Bei der Aufforderung, die Fahrzeugpapiere vorzuweisen, muß ein gewisser zeitlicher Konnex zwischen der Aufforderung und dem Lenken eines Fahrzeuges hergestellt sein.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung hinsichtlich der Punkte 1), 3) und 4) Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis in diesen Punkten behoben, sowie das Verfahren in diesen Punkten gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
In Punkt 2) wird der Berufung gemäß § 66 Abs 4 AVG in der Schuldfrage keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich mit der Abänderung bestätigt, daß die Tatumschreibung zu lauten hat wie folgt:
"Sie (P) haben am 29.12.1990 um etwa 11.45 Uhr in Wien 23, A-Straße 00, der Weisung eines Straßenaufsichtsorganes, den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XY vom Gehsteig wegzustellen, nicht Folge geleistet und dadurch gegen § 99 Abs 4 lit i iVm § 97 Abs 4 StVO verstoßen."
Die Geldstrafe von S 600,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe wird auf S 300,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 18 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt. Dementsprechend verringert sich der gemäß § 64 VStG vorgeschriebene Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens von S 60,-- auf S 30,--.
Gemäß § 65 VStG hat der Berufungswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung: Aufgrund einer Anzeige des BezI P vom 4.1.1991 führte die Behörde erster Instanz ein ordentliches Ermittlungsverfahren durch, und erließ aufgrund der Ergebnisse dieses Verfahrens gegen den Beschuldigten zur Zahl Pst 54-Li/91 ein Straferkenntnis vom 19.6.1991, womit ihm zur Last gelegt wurde, er habe am 29.12.1990 um 11.45 Uhr in Wien 23, A-Straße 00, 1) den PKW XY mit drei Rädern auf dem Gehsteig abgestellt, diesen somit vorschriftswidrig benützt, 2) die Weisung des Straßenaufsichtsorganes, den PKW vom Gehsteig wegzustellen, nicht befolgt, 3) es unterlassen auf Verlangen den Führerschein auszuhändigen und 4) es unterlassen den Zulassungsschein auszuhändigen und dadurch die Rechtsvorschriften
1) § 8 Abs 4 StVO, 2) § 97 Abs 4 StVO, 3) § 102 Abs 5a KFG und 4) § 102 Abs 5b KFG verletzt.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Berufungswerber folgende Strafen verhängt:
Zu den Punkten 1) und 2) jeweils S 600,--, im Falle der Uneinbringlichkeit jeweils 36 Stunden sowie zu den Punkten 3) und
4) jeweils S 800,--, im Falle der Uneinbringlichkeit jeweils 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe. Weiters wurde dem Berufungswerber ein Betrag von S 280,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz zur Zahlung vorgeschrieben. Innerhalb offener Frist erhob der Beschuldigte gegen dieses Straferkenntnis Berufung, in welcher er an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien die Anträge stellte, die Berufungsbehörde möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, den Berufungswerber laden und die beantragten Beweise aufnehmen und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben, in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und eine angemessene Strafe von lediglich S 400,-- verfügen.
Über diese Berufung wurde am 15.10.1991 vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der Verhandlungsleiter Dr S die Schriftführerin Frau F sowie der Beschuldigte P und sein Vertreter Mag P sowie weiters als Zeuge Herr BezI P teilnahmen. In dieser Verhandlung legte der Beschuldigte ein Gedächtnisprotokoll vom gegenständlichen Vorfall, einen die Gehsteigauf- und -überfahrt in Wien 23, A-Straße 00, betreffenden Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 28, vom 30.9.1964, Zl MAbt 28-6108/64, eine Skizze über die in Rede stehende Örtlichkeit sowie eine Ablichtung eines Teiles des Typenscheines seines Fahrzeuges vor. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung verwies der Berufungswerber erneut darauf, daß sich aus den von ihm vorgelegten Unterlagen ergäbe, daß das Fahrzeug weder im Grünstreifen noch auf einem Gehsteig abgestellt gewesen sei. Weiters verwies der Beschuldigte auf sein Gedächtnisprotokoll und gab über ausdrückliches Befragen ergänzend an, daß damals am Vorfallsort zwar ein gereiztes Gesprächsklima herrschte, dieses aber nicht soweit emotionell war, daß es zu Beschimpfungen gekommen sei. Schließlich räumte der Berufungswerber ein, es sei nicht ganz auszuschließen, daß er eine allfällige Aufforderung, das Auto wegzustellen, dann überhört haben könnte, wenn sie kurz war und im Gespräch erfolgte. Der Zeuge BezI P gab über Befragen an, daß die Aufforderung mit dem Fahrzeug wegzufahren nach seiner Erinnerung eher am Beginn der Amtshandlung war. Den Wortlaut gab der Zeuge mit: "Sie müssen wegfahren" an und ergänzte, daß der Beschuldigte dahingehend repliziert habe, daß er nicht Lenker sei und daß es sich um einen Privatparkplatz handle. Danach habe er den Beschuldigten, der bei der Amtshandlung in Hauskleidung erschienen war, aufgefordert, "Führerschein und Zulassungsschein" herauszugeben.
