Der BW war wegen Übertretungen der §§24 Abs1 litd und 23 Abs2 StVO bestraft worden. Er wandte ein, daß durch eine Baustelle sowohl der Schnittpunkt der einander kreuzenden Fahrbahnränder als auch der Rand der Fahrbahn eine Verschiebung erfahren habe. Der UVS bestätigte die Bestrafung nach §24 Abs1 litd StVO, behob jedoch die Bestrafung nach §23 Abs2 StVO und stellte das Verfahren im letztgenannten Punkt gemäß §45 Abs1 Z2 VStG ein.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat über die Berufung des Herrn Gerhard S gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling vom 16.5.1991, AZ Cst 7736-D/90, betreffend Verwaltungsübertretungen nach 1) 24 Abs1 litd u 2) 23 Abs2 StVO entschieden:
Aufgrund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis gemäß §66 Abs4 AVG 1991 in Punkt
1) bestätigt, in Punkt 2) hingegen behoben und das diesbezügliche Verfahren gemäß §45 Abs1 Ziff2 VStG 1991 eingestellt. Dem Berufungswerber wird gemäß §64 Abs2 VStG 1991 ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von zu 1) S 100,-- auferlegt, wohingegen dem Berufungswerber gemäß §65 leg cit ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsvefahrens in Punkt 2) nicht vorgeschrieben wird.
Begründung:
Der Berufungswerber führt im wesentlichen aus, daß durch eine am 27.11.1990 an der betreffenden Stelle vorhandene Baustelle der Schnittpunkt der Fahrbahnränder eine entsprechende Verschiebung erfahren habe, wodurch sein Fahrzeug wegen der besonderen Verhältnisse außerhalb des 5 m Bereiches vom Fahrbahnschnittpunkt und auch am Rande der Fahrbahn abgestellt gewesen sei. Im angefochtenen Straferkenntnis wäre trotz baustellenbedingter Verschiebung des Fahrbahnschnittpunktes in Richtung Kreuzungsmitte der ursprüngliche Schnittpunkt der Gehsteigränder, und nicht die tatsächliche Baustellenbegrenzung als maßgeblich für den 5 m Bereich angesehen worden.
Zum Vorhalt des Beweisergebnisses vom 24.7.1991 führte der Berufungswerber noch folgendes aus:
"Da der Kopie der Planskizze der Gaswerke der Gehsteigverlauf im Kreuzungsbereich Liechtensteinstraße/Türkenstraße nicht zu entnehmen ist, lege ich zwecks Erläuterung der Situation folgende, von mir angefertigte Photos vor:
A: Blick von der Kreuzung in Richtung Liechtensteinstraße stadtauswärts
B: Blick von der Kreuzung in Richtung Türkenstraße -
Währingerstraße
Es ist auch jetzt noch der genaue Verlauf der Künetten sichtbar. Dem Beweismittel B ist zu entnehmen, wie weit der Fahrbahnschnittpunkt durch die Baustelle verschoben wurde. Mein Fahrzeug war so geparkt, daß die vordere Stoßstange sich in etwa an der Stelle des rechten Bildrandes "B" befand. Das bedeutet eine Position ähnlich der des weißen Mercedes auf "A"."
Geht man nun davon aus, daß das Fahrzeug des Berufungswerbers laut seinen eigenen Angaben zur Tatzeit am Tatort in ähnlicher Weise abgestellt war wie der weiße Mercedes auf dem Beweisfoto "A" ersichtlich, und die vordere Stoßstange sich etwa an Stelle des rechten Bildrandes "B" befand, so ist die dem Berufungswerber zur Last gelegte Verwaltungsübertretung gemäß §24 Abs1 litd StVO 1960 unzweifelhaft erfüllt worden, mag das Fahrzeug auch nur zu einem geringen Teil (theoretisch nur wenige Zentimeter) in den 5 m Bereich hineingeragt haben.
Der Berufungswerber wird diesbezüglich noch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3.7.1981, 81/02/0045, hingewiesen, wonach durch vorübergehende Absperrungen im Kreuzungsbereich (zB durch Bauhütten, Abschrankungen) keine Veränderung des für die Anwendung des §24 Abs1 litd maßgeblichen Schnittpunktes einander kreuzender Fahrbahnränder eintritt.
Auch aus seiner eigenen Skizze geht die verbotswidrige Abstellung des Fahrzeuges innerhalb des 5 m Bereiches eindeutig hervor (Blatt 10).
Die dem Berufungswerber zu Punkt 1) des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegte Verwaltungsübertretung war daher als erwiesen anzusehen, weshalb der Berufung in diesem Punkt keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen war.
Zu Punkt 2) wird ausgeführt:
Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4.7.1980, 1949/78, ist davon auszugehen, daß eine vorübergehende Änderung des Fahrbahnrandes bewirkt, daß ein Teil der Fahrbahn vorübergehend dem Verkehr entzogen ist, und somit auch nicht mehr als Fahrbahn angesehen werden kann, weshalb auch der "Rand der Fahrbahn" vorübergehend ein anderer ist.
Auch nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 22.11.1979, 8 Ob 244/79, ZVR 1980/276, muß davon ausgegangen werden, daß ein Kfz-Lenker, der sein Fahrzeug entlang einer Baustellenabplankung abstellt, wenn keine Halte- oder Parkverbote verfügt sind und die Fahrbahn für den Fließverkehr ausreichend Platz bietet, nicht gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstößt. Für die Berufungsbehörde ist daher als erwiesen anzusehen, daß die Abstellung des Kfz des Berufungswerbers entlang der Künette nicht rechtswidrig erfolgte, zumal ja auch aus dem Beweisfoto "B" hervorgeht, daß die Künette in der Liechtensteinstraße über dem Gehsteig verlief.
Das angefochtene Straferkenntnis war daher spruchgemäß in Punkt 2) zu beheben und die Einstellung des diesbezüglichen Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen, weil der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat.
Eine Herabsetzung der Strafe zu Punkt 1) kam aus folgenden Gründen nicht in Betracht:
Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Verkehrssicherheit. Deshalb war der Unrechtsgehalt der Tat nicht gering, zumal durch das vorschriftswidrig abgestellte Kfz ein anderer Fahrzeuglenker nicht in die Kreuzung ausreichend einsehen konnte und es in weiterer Folge zu einem Verkehrsunfall gekommen war (Blatt 1).
Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Bei der Strafzumessung wurden auch die zur Tatzeit vorgelegene verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit sowie die angegebenen durchschnittlichen Einkommensverhältnisse, die Vermögensverhältnisse in Form eines Hausbesitzes und das Fehlen einer gesetzlichen Sorgepflicht (Blatt 17) berücksichtigt. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis S 10.000,-- reichenden Strafsatz ist die zu Punkt 1) verhängte Geldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal weitere Milderungsgründe nicht hervorgetreten sind. Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Punkt 1) stützt sich auf die zwingende Vorschrift des §64 Abs2 VStG 1991.
Gemäß §51e Abs2 VStG 1991 war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen.