TE UVS Wien 1991/09/25 03/21/556/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.09.1991
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Betreff

Langsames ununterbrochenes Einfahren in eine Kreuzung ist als Vorrangverletzung zu werten

Spruch

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung insoferne Folge gegeben, als das Straferkenntnis hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 52 Z 24 StVO aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt wird.

Hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs 1 iVm § 19 Abs 7 StVO wird der Berufung keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis in diesem Umfang bestätigt. Die Berufungswerberin hat daher gemäß § 64 Abs 2 VStG zu Punkt 2) des Straferkenntnisses (Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs 4 iVm § 19 Abs 7 StVO) einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 200,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Text

Begründung:

Mit Straferkenntnis vom 5.7.1991, Zl Pst 1083/Wg/91, erkannte die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Währing, die Berufungswerberin schuldig, sie habe am 6.1.1991 um 19.55 Uhr in Wien 18, Lacknergasse 80-Kreuzgasse als Lenkerin des PKW XY

1) es unterlassen, vor der Kreuzung anzuhalten, obwohl dort eine Stoptafel angebracht war und 2) den Vorrang der von rechts und links kommenden Fahrzeuge nicht beachtet, sondern habe durch Einfahren in die Kreuzung einen anderen Fahrzeuglenker zum Ablenken seines Fahrzeuges genötigt. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung zu 1) nach § 99 Abs 3 lit a StVO iVm § 52 Z 24 StVO und zu 2) nach § 99 Abs 3 StVO iVm § 19 Abs 4 iVm § 19 Abs 7 StVO begangen. Gemäß 1) § 99 Abs 3 lit a StVO wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,--, im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden und 2) gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,--, im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden verhängt.

In der Begründung ihres Bescheides führt die Behörde erster Instanz aus, das Erkenntnis stütze sich auf die über Aufforderung erstattete Anzeige sowie die niederschriftliche Einvernahme des Aufforderers als Zeugen und die niederschriftliche Einvernahme der

S.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Berufungswerberin fristgerecht Berufung. In ihrer Berufung führt sie im wesentlichen aus, sie habe die Stoptafel und den Vorrang des Aufforderers beachtet.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 25.9.1991 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch. Im Zuge dieser Verhandlung wurde die Berufungswerberin, sowie der Aufforderer S H, seine Frau C H und Frau K als Zeugen einvernommen. Die Berufungswerberin gab auf Befragen der Verhandlungsleiterin folgendes an:

"Zur Tatzeit bin ich mit meinem Kfz die Lacknergasse entlanggefahren. Vor der gegenständlichen Stoptafel habe ich angehalten. An der linken Seite der Kreuzgasse sind im Kreuzungsbereich andere Kfz gestanden. Ich hatte dadurch keine Sicht auf die Kreuzung und mußte meinen Wagen vorrollen lassen. Ich tastete mich langsam in die Kreuzung. Von links kam das Kfz des Aufforderers S H. Dieser war viel zu schnell unterwegs und mußte daher sein Kfz leicht auslenken. Meiner Meinung nach hätte er nicht auf die andere Fahrbahn ausweichen müssen, wenn er nicht so schnell unterwegs gewesen wäre. Ich halte sein Verhalten für eine Überreaktion. Ich wohne in der Nähe der Tatörtlichkeit und kenne die gegenständliche Kreuzung bzw Stoptafel. Deshalb habe ich sicher bei der Stoptafel angehalten. Der Aufforderer nahm in der Folge die Verfolgung auf und zwang mich zum Anhalten. Ich blieb stehen, er hat sich sehr aggressiv verhalten und bedrohte mich. Seine Beifahrerin holte ihn wieder in das Auto zurück, er fuhr dann weiter."

Der Zeuge S H gab auf Befragen der Verhandlungsleiterin folgendes an:

"Zur Tatzeit fuhr ich mit meinem PKW die Kreuzgasse stadteinwärts. Bei der Kreuzung mit der Lacknergasse bemerkte ich das Kfz der Berufungswerberin, welche nicht schnell sondern eher nur im Rollen in die Kreuzung eingefahren ist. Durch das Fahrmanöver der Berufungswerberin war ich allerdings genötigt mein Fahrzeug zu verreissen und ich bin auf die andere Fahrbahn gekommen. Ich fuhr der Berufungswerberin nach, wollte sie zur Rede stellen. Schlußendlich fuhr ich in das Wachzimmer 18 in der Schulgasse und erstattete dort Anzeige. Ob die Berufungswerberin vor der Stoptafel angehalten hat, konnte ich von meiner Position aus nicht bemerken, sicher jedoch ist die Berufungswerberin zu weit in die Kreuzung eingefahren."

