; hiezu begab er sich in die Fahrbahnmitte.
Dort stieß der PKW XY A nieder und schleuderte ihn gegen das unbekannte Taxi. Sowohl der Lenker des PKW XY als auch der unbekannte Taxilenker setzten die Fahrt ohne anzuhalten, an der Sachverhaltsdarstellung (-klärung) mitzuwirken und etwaig Verletzten Hilfe zu leisten fort (Bl 1)."
Laut Anzeige erlitt der Fußgänger A durch gegenständlichen Verkehrsunfalls folgende Verletzungen:
Offener Schädelbruch, offener Schienbeinbruch links und vermutlich eine Ellbogenprellung links. Es bestand Lebensgefahr (Blatt 1 verso).
Das am gegenständlichen Verkehrsunfall mit Personenschaden ursächlich beteiligte Taxi wird sowohl im Tag- als auch im Nachtdienst betrieben. Der Berufungswerber war zur Tatzeit Nachtlenker des Taxis. Nachdem er das Fahrzeug an der Kreuzung Herbststraße/Haymerlegasse abgestellt hatte, übernahm am nächsten Morgen der Zeuge G das Taxi in Tagbetrieb. Anläßlich der zeugenschaftlichen Einvernahme von G gab dieser wie folgt an:
"Heute, um 07.00 Uhr ging ich zum Taxi XY, daß an der Kreuzung Herbststraße/Haymerlegasse abgestellt war. Ich bin Taglenker bei der Firma B und hätte das Taxi übernehmen sollen. Als ich zum Fahrzeug kam, sah ich, daß die Windschutzscheibe an der rechten Seite beschädigt war. Anschließend bemerkte ich, daß die Antenne am rechten vorderen Kotschützer und die rechte vordere Türe verbogen bzw eingedrückt war. Ich bemerkte, als ich um 10 Uhr noch einmal zum Fahrzeug kam, daß am Dachträger, an dem das Taxischild befestigt ist, Haare sind. Ich begab mich dann zum Wachzimmer Koppstraße. Hier erfuhr ich dann, daß ein weißes Taxi nach einem Verkehrsunfall flüchtig ist. Der Nachtlenker war W. Ich kann nur angeben, daß er Polizist ist und im Wachzimmer Schüttaustraße Dienst versieht. Ich bin sicher, daß er mit dem Fahrzeug gefahren war, da ich die Handschrift von ihm kenne. Der Lenker hatte den Taxameterabschreibzettel noch ausgefüllt. Diesen übergebe ich der Polizei. Mehr kann ich nicht angeben (Bl 6)."
Der ebenfalls am Tatort befindliche und völlig unbeteiligte Tatzeuge M gab anläßlich seiner Einvernahme am 26.1.1991 an, daß an gegenständlichem Verkehrsunfall zwei Fahrzeuge und ein Fußgänger beteiligt waren. Er führte anläßlich seiner Einvernahme folgendes aus:
"Ich fuhr mit dem von mir gelenkten Taxi mit Kennzeichen TX am zweiten Fahrstreifen des Neubaugürtels Richtung Lerchenfelder Gürtel und übersetzte die Kreuzung mit der Stollgasse. Als ich mich ungefähr zwanzig Meter nach dieser Kreuzung befand, sah ich vor mit, in einer Entfernung von ungefähr fünfzig Meter, in der zweiten Spur einen braunen Amerikaner. Neben diesem amerikanischen Fahrzeug fuhr in der dritten Spur ein Taxi, dessen Lenker offensichtlich versuchte, soweit als möglich nach links auszuweichen. Zwischen diesen beiden Fahrzeugen befand sich ein Mann, der von dem amerikanischen Fahrzeug eher seitlich erfaßt wurde und dann, nachdem er gegen die Windschutzscheibe gefallen war, auf der Fahrbahn zu Sturz kam (Bl 7)."
