TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/20 98/15/0126

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Veröffentlicht am 20.09.2001
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §24 Abs2;
EStG 1988 §32 Z2;
EStG 1988 §4 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Karger, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zehetner, über die Beschwerde des J, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 20. Mai 1998, Zl. RV/546-6/97, betreffend Einkommensteuer 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Eine Kanzleigemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und einem weiteren Rechtsanwalt, die laufend Verluste erwirtschaft hatte, wurde zum 30. Juni 1993 beendet. Dabei gingen auf den Beschwerdeführer keine Aktiva über. Er hatte jedoch betriebliche Verbindlichkeiten in Höhe von S 1,730.000,-- zu übernehmen. Die Verbindlichkeiten bestanden aus einem Kredit bei der H-Bank in Höhe von S 1,050.000,-- sowie einem zur Abdeckung weiterer Kanzleischulden aufgenommenen Kredit bei der E-Bank in Höhe von S 680.000,--

In der Einkommensteuererklärung 1995 machte der Beschwerdeführer nachträgliche negative Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt) in Höhe von S 145.076,-- geltend. Diese setzen sich zusammen aus

Zinszahlungen an die H-Bank in Höhe von S 89.952,-- sowie

Zinszahlungen an die E-Bank in Höhe von S 55.124,--.

Gegen den Einkommensteuerbescheid, mit welchem das Finanzamt den geltend gemachten negativen Einkünften die Anerkennung versagte, berief der Beschwerdeführer. Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab. Nach der Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe anfallende Schuldzinsen für betrieblich begründete Verbindlichkeiten seien insoweit keine (nachträgliche) Betriebsausgaben, als die Verbindlichkeiten der Finanzierung von Wirtschaftsgütern gedient hätten, die der Steuerpflichtige ins Privatvermögen überführt habe, oder die Verbindlichkeiten im Veräußerungserlös Deckung fänden, oder die Verbindlichkeiten durch die Verwertung von zurückbehaltenen Wirtschaftsgütern beglichen werden könnten, oder dem Steuerpflichtigen nach der Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe eine Tilgung zumutbar sei. Im gegenständlichen Fall sei entscheidend, dass der Schuldenstand bei der H-Bank bis zum 31. Dezember 1995 auf 1,072.205,-- S angestiegen sei und der Beschwerdeführer für diesen Kredit lediglich Zinsen entrichtet habe. Der Beschwerdeführer habe auf Vorhalt mitgeteilt, es seien bislang keine Tilgungen geleistet worden, die Tilgung erfolge aus einer erst im Jahre 2010 fällig werdenden Lebensversicherung bei der T-Versicherung. Nach Ansicht des Finanzamtes habe der Beschwerdeführer nicht alle zumutbaren Schritte zur Tilgung des Kredites gesetzt. Unter Annahme des Rückkaufes der Lebensversicherung bei der T-Versicherung sowie einer weiteren

Lebensversicherung bei der B-Versicherung ergäben sich verwertbare Tilgungsbeträge. Weiters wären auch die jährlichen Prämienzahlungen (S 33.744,-- an die T-Versicherung und S 13.805,- - an die B-Versicherung) zur Kredittilgung zur Verfügung gestanden.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Er stellte die Entwicklung der Kreditzinsen wie folgt dar:

     1. H-Bank

     Stand per 1. Jänner 1995

1,072.845,-- S

     plus Zinsen

  98,952,-- S

     Summe

1,162.797,-- S

     minus Zahlungen 1995 (Zinsen)

98.952,-- S

     Stand per 31. Dezember 1995                        1,072.845,-

- S

     2. Darlehen E-Bank

     Stand per 1. Jänner 1995

574.070,08 S

     plus Zinsen 1995

55.124,46 S

     Summe

629.194,54 S

     Stand per 31. Dezember 1995                            539.

