Anläßlich einer niederschriftlichen Einvernahme war dem Beschuldigten vom Verhandlungsleiter eine andere als die ursprüngliche Tat angelastet worden und in den Text der Niederschrift eingebaut worden. Der Beschuldigte strich die Anlastung durch und nahm sie nicht zur Kenntnis. Nach seiner Bestrafung wegen des neu angelasteten Tatbestandes erhob er Berufung und wandte ua ein, daß Verfolgungsverjährung vorliege. Der UVS gab der Berufung keine Folge und bestätigte die erstinstanzliche Bestrafung.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat durch das Einzelmitglied Dr Bachler über die Berufung des Herrn T vom 12.8.1991 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Hietzing, vom 30.7.1991, Zahl Cst 832-Hg/91, wegen Übertretung des §23 Abs2 StVO 1960, entschieden:
Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die Tatumschreibung wie folgt zu lauten hat:
"Sie haben am 26.2.1991 um 14.30 Uhr in Wien 13, Am Platz gegenüber Wachzimmer einen dem Kennzeichen nach bestimmten KKW außerhalb eines Parkplatzes nicht am Rande der Fahrbahn, sondern ca 7 m vom Fahrbahnrand entfernt, abgestellt gehabt."
Der Berufungswerber hat daher gemäß §64 Abs1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 80,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.
Begründung:
Unbestritten ist, daß der Berufungswerber das zitierte KFZ am Vorfallsort außerhalb der Bodenmarkierung abgestellt hat. Der Berufungswerber wendet im wesentlichen ein, daß ihm diese Verwaltungsübertretung erstmalig im Straferkenntnis angelastet worden wäre und daß er zum Abstellen des KFZ nach §25 der Bodenmarkierungsverordnung berechtigt gewesen wäre, weil es sich um einen Parkplatz handle.
Der dem Straferkenntnis zugrundeliegende Sachverhalt blieb demnach zur Gänze unbestritten. Die vom Berufungswerber vorgebrachte Begründung war als in Frage stellen der rechtlichen Beurteilung des von der Behörde festgestellten Sachverhaltes zu werten. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß §51e Abs2 StVG im gegenständlichen Fall abgesehen werden, da eine solche weder beantragt wurde noch erforderlich war.
Zur rechtlichen Beurteilung:
Zum Argument der Anlastung erst im Straferkenntnis ist zu entgegnen, daß dem Berufungswerber in der Niederschrift über die Vernehmung eines Beschuldigten vom 2.7.1991 unter Gegenstand der Vernehmung wörtlich folgende Anlastung vorgehalten wurde: "Es wurde mir der ergänzende Bericht mit der Situationsskizze zur Kenntnis gebracht und nehme ich die Anlastung zur Kenntnis, daß ich den dem Kenneichen nach bestimmten PKW zur Tatzeit an der bezeichneten Örtlichkeit nicht am Fahrbahnrand und parallel zum Fahrbahnrand abgestellt habe"
Der Berufungswerber strich ab den Worten "nehme ich" den geschriebenen Text durch.
Als Verfolgungshandlung gilt jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung. Diese Amtshandlung muß nach außen in Erscheinung getreten sein. Der Beschuldigte muß jedoch davon nicht einmal Kenntnis erlangt haben (z B bei Nichtbehebung eines Ladungsbescheides o ä). Die Anlastung war in Verbindung mit der Situationsskizze auf dem dem Berufungswerber zur Kenntnis gebrachten Bericht durchaus geeignet, als verjährungsunterbrechender Verfolgungsschritt gewertet zu werden. Ein "nicht zur Kennntis nehmen" der Anlastung durch den Berufungswerber hindert nicht die Gültigkeit der Anlastung als Verfolgungshandlung. Vergleichbar wäre ansonsten jede Nichtbehebung eines amtlichen Schreibens gleichbedeutend mit einer Nichtgültigkeit der Verfolgungshandlung. Da §32 Abs2 VStG ausdrücklich normiert, daß der Beschuldigte von der Verfolgungshandlung nicht unbedingt Kenntnis erlangen muß und die Verfolgungshandlung dennoch gültig bleibt, war im gegenständlichen Fall eine rechtzeitige Verfolgungshandlung von der Behörde gesetzt worden.
Zur Frage, ob es sich beim Abstellort um einen Parkplatz handelt, war abgesehen von der Nichtkennzeichnung des gegenständlichen Platzes nach §53 Abs1a StVO als Parkplatz, die Bestimmung des §25 Abs2 der Bodenmarkierungsverordnung heranzuziehen. Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, daß als Parkplatz nur jene Fläche gilt, die von Bodenmarkierungen dazu bestimmt ist.
Dazu hat der VwGH am 10.10.1980, 2945/79 entschieden:
"In dem Augenblick, wo das Fahrzeug wenn auch nur zu einem Teil außerhalb der äußersten Begrenzung der Bodenmarkierung zu stehen kommt, gilt die ein gesetzliches Verbot aufhebende Wirkung der Bodenmarkierung nicht mehr. Die Bodenmarkierung hebt nämlich die Bestimmung des §23 Abs2 StVO nur für den Bereich auf, wo sie angebracht ist, nicht aber für den Bereich außerhalb der Bodenmarkierung."
Daraus ergibt sich unmißverständlich, daß der Abstellort des Fahrzeuges kein Parkplatz war. Es kam daher §23 Abs2 StVO zur Anwendung, wonach der Berufungswerber das KFZ nur am Fahrbahnrand hätte abstellen dürfen, wobei als Fahrbahnrand die Grenze zwischen Gehsteig und Fahrbahn vor dem Wachzimmer heranzuziehen war. Die Bodenmarkierung der Abgrenzung des Parkplatzes ist kein Fahrbahnrand im Sinne des Gesetzes.
Der Sachverhalt war daher bereits von der Behörde rechtlich richtig beurteilt worden.
Die Änderung im Spruch diente lediglich der genaueren Anpassung an
den gesetzlichen Tatbestand.
Zur Strafbemessung:
Eine Herabsetzung der Strafe kam aus folgenden Gründen nicht in Betracht:
Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Einhaltung der Verkehrsvorschriften. Deshalb war der Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering.
Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Bei der Strafbemessung wurden auch die zur Tatzeit vorgelegene verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit, sowie die unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse, die Vermögenslosigkeit und das Fehlen einer gesetzlichen Sorgepflicht berücksichtigt.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis S 10.000,-- reichenden Strafsatz ist die verhängte Geldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch.
Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des §64 Abs1 und 2 des VStG.