TE Bescheid 1991/07/24 02/32/22/91

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Veröffentlicht am 24.07.1991
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Betreff

Ausschließliche Gerichtszuständigkeit für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt sowie der dort auferlegten Bewegungsbeschränkungen;

Spruch

Die Beschwerde wird gemäß § 67c Abs 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Beschwerdeführerin führt in ihrer Beschwerde aus, sie sei vom 28.4.1991 bis zum 11.5.1991 im Psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien, Baumgartner Höhe, zwangsweise angehalten worden. Es liege daher eine "Unterbringung" im Sinne des § 2 des Unterbringungsgesetzes, BGBl Nr 155/1990 (UbG), vor. Auf die Frage, ob es sich hiebei um eine Unterbringung auf Verlangen (§ 4 UbG) gehandelt hat - was nach dem Beschwerdevorbringen offenbar die sowohl von der ärztlichen Leiterin der Abteilung, auf welcher die Beschwerdeführerin untergebracht war, als auch die von der zuständigen Richterin des (von der Patientenanwältin der Beschwerdeführerin verständigten) Bezirksgerichtes Hietzing vertretene Auffassung war -oder tatsächlich um eine solche ohne Verlangen (§ 8 UbG), wie von der Beschwerdeführerin ausführlich dargelegt wird, braucht im gegenständlichen Fall nicht eingegangen zu werden.

Geht man nämlich von der Annahme aus, es habe im gegenständlichen Fall eine Unterbringung auf Verlangen der Beschwerdeführerin vorgelegen, so wäre dies kein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, da einer solchen Unterbringung der normative Gehalt fehlt.

Eine Kompetenz des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Unterbringung wäre diesfalls daher zu verneinen und die Beschwerde aus diesem Grund (mangels eines Beschwerdegegenstandes) zurückzuweisen gewesen. Nimmt man jedoch - entsprechend den Ausführungen der ggst. Beschwerde - das Vorliegen einer Unterbringung ohne Verlangen der Beschwerdeführerin, also ihre ZWANGSWEISE Unterbringung, an, so ist zunächst Art 6 Abs 1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl Nr 684/1988 (PersFrG), heranzuziehen. Nach dieser Bestimmung hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch EIN GERICHT ODER DURCH EINE ANDERE UNABHÄNGIGE BEHÖRDE über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges binnen einer Woche entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird.

Dieses verfassungsmäßig gewährleistete Recht wurde einfachgesetzlich für die Fälle der Anhaltung in Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie durch das UbG ausgestaltet. Dieses Gesetz sieht im § 18 vor, daß das GERICHT über die Zulässigkeit der Unterbringung ohne Verlangen zu entscheiden hat. Diese Überprüfungsbefugnis des Gerichtes ist - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nach dem Wortlaut des § 18 UbG nicht auf die Zulässigkeit der WEITEREN Unterbringung eingeschränkt, sondern umfaßt bei der erstmaligen Überprüfung die gesamte Unterbringung von ihrem Beginn an.

Dies ergibt sich auch aus dem Justizausschußbericht zum UbG (1202 Blg NR 17 GP), wonach es auf Grund des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit erforderlich war, den Zeitpunkt, in dem das Gericht (erstmals) über die Zulässigkeit der Unterbringung abzusprechen hat, vorzuverlegen, da die von der Regierungsvorlage vorgesehenen (an sich ohnehin knappen) Fristen mit dieser im Verfassungsrang stehenden Bestimmung nicht im Einklang standen. Eine Anpassung des UbG an das PersFrG wäre jedoch nicht erforderlich gewesen, wenn neben der Gerichtszuständigkeit auch eine Überprüfungskompetenz der unabhängigen Verwaltungssenate betreffend die Unterbringung gegeben wäre.

Im übrigen wäre eine derartige Doppelzuständigkeit (Gericht einerseits, Verwaltungsbehörde andererseits) verfassungswidrig. Auch der sich auf die Rechtslage vor Erlassung des UbG beziehende Einwand der Beschwerdeführerin, aus § 22 EntmO hätte sich seit jeher ergeben (und dies gelte auch heute noch), daß das Gericht nicht darüber, ob die zwangsweise Unterbringung einer - wie im vorliegenden Fall - nicht mehr in der Krankenanstalt für Psychiatrie befindlichen Person zulässig WAR, zu entscheiden hätte, sondern nur darüber, ob sie bei einer noch untergebrachten Patientin zulässig IST, ist nicht zutreffend:

Bereits mit Entscheidung vom 3.5.1966, Gz 8 Ob 128/66, hat der OGH nämlich ausgesprochen, daß der Anhaltungsbeschluß das Grundrecht eines Menschen auf persönliche Freiheit berührt, sodaß der Rechtsmittelwerberin auch NACH ihrer Entlassung ein rechtliches Interesse, ob der Anhaltungsbeschluß zu Recht oder zu Unrecht ergangen ist, nicht abgesprochen werden kann.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien vertritt daher die Auffassung, daß bezüglich der Beschwerde über die Zulässigkeit der Unterbringung der Beschwerdeführerin im Psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien, Baumgartner Höhe, in der Zeit vom 28.4.1991 bis 11.5.1991 eine ausschließliche GERICHTSzuständigkeit besteht.

Dies gilt nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien im

übrigen auch für den Eventualantrag der Beschwerdeführerin,

zumindest die" zeitweise Verbringung ... in ein geschlossenes

Netzbett sowie die ... während des Aufenthalts sonst ausgeübten

Bewegungsbeschränkungen" (Beschwerde, S 12 unten/13 oben) für rechtswidrig zu erklären.

Abgesehen davon, daß es sich bei derartigen Freiheitsbeschränkungen dann ebenfalls um eine (zumindest zeitweise) zwangsweise Unterbringung des Patienten handeln würde, normiert § 33 Abs 3 UbG auch zur Entscheidung über die Zulässigkeit derartiger Beschränkungen der Bewegungsfreiheit ausdrücklich die Kompetenz des Gerichts.

Ergänzend wird hiezu noch bemerkt, daß die Beschwerdeführerin zunächst ohnehin den Gerichtsweg beschritt, indem sie, wie sie selbst angab (Beschwerde, S 3, 2 Abs), durch ihre Patientenanwältin das zuständige Bezirksgericht verständigte; die Richterin erblickte im Aufenthalt der Beschwerdeführerin in der Krankenanstalt jedoch keine zwangsweise Unterbringung und hielt dies auch in einem Amtsvermerk fest. Im übrigen hat die Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet, sie habe gegen diesen Amtsvermerk - was möglich gewesen wäre - Rekurs eingelegt. Die Beschwerde war daher in ihrer Gesamtheit mangels Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte
Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz; Gerichtszuständigkeit;
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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