TE UVS Wien 1991/07/19 04/22/53/91

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Veröffentlicht am 19.07.1991
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Betreff

Maßnahmen gegen Mäusebefall waren ausreichend, sie entsprechen der Verkehrsauffassung

Spruch

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt f d 9. Bezirk, hat am 15.4.1991, GZl MBA 9 - 04/003/1/Str betreffend Herrn D ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch gefällt: "Sie haben am 30.1.1991 in Ihrem Gastgewerbebetrieb (Gasthaus) in Wien 9, insofern nicht vorgesorgt, daß Lebensmittel nicht durch äußeren Einfluß hygienisch nachteilig beeinflußt werden, als im Vorraum zur Küche ein Schrank aufgestellt war, in dem Lebensmittel in nicht schädlingssicheren Behältern aufbewahrt wurden und auf den Packungen sowie auf den einzelnen Regalbrettern Mäusekot lag, und im linken Abteil dieses Lagerschrankes (neben den Bierkisten) am Boden ein Mausloch vorhanden war, was den Zutritt von Mäusen zu sämtlichen im Schrank gelagerten Lebensmitteln ermöglichte, wodurch eine Kontamination mit den gelagerten Waren gegeben war, die insbesondere durch den Mäusekot und die durch Mäuseurin übertragenen Leptospiren, welche beim Menschen eine äußerst gefährliche, mitunter auch tödlich endende Krankheit herbeiführen kann, gegeben war. Die Sauberhaltung des Betriebes sowie Maßnahmen zur geeigneten Vermeidung von Schädlingsbefall wären dem Gewerbetreibenden durchaus zuzumuten gewesen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 74 Abs 5 Z 3 iV mit § 20 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl Nr 86/1975, idgF.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling 3.000,--, falls diese uneinbringlich ist Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen gemäß § 74 Abs 5 Z 3 leg cit Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

300,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe. Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 3.300,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

Auf Grund der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungssverfahrensgesetzes 1991 - AVG das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG eingestellt.

Demnach entfällt der erstinstanzliche Kostenbeitrag. Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Begründung

Der Beschuldigte bringt in seiner rechtzeitig eingebrachten Berufung im wesentlichen vor, daß er in gleicher Angelegenheit nicht dreimal, sondern bloß eimal rechtskräftig vorbestraft sei, und daß auf seine Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse nicht Bedacht genommen wurde. Weiters weise er auf den in seinem Einspruch angegebenen Sachverhalt hin. Aus dem ihm von einem Organ des Marktamtes für den 9. Bezirk bloß auszugsweise vorgelesenen Erhebungen, hätte er erkennen können, daß der erhebende Beamte tendenziös und teilweise sogar am Rande der Legalität Berichte schreibt, da er seine Bemühungen, Mißstände zu beheben, verschweigt. Dies hätte er dem Erhebungsbeamten auch zur Kenntnis gebracht.

In seinem Eispruch gegen die Strafvewrfügung des MBA 9 vom 4.3.1991, MBA 09/04/003/1/Str, brachte der Beschuldigte im wesentlichen vor, daß der erhebende Marktamtsbeamte leicht hätte feststellen können, daß alle im erwähnten Schrank unter 1,10 m gelagerten Lebensmittel in schädlingssicheren Behältern gelagert waren. Der Erhebungsbeamte hätte auf dem Regal bloß ein Mäusepemchen an einer Plastikpackung klebend gefunden, das offensichtlich von ihm so vom Großhandel angekauft wurde. Die Regale waren am 6.1.1991 das letzte Mal desinfiziert worden. Auch der Marktamtsbeamte hätte die Lage dahin kommentiert, daß der einzige auf der Stellage vorhandene Mäusekot kein Mascherl hätte. Weiters sei alles Erdenkliche unternommen worden, um Nagern den Zutritt zu verwehren. Es sei von ihm ein altes Mäuseloch entdeckt und mit Gift, Glasscherben und Beton zugemauert worden, was der Erhebungsbeamte auch sah. Überdies wäre eine Griechfalle und zwei Klappfallen aufgestellt sowie Gift ausgelegt gewesen. Er hätte somit alles in seiner Macht Stehende unternommen. Daß das Gebäude alt ist, und der entdeckte Mäusegang neu war könne er nicht verantworten.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 20 LMG hat wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkungen hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist.

 

In der am 16.7.1991 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat wiederholte der Beschuldigte seine oben wiedergegebenen Ausführungen und ergänzte diese dahin, daß er regelmäßig seinen Betrieb auf Befall von Schädlingen, insbesondere Mäusen kontrolliere, seitdem im Vorjahr anläßlich einer vom MAA 8/9 durchgeführten Revision erstmals Mäusekot im Nahebereich von Lebensmittel entdeckt wurde. Nachdem ihm das anläßlich der stattgehabten Revision vom 30.1.1991 vom Erhebungsorgan entdeckte Mauseloch bekannt geworden war, habe er zusätzlich zu den getroffenen Maßnahmen zwischen den gelagerten Leergebinden und der Stellage eine Plexiglaswand errichtet, um den neuerlichen Mäusebefall hintanzuhalten. Im Dezember 1990 habe er ein Mauseloch entdeckt und zubetoniert. In den darauffolgenden Weihnachtsferien desinfizierte er gemeinsam mit seiner Gattin sämtliche Orte, wo ihm ein Mäusebefall bekannt war und überdies die gesamte Betriebsanlage.

Die anläßlich dieser Verhandlung zeugenschaftlich einvernommene Gattin des Beschuldigte gab an, daß im Revisionszeitpunkt (30.1.1991) insgesamt 3 Mausefallen im Schrank beim Vorraum zur Küche aufgestellt waren. Überdies hätte ihr Gatte Gift gestreut und wäre das anläßlich der letzten Revision im Vorjahr festgestellte Mauseloch am 30.1.1991 zubetoniert gewesen. Dieses Loch befand sich in einer Entfernung von ca 20 bis 30 cm von jenem Mauseloch, welches erst am 30.1.1991 neu entdeckt wurde; auch dieses wäre in der Zwischenzeit entsprechend zubetoniert worden. Die Zeugin gab weiters an, daß der Erhebungsbeamte bei der Revision vom 30.1.1991 bloß ein Krümmelchen Mäusekot auf einer Lebensmittelpackung gefunden hätte, und daß sie selbst ihre Küchenhilfe am Vortag der Revision angewiesen hätte, die früher betroffenen Örtlichkeiten besonders auf Schädlingsbefall zu kontrollieren; deshalb war sie auch darüber erstaunt, daß das Erhebungsorgan dennoch ein Krümmelchen Mäusekot entdeckt hat. Die letzte Desinfektion vor dem Revisionszeitpunkt wurde am Samstag den 5.1.1991 durchgeführt.

Der zeugenschaftlich einvernommene Erhebungsbeamte der MAA 8/9 führte demgegenüber aus, daß er auf dem Regal 15 Körnchen Mäusekot anläßlich der durchgeführten Revision gefunden hätte, daß sich in der Nähe des von ihm entdeckten Mauselochs eine zugeschnappte Mausefalle und Giftkörner befunden hätten. Obwohl der Zeuge als Erhebungsorgan vom Beschuldigten während der Revision ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurde, daß dieser sämtliche, vor einiger Zeit entdeckte Mäuselöcher zugeschmiert hatte, habe er sich hievon nicht überzeugt und könne daher darüber keine Aussage machen. Auch konnte sich der Zeuge nicht daran erinnern, ob die im erwähnten Schrank unterhalb von 1,10 m gelagerten Lebensmittel in schädlingssicheren Behältern gelagert wurden. Der Zeuge vermochte auch nicht anzugeben, ob er den Beschuldigten anläßlich der Revision nach dem Zeitpunkt der letzten Desinfektion befragt hat; ebensowenig vermochte er die vom Beschuldigten an ihn gerichtete Frage zu beantworten, ob er jemals bei Kontrollen in dessen Betrieb eine von Mäusen angenagte Lebensmittelpackung entdeckt hätte. Das zeugenschaftlich einvernommene Erhebungsorgan bestätigte weiters, daß der Beschuldigte ein Loch in der Türe zur Küche, welches als mutmaßlicher Zutritt von Mäusen zu betrachten war, mit Blech ausgekleidet und sohin eine weitere Maßnahme gegen den Mäusebefall gesetzt hatte.

Dennoch vertrat der Zeuge als Erhebungsorgan die Auffassung, daß es dem Beschuldigten zumutbar gewesen wäre, sämtliche Betriebsräumlichkeiten, wo von Mäusen bevorzugte Lebensmittel gelagert würden, in Abständen von 1 bis 2 Tagen auf Mäusebefall

 

(neue Mäuselöcher) zu kontrollieren.

Diese Rechtsmeinung des Erhebungsorgans konnte jedoch vom erkennenden Verwaltungssenat nicht geteilt werden.

Obwohl jedermann, der Lebensmittel in Verkehr bringt, grundsätzlich auch ex lege zur Vorsorge verpflichtet ist, daß diese Lebensmittel nicht durch äußere Einwirkungen hygienisch nachteilig beeinflußt werden, orientiert sich die Zumutbarkeit hinsichtlich der zu diesem Zwecke erforderten Maßnahmen nach der Verkehrsauffassung. Unter dem Begriff der Verkehrsauffassung ist rechtlich die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise oder der (überwiegenden Mehrheit der) Allgemeinheit zu verstehen. Daraus erhellt, daß es sich bei der vom Erhebungsorgan "als zumutbar" bezeichneten Kontrolle, welche seiner Meinung nach in Abständen von 1 bis 2 Tagen durchgeführt hätte werden sollen, bloß um dessen subjektive Meinung handelt, welche jedoch im Gesetz keine Stütze findet. Es entspricht ganz sicher nicht der Verkehrsauffassung - und ist daher auch nicht zumutbar - daß die Mehrzahl der Gastgewerbetreibenden bei einem aktuellen Mäusebefall in ihren Betriebsstätten regelmäßig, in Abständen von 1 bis 2 Tagen derartige Kontrollen vornehmen.

Vielmehr entspricht es der Verkehrsauffassung, daß sich die beteiligten Verkehrskreise in ähnlich gelagerten Fällen, ähnlich wie der Beschuldigte verhalten und auf ähnliche Weise ihrer gesetzlichen Vorsorgepflicht in bezug auf die Vermeidung äußerer, hygienisch nachteilige Einwirkungen (Mäuseexkremente) auf Lebensmittel nachkommen.

Da der Beschuldigte sämtliche Maßnahmen gegen den Mäusebefall gesetzt hat, die ihm nach der Verkehrsauffassung zugemutet werden konnten, um seiner diesbezüglichen gesetzlichen Verpflichtung zu entsprechen, hat er die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen. Es war daher das erstinstanzliche Straferkenntnis zu beheben und die Einstellung des gegenständlichen Strafverfahrens zu verfügen.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Lebensmittel, Verzehrprodukte, Mäusebefall, Inverkehrbringen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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