Auf diese Aussage replizierte der Beschuldigte im wesentlichen noch damit, daß er den Ausdruck "Privatparkplatz" nicht verwendet, sondern nur darauf hingewiesen habe, daß es sich um eine "Überfahrt zum Privatgrundstück" handle. Weiters habe es nach Stellungnahme des Berufungswerbers keine getrennten Aufforderungen, einerseits wegzufahren und andererseits den Führerschein vorzuweisen, gegeben, sondern habe er auf die Aufforderung den Führerschein vorzulegen geantwortet "nein, denn ich lenke jetzt nicht das Fahrzeug", was aber aufgrund seiner Hauskleidung logisch gewesen sei.
Der Berufungswerber hielt die Berufungsanträge aufrecht und ergänzte zu Punkt 2) daß aus der Sicht des Berufungswerbers keine derartige Aufforderung erfolgt sei, für den Fall, daß der UVS aber zu einer anderen Ansicht gelange, habe jedenfalls kein Verschulden des Berufungswebers vorgelegen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien schenkte den Angaben des Zeugen BezI P, soweit sich diese auf die Übertretung nach § 99 Abs 4 lit i iVm § 97 Abs 4 StVO beziehen mehr Glauben, als den Angaben des Berufungswerbers. Zum einen war hiebei darauf Bedacht zu nehmen, daß der Zeuge unter Wahrheitspflicht und der Strafdrohung des § 289 StGB aussagte, zum anderen darauf Bedacht zu nehmen, daß der Berufungswerber selbst nicht ganz ausschließen konnte, daß eine Aufforderung zum Wegstellen des Fahrzeuges erfolgte, von ihm aber überhört wurde. War sich also der Berufungswerber bezüglich dieses Punktes in seiner Sachverhaltsschilderung nicht ganz sicher, so zeigte der Zeuge diesbezüglich ein gefestigtes und überzeugtes Auftreten und konnte daher seine Aussage durch die Angaben des Berufungswerbers in der Verhandlung aber auch im vorangeganzgenen Verfahren sowie durch die von ihm beigebrachten Unterlagen nicht entscheidend erschüttert werden.
§ 97 Abs 4 StVO bestimmt, daß Organe der Straßenaufsicht sowie die nach Abs 3 betrauten Organe, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs erfordert, berechtigt sind, einzelnen Straßenbenützern für den Einzelfall Anordnungen für die Benützung der Straße zu erteilen, und zwar auch solche, die von den sonstigen diesbezüglichen Bestimmungen abweichen. Diese Anordnungen dürfen
a) nur gegeben werden, wenn ihre Befolgung ohne Gefährdung von Personen und Beschädigung von Sachen möglich ist,
b) nur befolgt werden, wenn es ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.
Gemäß § 99 Abs 4 lit i StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 1.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 48 Stunden zu bestrafen, wer in anderer als in Abs 1 und 2 sowie im Abs 3 lit a bis h bezeichneten Weise Gebote, Verbote oder Beschränkungen sowie Auflagen, Bedingungen oder Fristen in Bescheiden nicht beachtet. Geht man nun davon aus, daß BezI P eine Weisung zum Wegfahren erteilte, so wäre diese im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut, aber auch im Hinblick auf die dazu erganzgene Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (ua VwGH vom 12.10.1984, 84/01/0054) zu befolgen gewesen, hat der Gerichtshof mit diesem Erkenntnis doch zum Audruck gebracht, daß auch derjenige, der sich zu Recht auf eine Ausnahme von einem beschilderten Halteverbot berufen kann, der Weisung, wegzufahren, zu entsprechen hat.
Soll nämlich eine solche Weisung ihren vom Gesetzgeber bestimmten Zweck erfüllen, dann muß ihr auch mit der nach den Umständen ehestmöglichen Beschleunigung nachgekommen werden, ohne mit dem Straßenaufsichtsorgan über Rechtmäßigkeit oder Unrechtsmäßigkeit der Weisung zu diskutieren. Wenn der Betroffene der Meinung ist, die Anordnungen des Straßenaufsichtsorganes entspreche nicht der obgenannten Vorschrift, steht es ihm, allerdings erst nach Befolgung der Weisung, frei, den Beschwerdeweg an die dem Organ vorgesetzte Behörde zu beschreiten.
Der Berufung war daher in der Schuldfrage keine Folge zu geben und das Straferkenntnis diesbezüglich mit der Abänderung, die der sprachlichen Klarstellung und der richtigen Zitierung der heranzuziehenden Normen diente, zu bestätigen.
