TE UVS Wien 1991/07/30 03/18/437/91

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Veröffentlicht am 30.07.1991
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Betreff

Der BW war einer Übertretung des §5 Abs1 StVO für schuldig erkannt worden. Er wandte ein, daß §5 Abs4a StVO das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht verletze, daß jedermann als unschuldig zu gelten habe, sofern nicht der gesetzliche Nachweis der Schuld erfolgt. Dies deshalb, weil das Gesetz offenbar vor Unsicherheitsfaktoren der Atemalkoholuntersuchung ausgehe, weil es in §5 Abs4a StVO eine Ausnahmeregelung vorsieht "ein Alkomat nicht die Anforderungen an Genauigkeit welche an ein Beweismittel zu stellen sind erfüllt", weshalb die alleinige Atemluftuntersuchung mittels Alkomat den Nachweis der Schuld nicht zu erbringen vermag. Der UVS gab der Berufung keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis.

Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat durch sein Einzelmitglied, DDr Lacina, über die Berufung des Herrn T vertreten durch Rechtsanwalt Dr P gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling vom 27.6.1991, AZ Pst 562-D/91, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach §5 Abs1 StVO 1960 entschieden:

Aufgrund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis gemäß §66 Abs4 AVG 1991 bestätigt. Dem Berufungswerber wird gemäß §64 Abs2 VStG 1991 ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 1.600,-- vorgeschrieben.

Text

Begründung:

Der Berufungswerber führt im wesentlichen aus, daß die Handhabung des Alkomaten sowie die Durchführung des Alkomatentestes in der zum Tatzeitpunkt gesetzlich vorgeschriebenen Form den verfassungsmäßig gewährleisteten Grundsatz auf Gleichheit vor dem Gesetz verletze, da §5 StVO bei verschiedenen Sachverhalten im Zusammenhang mit einer Alkoholbeeinträchtigung oder Verkehrsuntauglichkeit sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen in der Beweisaufnahme vorsieht. Grundsätzlich war im Regelfall im Sinne des Absatzes 4a des §5 StVO mit einer Untersuchung der Atemluft vorzugehen und war aus dem Gesetz ableitbar, daß diese Überprüfung der Atemluft als Beweismittel ausreichte, und dem Probanden die Möglichkeit einer ärztlichen Untersuchung nicht einzuräumen war. Absatz 4b leg cit sowie Absatz 6 leg cit normierten hievon jedoch eine Ausnahme, und zwar war bei einem AAK von 0,4 - 0,5 mg/l auf Verlangen des Untersuchten eine Blutabnahme als Beweismittel vorzunehmen, bei einem Verkehrsunfall im Zusammenhang mit einer vermuteten Alkoholbeeinträchtigung war diese abgesehen von gewissen hier nicht relevanten Ausnahmetatbeständen - zwingend vorgesehen.

Aus diesen Ausnahmebestimmungen ist abzuleiten, daß der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, daß die Sicherheit der Atemalkoholprobe mit derartigen Unsicherheitsfaktoren behaftet ist, sodaß er für bestimmte - ihm offensichtlich besonders schützenswert erscheinende Sondertatbestände - Ausnahmeregelungen vorsah. Den Sonderfall eines AAK von 0,4 Promille - 0,5 Promille sah er offensichtlich aus dem Grund als besonders schützenswert

 

an, weil es sich um eine Alkoholbeeinträchtigung im Grenzbereich handelte, und sollte offensichtlich einem Probanden in diesem Grenzbereich die wissenschaftlich anerkannterweise nahezu vollkommen sichere Blutprobe als Beweismittel eingeräumt werden. Die Differenzierung des "Normalfalles" zu diesem Sondertatbestand entbehrt jedoch jeglicher sachlichen und wissenschaftlichen Grundlage. Der Gesetzgeber implizierte hiebei offensichtlich, daß der Unsicherheitsfaktor des Alkomaten gerade im Grenzbereich anzunehmen wäre. Diese Hypothese ist jedoch wissenschaftlich völlig unhaltbar und unbegründet.

Eine Verletzung des verfassungsmäßig gewährleisteten Rechtes gemäß Art6 MRK werde darin erblickt, daß jedermann als unschuldig zu gelten habe, sofern nicht der gesetzliche Nachweis der Schuld erfolgt. Dieses verfassungsmäßig gewährleistete Recht werde aber durch Absatz 4a des §5 StVO in einer unzulässigen Art und Weise eingeschränkt.

Die über den Berufungswerber verhängte Verurteilung stütze sich ausschließlich auf eine Atemluftalkoholprobe mit einem Alkomaten der Marke "Siemens", welcher nach jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen den Anforderungen, welche nach den herrschenden Rechtsgrundsätzen und Verwaltungsverfahrensgesetzen an ein Beweismittel zu stellen sind, keinesfalls zu genügen vermag.

In rechtlicher Hinsicht wird einleitend bemerkt:

Wer sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10.10.1973, Z 2041 und 2042/71, zum rechtlichen Gehalt des §5 Abs1 StVO 1960 unter anderem folgendes - auch nach Inkrafttreten der 13 StVO-Novelle Gültiges - ausgeführt:

"Die Bestimmung des §5 Abs1 hat zwei Aussagen zum Inhalt:

a) Wer sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustande befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen.

b) Bei einem Blutalkoholgehalt (BA) von 0,8 Promille oder darüber gilt der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt."

