TE UVS Wien 1991/08/27 03/13/188/91

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Veröffentlicht am 27.08.1991
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Spruch

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung in Punkt 1) Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Zif 2 VStG eingestellt.

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung in Punkt 2) keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Abänderung bestätigt, daß die Tatumschreibung zu Punkt 2) wie folgt zu lauten hat:

"... durch Sitzen auf der Fahrbahn, wodurch der Fahrzeugverkehr mutwillig behindert wurde, 2.) ein Verhalten gesetzt, das geeignet war, Ärgernis zu erregen und das tatsächlich bei mehreren Personen Ärgernis erregt hat, die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört

..."

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 64 Abs 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu Punkt 2) in der Höhe von S 140,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Text

Die Berufung richtete sich zunächst nur gegen die Höhe der Strafe, wurde aber innerhalb der Berufungsfrist durch eine unterschriftslose, jedoch aufgrund des Absenders am Kuvert dem Berufungswerber zuordenbare Ergänzung auf Behauptung der unrichtigen rechtlichen Beurteilung seines Verhaltens erweitert. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall abgesehen werden, da eine solche weder beantragt wurde noch erforderlich war.

Der Sachverhalt ist unbestritten, der Berufungswerber gab zu seinem Verhalten in der niederschriftlichen Einvernahme vom 2.5.1991 sogar konkret an, daß er durch "sein Verhalten" Baufahrzeuge der Firma, die die Schule bauen behindern wollte. Diese Angaben entsprechen zudem vollständig den Angaben in der Anzeige.

Zu Punkt 1):

Aufgrund des obigen feststehenden Sachverhaltes handelte es sich beim Berufungswerber nicht um einen Fußgänger sd § 76 Abs 1 StVO; diese Gesetzesstelle regelt das Verhalten von Personen, die Verkehrsteilnehmer sind. Der Vorsatz des Berufungswerbers war aber Verhinderung von Verkehr, um eine Bautätigkeit zu erschweren. Dieses Verhalten verwirklicht aber den Tatbestand des § 82 Abs 1 StVO iVm § 99 Abs 3 der StVO (s VwGH 24.3.1982 3162/80; ÖJZ 1982, 585). Es wurde somit ein unrichtiger Tatbestand angelastet, weshalb das Straferkenntnis in Punkt 1) zu beheben war. Der Behörde steht es aber frei, innerhalb der Verfolgungsverjährungszeit das Verfahren hinsichtlich der richtigen Tatanlastung zu führen.

Zu Punkt 2)

Der Berufungswerber behauptet einen Eingriff in das Recht auf Versammlungsfreiheit. Erste Voraussetzung für die Abhaltung einer Versammlung im Sinne des Gesetzes ist deren vorherige Anzeige. Von der Mag. S. wurde von 30.4. bis 26.6.91 von 04.30 bis 22.00 Uhr politische Kundgebungen von Ecke Hermann Brochg/Hervicusg über Marschallplatz 1-9, über Hallensteing bis zur Ecke Hallensteing/Jägerhausg zum Thema diverse Bauvorhaben in Hetzendorf, mit einer erwarteten Zahl von 50 Personen angezeigt. Nach ständiger Rechtsprechung des VfGH (z B 8.10.88, B 281/88) ist eine Zusammenkunft mehrerer Menschen nur dann als Versammlung iSdGes zu werten, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken zu bringen, sodaß eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht. Eine Versammlung ist das Zusammenkommen von Menschen zum gemeinsamen Zweck der Erörterung von Meinungen oder der Kundgabe von Meinungen an andere.

Hier waren die Voraussetzungen für die Qualifizierung als Versammlung nicht gegeben:

Allein schon die beabsichtigte Dauer der Veranstaltung (fast 2 Monate!!)zeigt, daß keine Versammlung geplant war noch stattfand, da ein gemeinsames Wirken von ca 50 Personen über einen derartigen Zeitraum nicht durchführbar ist. Außerdem ist es undurchführbar, daß diese 50 Personen auf der angegebenen Wegstrecke von ca 500 m gemeinsam wirken können. Vielmehr sollten zufällig am Veranstaltungsort vorbeikommende Passanten über das Anliegen der Teilnehmer informiert werden, was aber für die Qualifikationn einer Veranstaltung als Versammlung nicht hinreicht (zB VfGH 12.3.88, B 926/87, 8.10.88, B 281/88 ua)

Somit lag keine Versammlung iSd VersG vor, weshalb das Verhalten des Berufungswerbers ausschließlich nach den Bestimmungen des EGVG zu werten war.

Wie der Berufungswerber richtig wiedergibt, gehört zum Tatbild der Ordnungsstörung, daß ein obejektiv zur Ärgerniserregung geeignetes Verhalten gesetzt wird. Eine Ärgerniserregung liegt dann vor, wenn es den guten Sitten widerspricht und bei unbefangenen Menschen die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schädlichen herbeizuführen geeignet ist. Es widerspricht den guten Sitten, auf einer dem öffentlichen Fahrzeugverkehr bestimmten Fläche diesen Verkehr teilweise oder ganz zu verhindern.

Auch die 2. Voraussetzung, nämlich die Störung von geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort, wurde unmittelbar durch das Verhalten des Berufungswerbers bewirkt. Denn geordnete Verhältnisse auf einer öffentlichen Verkehrsfläche bedeuten, daß der Fahrzeugverkehr von mutwilligen Störungen frei unbehindert fließen kann. Gerade die Behinderung war aber Zweck des Verhaltens des Berufungswerbers.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Eine Herabsetzung der Strafe kam aus folgenden Gründen nicht in Betracht:

Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen.

Deshalb war der Unrechtsgehalt der Tat an sich beträchtlich. Das Verschulden des Berufungswerbers war als erheblich anzusehen, da der Berufungswerber vorsätzlich gehandelt hat.

Bei der Strafbemessung wurden auch die zur Tatzeit vorgelegene verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit, sowie die unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse, die Vermögenslosigkeit und das Fehlen einer gesetzlichen Sorgepflicht berüchsichtigt.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis S 3.000,-- reichenden Strafsatz ist die verhängte Geldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch.

Der Berufungswerber wird noch aufmerksam gemacht, daß er im Wiederholungsfalle mit einer derartigen Milde der Behörde nicht mehr rechnen könne.

Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 des VStG.

Schlagworte
öffentliches Ärgernis, öffentliche Ordnungsstörung, Versammlungsfreiheit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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