Auf Befragen des Vertreters der Berufungswerberin gab der Zeuge folgendes an:

"Aufgrund der Wetterlage bin ich damals ca 30, 35 es könnten auch 40 km/h gewesen sein, gefahren. Schneller sicher nicht, weil man sonst auf den Schienen ins Schleudern kommen könnte. Wie ich das erste Mal das Kfz der Berufungswerberin bemerkt habe, war ich ca 15 - 20 m vom Kreuzungsbereich entfernt gewesen. Das Fahrzeug der BW befand sich zu diesem Zeitpunkt in Bewegung. Ich nahm Geschwindigkeit weg, habe aber nicht gebremst, da ich wußte, daß ich auf einer Vorrangstraße bin und außerdem einen Auffahrunfall vermeiden wollte. Ich ging davon aus, daß das Fahrzeug der BW anhalten wird. Stattdessen rollte es weiter in die Kreuzung.

Ich habe mein Kfz nicht quergestellt um die BW zum Anhalten zu nötigen, dies wäre in der Straße auch gar nicht möglich. Ich habe allerdings ein Bremsmanöver eingeleitet, allerdings im Hinblick auf den nachfolgenden Verkehr. Die BW hätte nicht mehr vorbeifahren können."

Die Zeugin K gab auf Befragen der Verhandlungsleiterin folgendes an:

"Ich fuhr mit der BW im Kfz die Lacknergasse entlang. Bei der gegenständlichen Stoptafel hat die BW angehalten. Bei dieser Stelle war jedoch keine ungehinderte Sicht auf die Kreuzung, denn links stand ein großes Auto geparkt. Die BW tastete sich dann in der Folge in die Kreuzung vor. Ich bemerkte das Auto des Aufforderers ca auf gleicher Höhe. Die BW leitete ein Bremsmanöver ein und blieb stehen. Meiner Meinung nach war der Aufforderer recht schnell unterwegs. Wahrscheinlich deswegen hat er sein Kfz verreissen müssen. Wie weit er sein Kfz ablenken mußte, kann ich nicht mehr angeben. Der Aufforderer fuhr uns nach, überholte uns und brachte uns zum Stehenbleiben."

Auf Befragen des Vertreters der BW gab die Zeugin folgendes an:

"Ich bin schon öfters mit der BW mitgefahren. Sie ist eine vorsichtige Fahrerin."

Auf Befragen der Verhandlungsleiterin gab die Zeugin C H folgendes an:

"Ich war Beifahrerin im Kfz des Herrn S H. Wir fuhren die Kreuzgasse stadteinwärts mit ca 40 bis 50 km/h. Ich sah das Kfz der BW aus der Lacknergasse herausrollen. Herr S H mußte sein Kfz verreissen um auszuweichen. Er mußte sein Kfz etwa bis zur Mitte der Straßenbahnschienen ablenken. Er konnte allerdings noch rechtzeitig in seine Fahrspur wieder zurückkehren und so einen Zusammenstoß mit dem Gegenverkehr vermeiden. Ich habe die BW nur rollend gesehen und kann nicht angeben, ob sie eventuell vorher angehalten hat." Auf Befragen des Vertreters der BW gab die Zeugin an:

"Ich sah das Kfz der BW das erste Mal wie wir schon fast im Kreuzungsbereich waren. Ich war im Gespräch mit meinem Mann. Jedenfalls sah ich das Kfz der BW in den Kreuzungsbereich rollen. Für mich ist alles sehr schnell gegangen. Ob man das Kfz der BW schon früher hätte sehen können, kann ich nicht angeben. Die BW ist mit ihrem Kfz gerollt. Für mich hat es allerdings so ausgesehen, als ob sie weiterfahren hätte wollen und nicht stehenbleiben. Ob die BW beschleunigt hat oder kontinuierlich gerollt, kann ich jetzt nicht mehr angeben. Ich glaube schon, daß im Kreuzungsbereich sich parkende Autos befunden haben. Ob von der BW aus gesehen links die Kreuzung verparkt war, kann ich jetzt nicht mehr angeben."

Die Berufungswerberin betonte nochmals, daß sie bei der Stoptafel angehalten habe. Von da an sei sie kontinuierlich in den Kreuzungsbereich eingerollt, so weit, bis sie den Aufforderer gesehen habe. Sie habe dabei nicht beschleunigt. Von der Stelle, wo sie etwas hätte sehen können, sei der Aufforderer schon da gewesen.

I) Zur Verwaltungsübertretung nach § 52 Z 24 StVO:

Hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretung folgt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den Angaben der Berufungswerberin und der Zeugin K. Die Berufungswerberin gab an, sie habe vor der Stoptafel angehalten und habe erst dann ihren Wagen in den Kreuzungsbereich vorrollen lassen. Die Zeugin K bestätigt diese Angaben der Berufungswerberin. Die Zeugen S H und C H konnten von der Position aus, an welcher sie das KFZ der Berufungswerberin das erste Mal bemerkten, die gegenständliche Stoptafel im verparkten Kreuzungsbereich gar nicht wahrnehmen. Sie konnten daher auch nicht sehen, ob die Berufungswerberin vor der Stoptafel angehalten hat oder nicht; die Zeugen bemerkten die Berufungswerberin nämlich erst dann, wie die Berufungswerberin schon mit ihrem KFZ in den Kreuzungsbereich eingerollt ist.