Da dem Gesetz, insbesondere im Hinblick auf die Verfassungsbestimmung des §5 Abs6 StVO, zu entnehmen ist, daß es Absicht des Gesetzgebers war, im Falle eines Blutalkoholgehaltes von 0,8 Promille oder darüber die Notwendigkeit jeder weiteren Beweisführung über die Beeinträchtigung durch Alkohol auszuschließen, kann dem zweiten Satz des §5 Abs1 nur die Bedeutung beigemessen werden, daß damit eine unwiderlegliche Rechtsvermutung aufgestellt werden sollte, nach der eine Person bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 Promille oder darüber auf jeden Fall als beeinträchtigt zu werten ist. Diese an der Rechtslage bis zum Inkrafttreten der 13 StVO- Novelle am 1.5.1986 ausgerichteten Ausführungen haben - wie gesagt - weiterhin Geltung. In der Umschreibung des Tatbestandes ist nur insoferne eine Änderung eingetreten, als die bisher ausschließlich auf den Blutalkoholgehalt abgestellte unwiderlegliche Rechtsvermutung der Beeinträchtigung durch Alkohol nunmehr auch auf den Atemalkoholgehalt (AAG) gestützt werden kann. Demnach gilt der Zustand einer Person auch bei einem Atemalkoholgehalt von 0,4 mg/l oder darüber als von Alkohol beeinträchtigt.

 

Die gegenteiligen Rechtsausführungen sind daher verfehlt. Der Berufungswerber wurde, nachdem bei ihm im Verlaufe einer Fahrzeugkontrolle bestimmte Symptome einer Alkoholisierung (lallende Aussprache, gerötete Augenbindehäute, schwankender Gang und starker Geruch nach alkoholischen Getränken aus dem Munde) festgestellt wurden, aufgefordert, sich einer Untersuchung der Atemluft mittels Alkomaten zu unterziehen. Das Meßergebnis der ersten Messung um 1.09 Uhr ergab einen Atemalkoholgehalt von 0,76 mg/l, das Meßergebnis der zweiten Messung um 1.10 Uhr sodann einen Atemalkoholgehalt von 0,82 mg/l.

Damit galt der Berufungswerber als von Alkohol beeinträchtigt. Die Messungen, zu deren Durchführung der Meldungsleger seit 21.3.1988 durch Ermächtigung des Polizeipräsidenten Nr 3483 befugt war, wurden mit dem Meßgerät "Alcomat Siemens W422" durchgeführt.

§5 Abs4a StVO 1960 bestimmt nun, daß das Ergebnis einer Untersuchung der Atemluft mit einem "Alkomaten" als Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung gilt, es sei denn, daß eine Bestimmung des Blutalkoholgehaltes etwas anderes ergibt. Der Berufungswerber hat jedoch die Vornahme einer Blutalkoholuntersuchung nicht verlangt (Blatt 3 verso in Verbindung mit Blatt 17). Bemerkt wird noch, daß der Berufungswerber zu seiner Rechtfertigung laut Anzeige folgendes deponierte:

"Ich war bei einer Feier und habe mehrere alkoholische Getränke konsumiert. Wieviel weiß ich nicht mehr."

In rechtlicher Hinsicht wird der Berufungswerber noch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.10.1964, 1272/64 hingewiesen, wonach eine träge Pupillenreaktion ein eindeutiges Alkoholisierungsmerkmal, das in der Regel erst bei mindestens 1 Promille Blutalkoholgehalt gegeben ist, bildet. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.11.1964, 591/63, KJ 1956, 34 kann bei positivem Alkotest (gilt wohl auch für Alkomattest) in Verbindung mit anderen Alkoholisierungsmerkmalen (Alkoholgeruch der Atemluft, Rötung der Augen) 0,8 Promille als erwiesen angenommen werden.

Die dem Berufungswerber angelastete Tat war daher als erwiesen anzunehmen, weshalb der Berufung keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen war.

Da nur die gesetzliche Mindeststrafe verhängt wurde und ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen weder konkret behauptet wurde noch sonst aktenkundig ist (§20 VStG 1991) konnte eine weitere Begründung zur Strafzumessung unterbleiben.

Der Berufungswerber wird noch aufmerksam gemacht, daß er im Wiederholungsfalle mit einer derartigen Milde der Behörde nicht mehr rechnen könne.

Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des §64 Abs2 des VStG 1991.

Bemerkt wird noch, daß die Bestimmung des §66 Abs2 AVG 1991 zufolge des §24 VStG 1991 im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden ist.

Auf die Möglichkeit der Einbringung eines mit S 120,-- Bundesstempelmarken zu versehenden Ratenansuchens bei der Behörde erster Instanz wird hingewiesen.

Gemäß §51e Abs2 VStG 1991 war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen, zumal in der Berufung hauptsächlich verfassungsrechtliche Einwände geltend gemacht wurden, die in diesem Verfahren von der Berufungsbehörde nicht aufzugreifen waren.

Schlagworte
Alkoholbeeinträchtigung; Atemluftanalysegerät; Alkomat; Genauigkeit; Unschuldsvermutung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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