Ein weiterer völlig unbeteiligter Tatzeuge, Herr L gab anläßlich seiner Einvernahme vom 26.1.1991 folgendes an:
"Ich bin Angestellter im Hotel W und befand mich im dritten Stock dieses Gebäudes. Dabei sah ich aus einem Zimmer auf die Fahrbahn des Gürtels. Ein Mann ging gerade aus dem Eingang des Hotels auf die Fahrbahn und blieb in der Fahrbahnmitte stehen und winkte. Er wollte offensichtlich ein Taxi aufhalten. Aus Richtung Stollgasse kam in diesem Moment in der zweiten Spur ein amerikanisches Fahrzeug und schwenkte in Höhe des Mannes nach links aus, wobei es ihn erfaßte. Zur selben Zeit fuhr in der dritten Spur ein Taxi und befand sich gerade auf gleicher Höhe mit dem Amerikaner. Der Mann wurde erfaßt, gegen das Taxi geworfen und stürzte dann auf die Fahrbahn. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das amerikanische Fahrzeug bereits entfernt. Nach meiner Schätzung muß der Lenker dieses Fahrzeuges mit ca 100 km/h gefahren sein. Der verletzte Mann wurde in Höhe der Beifahrertüre gegen das Taxi geschleudert. Der Lenker des Taxis müßte das bemerkt haben, setzte seine Fahrt jedoch ebenfalls fort. Beim Taxi handelte es sich um einen weißen Mercedes der Type 190. Das Kennzeichen konnte ich von meinem Standpunkt nicht ablesen. Sofort nach dem Unfall lief ich nach unten, um zu helfen. Als es zum Unfall kam, stand der Fußgänger (Bl 9)."
Da nach dieser Aussage das auf dem zweiten Fahrstreifen fahrende Kraftfahrzeug eine Geschwindigkeit von etwa 100 km/h eingehalten hatte, kann daraus geschlossen werden, daß der Berufungswerber, der mit seinem Kraftfahrzeug den dritten Fahrstreifen befuhr, eine mindestens ebenso hohe Fahrgeschwindigkeit einhielt, die jedenfalls angesichts der im Ortsgebiet grundsätzlich geltenden erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h als weit überhöht angesehen werden muß, wenn auch das genaue Ausmaß der Überschreitung nicht mehr eindeutig festgestellt werden kann. Eine Kontaktierung zwischen Mensch und Kraftfahrzeug bei einer solchen Fahrgeschwindigkeit macht erst das Ausmaß der schweren Verletzungen des beteiligten Fußgängers nachvollziehbar. Der Berufungswerber rechtfertigte sich während des gesamten Verfahrens dahingehend, daß er das aufgetretene Kontaktgeräusch lediglich für einen Steinschlag gehalten hätte. Zur Frage nach der technischen Möglichkeit der Kontaktnahme zwischen dem vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeug und der im weiteren Verlauf schwerwiegend verletzten Person sowie der Frage nach der Wahrnehmbarkeit dieser Kontaktnahme durch objektive Umstände bei gehöriger Aufmerksamkeit wurde folgendes Gutachten aufgrund der vorangegangenen Befundaufnahme durch Dipl Ing L am 30.1.1991 erstellt:
"Das Fahrzeug ist im Wesentlichen im Bereiche der rechten Karosserieseite beschädigt. Am vorderen Dachträger mit der Taxi-Tafel sind an der Befestigung rechts einzelne dunkle Haare ersichtlich. Die rechte vordere Türe des 4-türigen Fahrzeuges weist eine großflächige, relativ starke Eindellung auf. Die Windschutzscheibe zeigt rechts eine großflächige Bruchspinne. Die Antenne rechts ist verbogen. Der rechte Außenspiegel ist aus seiner Federung gerissen, das heißt, daß er durch einen Anstoß von vorne gegen die Türhaut unterhalb der rechten Seitenscheibe kontaktierte. Die diesbezügliche korrespondierende Stelle an der Türhaut liegt vor. Die Motorhaube ist rechts vorne leicht gestaucht, wobei auszuführen ist, daß diese Stauchung möglicherweise älteren Datums ist. Desweiteren finden sich Schürfspuren rechts vorne an der Stoßstangenrundung, bzw sind rechts vorne im Kotflügelbereich neben dem Blinkerglas rote Farbschürfer ersichtlich.
Gutachten:
Folgt man diesen Beschädigungen, wobei möglicherweise die leichte Stauchung der Motorhaube nicht als unfallkausal anzusehen ist, dann war von einem durchschnittlichen, aufmerksamen Fahrzeuglenker ein Kontakt mit einem Fußgänger sowohl optisch als auch akustisch leicht erkennbar.
Es muß insbesondere ein völlig atypisches Anstoßgeräusch vorgelegen haben und verweise ich auf die großflächige relativ starke Eindellung der rechten vorderen Türe.
