TE UVS Niederösterreich 1991/11/04 Senat-KO-91-039

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Veröffentlicht am 04.11.1991
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Spruch

Der Berufung wird gem §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51/1991, Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.

 

Gemäß §45 Abs1 lita des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52/1991, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft xx hat gegen Herrn xx das Straferkenntnis vom 2. August 1991, Zl xx erlassen. Darin wurde ihm zur Last gelegt, er hätte als Lenker eines Sattelkraftfahrzeuges (Sattelzugmaschine xx, Sattelanhänger xx) am 14. September 1990 um 09,45 Uhr im Ortsgebiet von xx, auf der xx bei der Kreuzung mit der xx (Fahrtrichtung xx) die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten. Aus diesem Grund hat die Behörde gemäß §20 Abs2 iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt. Dabei hat die Bezirkshauptmannschaft die Entscheidung auf die Geschwindigkeitsdarstellungen der Tachographenscheibe des Fahrzeuges des Beschuldigten sowie auf eine Zeugenaussage des Herrn xx, xx, gestützt.

 

Herr xx, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr xx, hat gegen diesen Bescheid rechtzeitig berufen. Er begründete sein Rechtsmittel damit, daß die Tachographenscheibe keinen Beweis bieten könne, weil der genaue Tatzeitpunkt nicht feststehe. Auch sei die Geschwindigkeitsschätzung durch den Zeugen nicht beweiskräftig, da der Zeuge kein zur Beobachtung geschultes Organ sei.

 

Dazu ist seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates für das Land Niederösterreich auszuführen:

 

Dem vorliegenden Verwaltungsstrafakt ist zu entnehmen, daß sich der angelastete Vorfall in zeitlicher Hinsicht am 14. September 1990 gegen 09,45 Uhr ereignet haben soll. In dieser Hinsicht stimmen die Aussagen von Frau xx, Herrn xx und dem Beschuldigten xx vom 14. September 1990 vor dem Gendarmerieposten xx überein. Der genaue Tatzeitpunkt ist jedoch nicht bekannt.

 

Schließlich hat der Zeuge xx am 21. März 1991 bei einer Einvernahme am Bezirkspolizeikommissariat xx ausgesagt, daß seiner Schätzung nach die Geschwindigkeit des Sattelschleppers "knapp an die 70 km/h" betragen habe. Er habe das Fahrzeug bei der Vorbeifahrt auf einer Strecke von maximal 30 m beobachten können.

 

Zur Auswertung der Tachographenscheibe des Fahrzeuges des Beschuldigten hat der Unabhängige Verwaltungssenat ein Gutachten eines Sachverständigen der Abteilung B/5 des Amtes der NÖ Landesregierung eingeholt:

In seinem Gutachten vom 3. Oktober 1991, Zl xx, stellt der Amtssachverständige dar, daß im Tatortbereich verschiedene Geschwindigkeitsbeschränkungen hintereinander angeordnet sind. Da der Tatzeitpunkt nicht eindeutig feststeht, sei es nicht möglich, die auf der Tachographenscheibe ausgewiesenen gefahrenen Geschwindigkeiten einem bestimmten Ort in der Natur zuzuweisen. Allein aufgrund der Tachographenscheibe sei es also unmöglich zweifelsfrei festzustellen, welche Geschwindigkeit das Fahrzeug des Beschuldigten am Tatort innegehabt hätte.

Nach Ansicht der Berufungsbehörde ist die angelastete Verwaltungsübertretung daher auch im Zusammenhalt mit der Aussage des Zeugen xx, welcher keine entsprechende Schulung zur Verkehrsbeobachtung besitzt, nicht als erwiesen anzusehen:

 

Der Eindruck über die Geschwindigkeit eines vorbeifahrenden Fahrzeuges wird nämlich nicht nur aus einer Vielzahl von optischen Komponenten (wie zB Farbe und Bauart des Fahrzeuges, Standort des Beobachters, Art und Anlage der Fahrbahn), sondern auch aus akustischen Komponenten (wie zB Motor und Fahrzeuggeräusche, Zustand des Fahrzeuges, Straßenbelag, Bereifung, Witterungsverhältnisse wie Wind oder Regen) gewonnen (VwGH 27.6.1980, 2851/78). - Selbst einem besonders geschulten Organ der Straßenaufsicht wäre ein im Schätzungsweg gewonnenes Urteil darüber, ob ein Fahrzeuglenker die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten habe, nicht zuzubilligen, wenn die beobachtete Wegstrecke wie im gegenständlichen Fall nur 30 m betrug (vgl VwGH 19.1.1983, 82/03/0134).

 

Gemäß §45 Abs1 lita VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung unter anderem dann zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

 

Da im gegenständlichen Fall eine Auswertung der Tachographenscheibe laut dem schlüssigen Gutachten vom 3. Oktober 1991, Zl xx aufgrund der mangelnden Kenntnis des genauen Tatzeitpunktes nicht möglich ist, und dem Zeugen xx eine exakte Geschwindigkeitsschätzung nicht zugemutet werden kann, sind die Voraussetzungen des §45 Abs1 lita VStG zur Einstellung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens gegeben.

 

Es ist daher der Berufung spruchgemäß Folge zugeben, der angefochtene Bescheid zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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