Die Strafe wurde spruchgemäß herabgesetzt, da der Berufungswerber einschlägig noch nicht vorgemerkt ist und weder spezial- noch generalpräventive Gründe dafür sprechen, den Berufungswerber bei der erstmaligen Übertretung der im Spruch genannten Bestimmungen mit S 600,-- (ds bereits 60 % des angedrohten Strafsatzes) zu bestrafen.
Eine weitere Herabsetzung der Strafe kam nicht in Betracht, da die Tat in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Befolgung von Weisungen der dazu berechtigten Straßenaufsichtsorgane schädigte, weshalb der Unrechtsgehalt der Tat als nicht gering einzustufen war.
Auch kann der Ansicht des Berufungswerbers, es läge kein Verschulden vor nicht gefolgt werden, zumal er es bei gegenständlicher Amtshandlung offenbar an der nötigen Sorgfalt fehlen hat lassen, weshalb ihm das Überhören der erteilten Weisung zumindest als leichte Fahrlässigkeit zuzurechnen ist, weshalb das Verschulden als nicht gering einzustufen war.
Auf den Umstand, daß dem Berufungswerber der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zu Gute kommt, sowie auf seine günstigen Einkommensverhältnisse, seine Vermögenslosigkeit und die Sorgepflichten für eine Gattin und zwei Kinder wurde Bedacht genommen.
Angesichts obiger Strafzumessungsgründe sowie des bis zu S 1.000,-- reichenden Strafsatzes stellt sich die nunmehr verhängte Geldstrafe als angemessen und keineswegs zu hoch dar, zumal weitere Milderungsgründe im Verfahren nicht hervorgetreten sind. Die Entscheidung zu Punkt 1) stützt sich auf folgende Überlegungen:
Gemäß der Begriffsbestimmung des § 2 Abs 1 Z 10 StVO ist ein Gehsteig ein für den Fußgängerverkehr bestimmter, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dergleichen abgegrenzter Teil der Straße.
Dafür, daß ein Gehsteig vorliegt, sind nur die äußeren Merkmale entscheidend. Zwar bedarf es weder einer behördlichen Widmung als Gehsteig, noch kommt es darauf an, ob bzw in welchem Ausmaß die Verkehrsfläche von Fußgängern benötigt wird. Bei der Beurteilung nach den äußeren Merkmalen muß man sich aber nichts desto trotz an der Formulierung "ein für den Fußgängerverkehr bestimmter Teil der Straße" orientieren.
Im Hinblick auf die vom Zeugen BezI P gelegte Skizze sowie die vom Berufungswerber beigebrachten Unterlagen kann aber jedenfalls nicht davon ausgeganzgen werden, daß die betonierte Fläche, auf der das gegenständliche Fahrzeug gestanden ist, ein für den Fußgängerverkehr bestimmter Teil der Straße ist.
Es war daher in diesem Punkt spruchgemäß zu entscheiden. Die Entscheidung zu den Punkten 3) und 4) stützt sich auf folgende Überlegungen:
Gemäß § 102 Abs 5 KFG hat der Lenker auf Fahrten a) den Führerschein und b) den Zulassungsschein für das von ihm gelenkte KfZ auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.
Nicht zu Unrecht hat der Berufungswerber darauf verwiesen, daß bei der Aufforderung, die Fahrzeugpapiere vorzuweisen ein gewisser zeitlicher Konnex zwischen der Aufforderung und dem Lenken eines Fahrzeuges hergestellt sein muß.
Der Zeuge hat nun darauf hingewiesen, daß sich der Berufungswerber, als er vom Zeugen angesprochen wurde, selbst als Lenker bezeichnet hat.
Diesem Umstand kommt aber im gegenständlichen Fall aus zwei Gründen keine Bedeutung zu. Zum einem kann aus der Antwort, Lenker eines gewissen bezeichneten Fahrzeuges zu sein, nicht unbedingt darauf rückgeschlossen werden, daß das Fahrzeug vor kurzem gelenkt worden sei. Es ist genausogut möglich, daß jemand, der die alleinige Verfügungsgewalt über ein Fahrzeug hat, sich als "Lenker" bezeichnet. Zum anderen erschien der Berufungswerber bei gegenständlicher Amtshandlung auch laut Aussage des Zeugen in Hauskleidung, weshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden konnte, daß er das Fahrzeug unmittelbar zuvor gelenkt habe. Fehlt es aber nun an dem zeitlichen Konnex zwischen dem Lenken eines Fahrzeuges und der Aufforderung, die Fahrzeugpapiere vorzuweisen, so erfolgte die Bestrafung nach § 102 Abs 5 lit a und b zu unrecht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.