Folgt man den Angaben in der Niederschrift des PKW-Lenkers W, wonach er bei dem Kontakt einen Steinschlag vermutete, dann verweise ich auf die bereits abgegebenen Rückschlüsse. Das heißt zusammengefaßt, daß man mit Sicherheit den Unfall als Kontakt mit einem menschlichen Körper hätte erkennen können (Bl 20 - 21)."
In Abwägung des widersprüchlichen Vorbringens schenkte die Berufungsbehörde bezüglich des (angezeigten) Sachverhaltes jedoch den Angaben der vernommenen Zeugen mehr Glauben, als den Angaben des Berufungswerbers. Diese unterliegen aufgrund ihrer verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht und müssen bei deren Verletzung mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen. Die vom Berufungswerber gegebene Darstellung des Sachverhaltes war nicht geeignet, diese Zeugenaussagen zu entkräften. Außerdem konnte keine Veranlassung gesehen werden, daß diese Personen eine ihnen unbekannte Person wahrheitswidrig belasten wollten. Die dem Berufungswerber zu den Punkten 1) bis 3) angelasteten Taten waren sohin als erwiesen anzunehmen, weshalb der Berufung keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch in modifizierter Form zu bestätigen war.
Die Abänderung im Spruche diente der genaueren Tatumschreibung.
In rechtlicher Hinsicht wird noch bemerkt:
Bei der Meldepflicht nach § 4 Abs 2 kommt es weder auf das Verschulden noch auf die Art der Verletzung einer Person an (leicht oder schwer), sondern einzig und allein darauf, ob ein Unfall mit Personenverletzung vorlag (VwGH 12.4.1973, 1833/72). Gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.3.1971, 1867/70, ZVR 1971/249 ist der Tatbestand des § 4 Abs 2 schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind und bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewußtsein hätte kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Unfalls, insbesondere aber die Tötung oder Verletzung einer Person zu erkennen vermocht hätte.
Darüber hinaus läßt sich dem Gesetz eine Beschränkung der Meldepflicht auf Personen, die den Verkehrsunfall verschuldet oder mit "Bewußtsein" verursacht haben, nicht entnehmen. Stand aber das Verhalten einer Person in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall, so wäre sie zur Verständigung der nächsten Polizeidienststelle verpflichtet (VwGH 15.10.1964, 2376/63). Die Taten schädigten in nicht unerheblichem Maße die Interessen an der raschen Aufklärung von Verkehrsunfällen und an der raschen Ermittlung der im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehenden Person, dem die Strafdrohung dient, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Taten erheblich war, zumal der beteiligte Fußgänger durch gegenständlichen Verkehrsunfall schwer verletzt wurde (offener Schädelbasisbruch). Das Verschulden des Berufungswerbers muß ebenfalls als erheblich angesehen werden, da er aufgrund des aufgetretenen Kontaktgeräusches bzw der anzunehmenden Anstoßerschütterung zwingend mit der Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Personenschaden hätte rechnen müssen. Bei der Strafbemessung wurden der Umstand, daß dem Berufungswerber der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zugute kommt, berücksichtigt. Insbesondere eine rechtskräftige Verwaltungsvorstrafe wegen Übertretung des § 9 Abs 2 StVO 1960, wonach der Berufungswerber einen Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht hatte. Das offensichtliche sorglose Verhalten des Berufungswerbers gegenüber Fußgängern als Verkehrsteilnehmer war daher als erschwerend zu werten.
Bei der Strafbemessung wurden auch die derzeit ungünstige wirtschaftliche Lage des Berufungswerbers bedingt durch seine Suspendierung als Sicherheitswachebeamter, die Vermögenslosigkeit und die gesetzliche Sorgepflicht für ein Kind berücksichtigt. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den von S 500,-- bis S 30.000,-- reichenden gesetzlichen Strafrahmen je Delikt, den erheblichen Unrechtsgehalt der Taten und das ebenfalls erhebliche Verschulden des Berufungswerbers sind die verhängten Geldstrafen durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal besondere Milderungsgründe im Verfahren nicht hervorgetreten sind. Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 2 VStG 1991.
Auf die Möglichkeit der Einbringung eines mit S 120,-- Bundesstempelmarken zu versehenden Ratenansuchens bei der Behörde erster Instanz wird hingewiesen.