Da nicht mit der im Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit angenommen werden konnte, daß alle für die Strafbarkeit des Verhaltens der Berufungswerberin erforderlichen Kriterien tatsächlich erfüllt wurden, war im Zweifel spruchgemäß zugunsten der Berufungswerberin zu entscheiden.

II) Zur Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs 4 iVm § 19 Abs 7 StVO:

Gemäß § 19 Abs 4 StVO haben, wenn vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" oder "Halt" angebracht ist, sowohl die von rechts als die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang. Ist jedoch auf einer Zusatztafel ein besonderer Verlauf einer Straße mit Vorrang dargestellt, so haben die Fahrzeuge, die auf dem dargestellten Straßenzug kommen, den Vorrang, unabhängig davon, ob sie dem Straßenzug folgen oder ihn verlassen; ansonsten gilt Absatz 1. Beim Vorschriftszeichen "Halt" ist überdies anzuhalten.

Gemäß § 19 Abs 7 StVO darf derjenige, der keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige) durch kreuzen, einbiegen oder einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

Unbestritten ist, daß die Berufungswerberin mit ihrem PKW in die Kreuzung eingefahren ist. Nach ihren eigenen Angaben hatte die Berufungswerberin nämlich keine Sicht auf die Kreuzung und mußte so ihr KFZ "vorrollen lassen". Sie "tastete" sich langsam in die Kreuzung. Die Zeugin K gibt an, daß sich die Berufungswerberin in die Kreuzung "vorgetastet" hat. Nach den Angaben des Zeugen S H sah dieser das KFZ der Berufungswerberin das erste Mal, wie er ca 15 - 20 m vom Kreuzungsbereich entfernt gewesen ist. Das Fahrzeug befand sich zu diesem Zeitpunkt in Bewegung und rollte statt anzuhalten weiter in die Kreuzung. Auch die Zeugin C H sah die Berufungswerberin mit ihrem KFZ in die Kreuzung rollen. Auf Grund der übereinstimmenden und widerspruchsfreien Aussagen der Zeugen H geht der Unabhängige Verwaltungssenat Wien davon aus, daß die Berufungswerberin langsam in einem Zug in die Kreuzung eingefahren ist. Das "Vortasten" bedeutete in diesem Fall somit kein schrittweises oder zentimeterweises Vorrollen in mehreren Etappen bis zum einem Punkt, von dem aus die Sicht möglich gewesen ist, sondern stellte sich, wie die Berufungswerberin in der mündlichen Verhandlung auch selbst zugibt, als ein kontinuierliches Einrollen in den Kreuzungsbereich dar.

Wenn die Berufungswerberin meint, das Verhalten des Aufforderers stelle eine "Überreaktion dar", er sei zu schnell unterwegs gewesen und hätte deshalb auf die andere Fahrbahn ausweichen müssen, so ist ihr zu entgegnen, daß auf Grund des Vertrauensgrundsatzes der Vorrangberechtigte an sich zu einem bremsbereiten Fahren nicht verpflichtet ist. Es kann daher nicht von ihm verlangt werden, daß er die Fahrgeschwindigkeit vor einer benachrangten Einmündung nicht erhöhe oder herabsetze (OGH 30.6.1977, 2 0B 134/77, ZVR 1978/228). Der Aufforderer S H hat daher zu dem Zeitpunkt, wie er ca 15 - 20 m vom Kreuzungsbereich entfernt das erste Mal das KFZ der Berufungswerberin bemerkt hatte, darauf vertrauen dürfen,daß die Berufungswerberin ihr Fahrzeug anhalten wird.

Das langsame Einfahren in die Kreuzung in einem Zuge stellt sich daher, auch bei zugegebenermaßen schlechten Sichtverhältnissen durch parkende Autos, als eine Vorrangverletzung dar. Die Berufungswerberin nötigte durch ihr Fahrverhalten den (nach seinen und nach den Angaben der Zeugin C H) mit ca 40 km/h auf der Vorrangstraße fahrenden Aufforderer S H zur Vermeidung eines Zusammenstoßes, zum Ablenken seines Fahrzeuges. Das Tatbild des § 19 Abs 7 StVO ist somit verwirklicht worden.

Der Berufung war daher keine Folge zu geben und das erstinstanzliche Straferkenntnis in diesem Umfang zu bestätigen.

Schlagworte
Stoptafel, Vorrangverletzung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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