476,54 S

Tilgung 1995

89.718,00 S

Der Beschwerdeführer brachte vor, es sei vorgesehen, dass das Darlehen bei der H-Bank durch den Auszahlungsbetrag der im Jahr 2010 fälligen Lebensversicherung bei der T-Versicherung getilgt werde. Die Lebensversicherung bei der T-Versicherung sei zugunsten dieses Darlehens vinkuliert. Ein Rückkauf der Lebensversicherung bzw. eine Vertragsauflösung wäre für den Beschwerdeführer mit einer unzumutbaren Verteuerung der gesamten Kreditstruktur verbunden bzw. gar nicht möglich, weil die Lebensversicherung als Sicherstellung diene. Der vom Finanzamt erwähnte Rückkauf der Lebensversicherung bei der B-Versicherung sei nicht möglich, weil diese Lebensversicherung zugunsten eines weiteren Kredites, nämlich eines Kredites bei der CA, vinkuliert und unkündbar sei. Das Finanzamt hätte zumindestens jenen Anteil der Zinsen als nachträgliche Betriebsausgaben anerkennen müssen, der sich ergäbe, wenn der durch eine "Geldverbrauchsrechnung für 1995" ermittelte Einnahmenüberschuss zur Tilgung des Darlehens verwendet worden wäre.

Der Beschwerdeführer legte Versicherungsbestätigungen vor, aus denen sich ergibt, dass der Rückkaufswert der Lebensversicherung bei der T-Versicherung zum 31. Dezember 1995 (unter Einbeziehung einer Gewinnbeteiligung) 148.290,-- S, jener bei der D-Versicherung 101.500,-- beträgt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge. Sie anerkannte die Zinszahlung für das Darlehen bei der E-Bank, nicht hingegen die Zinszahlung für das Darlehen bei der H-Bank als nachträgliche Betriebsausgaben. Zur Begründung führte sie aus, es sei zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer seit der Beendigung der Kanzleigemeinschaft (30. Juni 1993), bei welcher er zwar betriebliche Schulden, aber keine Aktiva übernommen habe, zumutbare Tilgungen ehemaliger Betriebsschulden unterlassen habe. Er sei vom 1. Jänner bis zum 19. Mai 1994 sowie vom 20. Juni bis zum 31. Dezember 1994 beim Bundesministerium für Landesverteidigung nichtselbstständig beschäftigt gewesen (Auslandseinsatz auf Zypern) und habe dafür steuerfreie Einnahmen von S 456.836,-- erhalten. Zudem habe er Arbeitslosengeld von S 13.827,-- bezogen. Vom 1. Jänner bis zum 24. August 1995 habe er wiederum vom Bundesministerium für Landesverteidigung steuerfreie Einnahmen von S 350.124,-- bezogen. Mit 1. August 1995 habe er in Liechtenstein eine nichtselbstständige Tätigkeit als Grenzgänger aufgenommen und dafür im Jahre 1995 noch S 425.683,-- erhalten. Im Jahr 1995 habe das steuerpflichtige Einkommen des Beschwerdeführers nach Berücksichtigung der Sonderausgaben S 333.886,-- betragen.

Der Beschwerdeführer habe den Kredit bei der E-Bank mit monatl. S 9.982,-- bedient. Auf den Kredit bei der H-Bank habe er lediglich die quartalsmäßig anfallenden Zinsen bezahlt. Als Sicherstellung dieses Kredites diene eine bei der T-Versicherung abgeschlossene Lebensversicherung über S 600.000,--, die im Jahr 2010 zur Kreditabdeckung verwendet werden solle.

Wer nach Betriebsaufgabe anfallende Zinsen als nachträgliche Betriebsausgaben ansetzen wolle, müsse seine finanziellen Möglichkeiten darauf konzentrieren, die betrieblichen Verbindlichkeiten ehestmöglich zu tilgen. Andernfalls stünde es in seinem Belieben, über die fehlende Rückführung der Verbindlichkeiten seine Einkommensteuerbelastung zu beeinflussen. Auf den Kredit bei der H-Bank habe der Beschwerdeführer über die Zinsdienste hinaus keine Rückzahlungen geleistet. Er wolle das Kapital erst bei Fälligkeit der bei der T-Versicherung abgeschlossenen Lebensversicherung im Jahr 2010 abdecken. Durch das Unterlassen einer Kapitaltilgung habe der Beschwerdeführer die ihn treffende Verpflichtung der zumutbaren Fremdkapitaltilgung verletzt. Daraus folge, dass die mit der Verbindlichkeit gegenüber der H-Bank angefallenen Zinsen keine (nachträglichen) Betriebsausgaben seien.

Anders verhalte es sich mit den Zinsen aus dem Kredit gegenüber der E-Bank. Dem Beschwerdeführer sei im Jahr 1995 nach Abzug der Einkommensteuer ein "verausgabungsfähiges Einkommen" von ca 417.000,-- S verblieben. Unter Berücksichtigung der Zahlungen an die H-Bank sowie an die T-Versicherung sei er nicht in der Lage gewesen, höhere Rückzahlungen an die E-Bank zu leisten, als er tatsächlich geleistet habe, weil er das verbleibende Einkommen zum Unterhalt seiner Familie (Ehefrau und drei Kinder) sowie zur Begleichung der Miete und der PKW-Kosten benötigt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde geht zutreffend davon aus, dass Zinsen, die nach Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe für (vormalige) Betriebsschulden anfallen, ua insoweit nicht zu nachträglichen Betriebsausgaben führen, als der Steuerpflichtige nicht alle ihm zumutbaren Schritte zur Tilgung der Verbindlichkeiten gesetzt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, 95/14/0018, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG zur weiteren Begründung verwiesen wird).

Allerdings ist der belangten Behörde folgender Begründungsmangel vorzuwerfen:

Die Begründung eines Bescheides muss auch erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde und aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200). Die Begründung eines Abgabenbescheides muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist.

Der angefochtene Bescheid genügt diesen Anforderungen hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen nicht. Die auf den Kredit bei der H-Bank entfallenden Zinsaufwendungen wären dann zur Gänze nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen, wenn dem Beschwerdeführer eine gänzliche Tilgung zumutbar war. War bis zum Streitjahr lediglich die teilweise Tilgung zumutbar, wäre, wie in der Beschwerde zutreffend vorgebracht wird, ein Teil der auf diesen Kredit entfallenden Zinsen als nachträgliche Betriebsausgaben anzuerkennen gewesen. Für die Beurteilung des Ausmaßes der zumutbaren Kredittilgung hätte die belangte Behörde Feststellungen darüber zu treffen gehabt, in welcher Höhe dem Beschwerdeführer seit dem 30. Juni 1993 Mittel zur Verfügung gestanden sind. Dabei ist es nicht ausreichend, die Einnahmenssituation darzustellen. Es wären vielmehr auch die seit dem 30. Juni 1993 angefallenen notwendigen Ausgaben darzulegen gewesen. In diesem Zusammenhang wäre auch auf die Frage einzugehen gewesen, ob der Rückkauf von Lebensversicherungen im gegenständlichen Fall rechtlich möglich und zumutbar gewesen ist. Die vollständige Versagung der Anerkennung der auf den Kredit bei der H-Bank entfallenden Zinsen könnte sich nur dann als rechtens erweisen, wenn anhand der konkret dargestellten Einkommens- und Vermögenssituation des Beschwerdeführers die vollständige Tilgung des Kredites bis zum Streitjahr zumutbar gewesen wäre.

Auf Grund des Begründungsmangels erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Gemäß § 49 Abs. 1 VwGG gebührt kein Ersatz des Schriftsatzaufwandes, weil der Beschwerdeführer nicht tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war.

Wien, am 20. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998150126.X00

Im RIS seit

23.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

23.08.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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